Womit beschäftigen wir uns? Welche Nachrichten beherrschen unsere Medien? Im ostchinesischen Meer eskaliert der Streit um eine Inselgruppe. Auf Chinas Straßen wird protestiert, ein Handelskrieg scheint möglich. Das Parteiorgan „Volkszeitung“ verkündete, China habe die Entschlossenheit und die Ausdauer, „1000 Feinde zu töten, während 800 von uns fallen.“ In den USA entstand ein Film, der den Propheten Mohammed verunglimpft. Daraufhin kam es in der islamischen Welt zu teilweise gewalttätigen Demonstrationen, bei denen Menschen verletzt und getötet wurden. In Pakistan bot ein Minister 100.000 Dollar für die Ermordung des Filmproduzenten.
Aber ist das ein getreues Abbild unserer Wirklichkeit? Im totalitär regierten China werden Demonstrationen üblicherweise schnell durch staatliche Organe beendet. Man muss deshalb annehmen, dass die Anfeindungen gegen Japan zumindest mit Billigung der Staatsführung geschehen. Ähnliches gilt für die Ausschreitungen in der arabischen Welt. Auch sie wurden organisiert von wenigen Extremisten, im Vergleich zu den Protesten während des Arabischen Frühlings ist die Zahl der Demonstranten sehr gering. Trotzdem gehen die Bilder beider Konflikte rund um die Welt, sie werden tausendfach wiederholt, kommentiert und instrumentalisiert. Es ist jederzeit möglich, mit Bildern wie diesen Ängste und Wut zu erzeugen – und daraus politisches Kapital zu schlagen.
Aber wollen wir das wirklich? Ist das die Zivilisation, in der wir leben wollen? Ist das die Kultur, deren Produkte wir jeden Tag konsumieren möchten? Wollen wir oberflächlich sein, unbewusst Gefühle ausleben und ständig das wiederholen, was schon in der Vergangenheit nicht funktionierte?
In den letzten Jahrzehnten haben wir uns zu sehr auf den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt konzentriert, wir glaubten damit alle Probleme lösen zu können. Tatsächlich jedoch nahmen die Probleme zu, die Zahl der Konflikte erhöhte sich, wie die jüngste Entwicklung beweist. Was wir wirklich brauchen, ist ein moralischer Fortschritt. Wir müssen uns die Frage stellen: Wer wollen wir sein? Wie wollen wir leben?
Eine Gegenwelt ist denkbar. Wir können eine gerechte und freie Welt erschaffen. Erst muss das Ziel definiert werden, dann müssen Schritte auf dem Weg dorthin unternommen werden. Das Thema gehört auf die Tagesordnung, wir müssen darüber nachdenken, darüber sprechen, Bilder erzeugen, sie in den Medien rund um die Welt zeigen, Bücher schreiben, Filme drehen, Gesetze erlassen, Projekte erarbeiten...
Das ist geistige Evolution.