von der Ruhe

Erstellt am 22. Juli 2010 von Julius Hensel
Quelle: “Das Leben”, ISBN 978-1-4461-3277-7, Seite 374: — Liegt nicht jeder Art von Bewegung so recht eigentlich das Bestreben zu Grunde, Ruhe zu finden? —
Was ist es denn mit dem ganzen geheimnisvollen Zauber der Häuslichkeit, wenn nicht das Aufsuchen eines wirksamen Schutzes gegen das Übermaß von Schwingungen, mit denen die Welt auf uns einstrahlt? Das Familienleben und ein eigener Herd, die Frieden schaffende Mauer des Hauses, sie sind uns allen das Heiligste wegen der Ruhe, die wir dort genießen. Das Getöse der Welt bricht sich daran ebenso wirksam, wie die Bewegung einer rollenden Kugel oder wie die übermäßig schwingenden und blendenden Sonnenstrahlen von einer Mauer aufgehalten werden. So gibt es auch Frieden, wenn eine männliche Seele von einer weiblichen in ihre Wirkungszone, in ihren Bannkreis gezogen wird. Aber es ist für keinen der beiden Teilen so leicht, sich in die Seele des anderen Teils hineinzudenken. Welche Verirrung daher, ihre verschiedenen Bestrebungen gleichartig machen zu wollen und sich dadurch gegenseitig um den beglückenden Zauber des Gegensatzes zu bringen. Mit welcher zwingenden Gewalt das Gegensätzliche auf uns einwirkt, darüber belehrt uns die größere Anhänglichkeit der Söhne an die Mütter, der Töchter an die Väter: darüber belehren uns auch die zahlreichen Vorkommnisse in der Richtung, dass alles Fremde uns magisch unterwirft. Die Singvögel werfen ihre eigenen Jungen aus dem Nest, um den fremde Kuckuck groß zu ziehen. (Die Naturforscher fabeln, dass es der junge Kuckuck sei, der so wirtschafte, der aber Gott dankt, dass er gefüttert wird und schwerlich auf den Gedanken kommt, seine Pflegeeltern durch Mordtaten gegen sich aufzubringen.) Störche, denen man ein Gänse-Ei beilegt, werfen die jungen Störche hinaus und ziehen die Gans groß. Hündinnen töten ihre Jungen, um Füchse zu säugen, die man ihnen unterschiebt. Fortsetzung folgt… Bookmarken