Große Symbolik, wenig Inhalt und noch weniger Vertrauenswürdigkeit. Von der Leyen nimmt man die inszeniert und unterkühlt wirkende Fürsorglichkeit für die Schleckerfrauen nicht ab. Aber ihr taktisches Kalkül, nach neoliberaler Rezeptur, kommt professionell und routiniert rüber.
Bei einer öffentlichen Mutmacher Abschusskundgebung vor der versammelten baldehemaligen Schleckerbelegschaft in Berlin bildete eine denkwürdige Troika eine Projektgemeinschaft: Arbeitsministerin von der Leyen, ver.di-Chef Bsirske und Bundesagentur-Chef Weise wollen alle an einem Strang ziehen, um den 25.000 Schlecker-Mitarbeiterinnen eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt zu bauen. Wie das gehen soll wissen sie nicht genau, aber dass sie schwer dafür sind, und hoffnungsfroh obendrein, bekunden sie unisolo. Eine kleine Milchmädchengleichung scheint verheißungsvoll: frei gewordene Arbeitskräfte aus dem Einzelhandel hier + nicht besetzte Stellen aus dem Pflege und Betreuungsbereich dort = alle sind glücklich. Sofern man beide Summanten mit Hilfe einer Umschulungsaktion grob zusammenschüttelt.
“Hier haben wir ein gemeinsames Anliegen. Und zwar in Mangelberufe hinein, die offensichtlich da sind, umzuschulen und weiterzubilden”, sagte von der Leyen. Und wenn sie Mangelberufe sagt, dann hat sie vor allem die mies bezahlte Altenpflege und die Erzieherinnen im Auge. Schließlich hat die Bundesregierung ab August 2013 eine Kinderkrippengarantie abgegeben, aber noch fehlen über 100.000 Plätze und Tausende Erzieherinnen. Nach Hartz 4 Empfängern, sollen nun also direkt die Schleckerfrauen ran, freiwillig freiwillig, denn etwas später, wenn sie Hartz 4 Bezieherinnen sind, werden sie freiwillig dazu gezwungen.
“Ich möchte noch einmal eine Lanze brechen für diese arbeitssuchenden Frauen”, heuchelte von der Leyen ohne mit der Wimper zu zucken. Selbstverständlich qualifiziere man in der üblichen Ausbildung. Gerade hier habe man “viele Frauen, viele Alleinerziehende, auch in der Arbeitslosigkeit, die Erfahrung haben im Umgang mit Kindern”, die also automatisch schon Qualifikationen mitbrächten und prädestiniert seien für einen Beruf, in dem enorm nachgesucht werde.
Was sagt man dazu? Alte sind wie Kinder, und Verkäuferinnen sind quasi Erzieherinnen, weil sie häufig nebenbei Nachwuchs großgezogen haben. Na, das passt ja, da braucht es gar nicht viel Umschulung. Fast ein wenig so wie in den Ministerien. Da kann ein Zahnarzt vom Gesundheitsministerium schnell mal ins Wirtschaftsressort überwechseln, ganz ohne Umschulung, und mit ohne lästige Fach – Kompetenz.Wunderbar, dass sich ein solches Arbeitskonzept so problemlos auf eine niedrigere Ebene übertragen lässt.
Dass viele altgediente Verkäuferinnen in den 40igern oder 50igern sind, häufig bereits krank; und dass diese vielleicht auch nicht unbedingt ihr Interesse bei der Aufzucht von Bälgern sehen, scheint absolut nebensächlich. Zumutbar ist ja seit der Agenda 2010 alles.
Damit man sagen kann, wir haben es versucht, die wollten und konnten bloß nicht, presst man zusammen, was so gar nicht zusammenpasst. Bsirske scheint das zu wissen, macht aber gute Mine zum schlechten Spiel, weil er nicht aus seiner Ohnmacht heraus kann. Weise scheint bereits gedanklich an der Fälschung seiner nächsten Arbeitsmarkt Statistik zu arbeiten. Und die Schleckerinnen? Tja, wenn wir mal ehrlich sind: die blicken nicht allzuviel. Realistisch betrachtet, werden die meisten gesundheitlich, mental und psychisch gar nicht in der Lage sein, mal so eben das “Ressort” zu wechseln. Hartz 4 lässt grüßen, vielleicht in Begleidung mit einem 400 Euro Putzjob.
Es lebe die freie hyperkapitalistische Marktwirtschaft; sie macht uns alle froh und glücklich und frei und ungezwungen.
beste Grüße René Brandstädter – humanicum