WALTER G. GOES • Aus der Rede auf Heinz Mewius
Gehalten zur Eröffnung seiner Ausstellung in der Orangerie Putbus am 24.11. 2012
Zwei Heinz-Mewius-Sätze aus dem nicht unumstrittenen Buch »Der Hexer von Rügen« sollen vorangestellt sein. Das Buch erschien in der Edition Ost 1992:
»Ich brauch`meine Natur, meine Freunde, meine Tiere. Und dann… muss ich warten auf den Tod.«
So lapidar konnte Heinz Mewius berührende, ins Herz treffende Sätze formulieren. Wobei er natürlich völlig die Kunst vergaß, mit der er jene Welt reflektierte, die ihn umgab, über die er unverkrampft nachdachte, der er seine Schöpfungen abrang, oft spielerisch, aus dem Bauch heraus, manchmal genial, die WIR sprachlos bewunderten…
»Warten auf den Tod«… Das schien bei Heinz Mewius, dem durchaus aktiven Künstler, nicht vorstellbar. Mich hätte es nicht verwundert, wenn er – gleich seiner Werkstatt – in Flammen aufgegangen wäre, oder bei einer feuchtfröhlichen Kahnpartie über Bord gekippt wäre, oder mit seinem spät erworbenen Mofa einen Baum tödlich gestreift hätte, erfroren wäre in einer bitterkalten Januarnacht auf dem nahen Lebbiner Bodden, in einem Graben auf dem Wege nach Hause – unerwartet – verstorben wäre…
All dies stellten für mich mögliche Varianten seines von mir vorausgeahnten plötzlichen Ablebens dar; aber doch nicht ein… »Warten auf den Tod«; das dann aber genau so eintraf, über die Zwischenstation des Bergener Sana Krankenhauses und dem Pflegeheim Göhren. Auch diese traurigen Umstände hat Heinz, der Visionär (auch das noch!) vorhergesehen!
Ein wundersamer, ein lieber, liebenswerter; mitunter ein ruppiger, ein wehleidiger, ein leidender Mensch, ein von Herzen her brüderlicher Freund und Künstlerkollege, den viele auch hier Anwesenden SO gekannt, erlebt und gemocht haben.
Sie meine Damen und Herren, liebe Freunde, tragen Ihre Heinz-Geschichten in sich, bewahren diese behutsam wie zerbrechliches Gut. Gut so.
Aber WARUM ist das so?
Ich kann nur von meinen Erlebnissen berichten, die ich stets als Kostbarkeit empfand, wohl wissend, dass es andere Seiten gab, um deren Erleben ich ANDERE nicht beneidet habe. War es Zufall, Glück, dass ich ihn immer, oder sagen wir… fast immer, offen für Gespräche vorfand, für ein ein-, zwei- dreistündiges Eintauchen in eine – SEINE – Welt der Phantasie, deren Liebreiz und Beschaulichkeit nur (und das kam häufig vor!) von den barbarischsten Flüchen unterbrochen wurden, die meine Ohren bis dato je vernommen hatten. Zur Welt, in der Heinz Mewius zu Hause war, gehörte das ALLES dazu. Es war von mir und ANDEREN akzeptiert und KEINER hätte ihn je abbringen wollen von seinen Pfaden, seinen sprichwörtlich katastrophalen Lebensumständen, so sehr sie uns als leicht veränderbar und abstellbar erschienen.
SIE, nicht das biedere, berechenbare Saubermann-Ambiente der Mehrzahl seiner Mitmenschen – haben jene Werke ermöglicht, vor denen wir heute aus ehrlicher Überzeugung heraus ergriffen und irgendwie auch froh gestimmt verharren.
Und überhaupt gab es für mich – beim hin und wieder doch gewünschten, ersehnten Erwerb einer seiner Skulpturen – ein nicht in Worte zu fassendes Glücksgefühl, wie ich es höchst selten und nur in ganz wenigen anderen Fällen des Erwerbs von Kunst erlebt habe.
Man trug, das war gewiss, einen Schatz nach Hause und ich gebe es ehrlich zu, diesem Schatz galt immer die größte Aufmerksamkeit, die man nur aufbringen konnte.
Ich habe Heinz Mewius spät kennengelernt. Heute bin ich versucht zu sagen: zu spät, denn ein früheres Kennenlernen hätte ja auch ein früheres Kennenlernen und vielleicht Erwerben seiner frühen Arbeiten zur Folge gehabt, die ich schon damals, ich bin mir da ziemlich sicher, gemocht hätte. Aber: früh oder spät – formal spielt das im Falle Heinz nur eine marginale Rolle.
Künstler seiner Spezies sind von Beginn an vollkommen und nur noch wenig entwicklungsfähig. Schon in ihren ersten Werken wohnt Originalität und Magie und… ein Ausgeprägtsein eines Stilwillens, das Staunen hinterlässt.
All diese wunderlichen Gebilde stehen außerhalb der Zeitgeist-Auseinandersetzungen sonstiger Berufskünstler. Unbekümmert und spontan schaffen Künstler wie Heinz Mewius aus dem Drang ihres Herzens heraus IHRE WELT. Ihre Urwüchsigkeit und poetische Unmittelbarkeit erfreut einen jeden von uns durch die Aufrichtigkeit ihrer Eingebung und die oft unbewusste Phantastik ihrer Gestalt gewordenen Träume.
Er war auf sonderbare Weise ein Kind gebliebener Erwachsener, ein Weiser, der mit dem unverstellten Wort- und Erfahrungsschatz seiner, auch unserer Kindheit hantierte und der uns von daher wie ein später Spielgefährte vorkommen musste.
Wohl kurz nach meinem Studium, noch 1979, gab es die ersten Treffen in Laase; Hinweisen Annelise Hoges folgend und denen seines eigentlichen Entdeckers, des ihm am nächsten stehenden Freundes und wirklichen Mentors: Hans-Werner Kratzsch. Wie dankbar war ich ihnen für dieses nur noch zu öffnende Fenster. Ich blickte auf eine Welt voller Wunder, in der die Phantasie noch pralle Feste feierte und… in der die Liebe und die Not ihre gleichberechtigten Heimstätten hatten.
Unvergesslich, nicht nur für mich, das Zu-Gast-Sein für Stunden in seinem Laaser Reich. Ich muss das nicht vertiefen. Viele wissen noch von der Magie dieses Ortes, die mit dem Weggang von Heinz abhanden kam.
Das Drama seiner ersten Personalausstellung auf Rügen – im April 1986 – in der von Berufskünstlern aktivierten Galerie »Nord« in Sassnitz ist mittlerweile zur kinoreifen Legende mutiert. Glücklich der, der noch ein Plakat dieser kurz nach der Eröffnung verbotenen Ausstellung besitzt, auf der gerade die unbewusste Falschschreibung seines Namens und die erhobene Hand des abgebildeten Affen zu den sonderbarsten Mutmaßungen Anlass gaben.
Wie krank, blasiert und verbildet musste eine Gesellschaft sein, die auf Ausstellungen so bösartig reagieren zu müssen sich anschickte.
Dem Heinz war das ALLES ziemlich egal. Er lebte fern von Äußerlichkeiten, lebte in seiner Welt, die wir heute bewundern dürfen. Darüber ist ER nicht krank geworden! Wir, seine Freunde, sehr viel eher. ER hatte andere Sorgen.
Wir haben sie in Maßen aushalten wollen, IHN halten wollen, was nicht immer gelang.
Es gab allerdings auch Beispiele des sehr disziplinierten Abarbeitens von Sonderaufträgen. Ich erinnere an ein Fallbeispiel, und weil ich es aufschlussreich finde, will ich es hier anfügen.
Einmal las ich ihm bei mir die Geschichte vom vierköpfigen Svantevit vor, die der dänische Geschichtsschreiber Saxo Grammaticus so anschaulich zu Papier gebracht hatte, als 1168 Arkona erobert wurde und die Gottheit Svantevit fiel. Ich bat ihn, nach der Beschreibung eine Figur zu schnitzen. Nicht 3 Meter hoch, versteht sich, aber kolossal sollte sie schon sein und vier Gesichter sollte sie auch haben.
Heinz sagte ja. Wir besiegelten die Abmachung mit einem kräftigen Trunk.
Es war kurz vor Weihnachten 1987 und an eine Fertigstellung dachte ich so zu Frühlingsbeginn des kommenden Jahres. Weit gefehlt. Am 26. Januar 1988 erhielt ich einen Brief, den ich bis heute feiere und den ich als Kopie dem Bergerner Stadtmuseum versprochen habe, als Dank für die Leihgabe zu unserer Ausstellung.
WIR ALLE werden des Erinnerns an Heinz nicht müde werden, weil es um ihn und wegen seiner Kunst Besonderes zu lernen gab, nämlich was Kunst ausmacht und was man als Erkenntnis auch in dieser Ausstellung lernen kann.
Es geht… um den Mut Dinge nach AUSSEN zu stellen, die wir im INNERN fühlen. Man muss dafür keine Schulen und höheren Bildungseinrichtungen besucht haben, man lernt nur aus der Schule des Lebens. Die aber verdient die ganze, die ungeteilte Aufmerksamkeit, Liebe und Sehnsucht. Dies halte ich für die Pfeiler, die die Kunst eines Heinz Mewius begründen. Sie wird darüber nicht sterben oder in Vergessenheit geraten können.
Heinz hätte sich über diese Ausstellung und über diese Räume gefreut und mit Sicherheit über einen guten Trunk nach der viel zu langen Rede. Walter G. Goes