Von der Kunst der richtigen Auswahl

Von Stilpirat

“Willst Du gelten mach dich selten!” wusste schon meine Großmutter. Ich will Euch hier nicht mit längst bekannten Weisheiten langweilen, dieser Spruch kommt mir immer wieder in den Sinn, wenn ich die Auswahl der Bilder für einen Kunden zusammen stelle.

Sind wir mal ehrlich zu uns: Nicht jedes Foto was wir als gebuchte Fotografen auf dem Job machen ist ein Treffer! Kann gar nicht! Irgendwer hat immer gerade die Augen zu, leckt sich die Lippen, oder dreht sich gerade um…

Ich habe mich in den letzten beiden Jahren wieder intensiver mit Analog-Fotografie auseinander gesetzt um mal wieder den Wert eines Fotos für mich neu zu definieren. Lieber einmal weniger “draufhalten” als einmal mehr. Doch dann kommt der Kunde und möchte möglichst von allen wichtigen Eckpfeilern einer Veranstaltung wenigstens eine Handvoll schöner Fotos. Und wieder erwischt du dich dabei, daß der eigene Auslöser im Sekundentakt kracht. Ich muß mich dann immer an den Mike Larson Workshop erinnern. Mike sagte: “Wen kümmerts? Pixel kosten nichts! Mach Fotos! Bei 50 Bildern findest du mehr Gute als bei 5…” …hat er irgendwie auch recht… Nun ja, die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen.

Zurück zum Thema. Ich persönlich halte die Kunst der Auswahl für einen ebenso wichtigen Punkt wie die Vorbereitung und die Performance.  Der Kunde will zwar immer möglichst “viele Bilder”, doch ziehen die Bilder, die eben keine Kracher sind, das Niveau der Gesamtauswahl nach unten. Ich gehe hier mittlerweile recht rigoros vor: Ein Bild, welches mir nicht in den ersten 7 Sekunden irgendwas sagt, fliegt raus! Mein Schnitt bei Hochzeiten liegt momentan immerhin 1:3 bis 1:5 – also jedes dritte bis fünfte Bild bleibt. Bei “roundabout” 1.500 Fotos pro Hochzeit bleiben etwa 400-500 übrig.

Mir geht es bei der Auswahl jedoch nicht um fotografische Beweihräucherungen, sondern darum die Geschichte des Moments einzufangen. Dieses Kriterium ist mir persönlich wichtiger, als ob das Foto schlecht geschnitten oder etwas über- oder unterbelichtet ist.

Versetzen wir uns in den Kunden: Eine OnlineGalerie mit 1.500 Fotos bei dem die Augen des Kunden beim durchblättern nur jedes fünfte Mal leuchten ermüdet und hinterlässt die Botschaft: Der Fotograf war nicht schlecht! Blättert der Kunde durch die Onlinegalerie mit 400 Fotos und bleibt bei jedem Foto “hängen”, freut sich, entdeckt, schmunzelt…, dann ist das ein Ergebnis mit der Botschaft: Der Fotograf war geil!

Ich hab neulich mit einem Brautpaar gesprochen, die mir sagten, daß sie schon einige Fotografen angefragt haben und das Gefühl hatten “Je teurer der Fotograf, desto weniger  garantierten Output, dafür aber jedes Bild ein Kracher“. Aus Fotografensicht denkst Du sofort: “Klar, wenn ich Dir von Deiner Hochzeit hinterher nur die 50 absoluten Kracherbilder zeige und dabei mein Kurs gewinnt, bin ich dabei!

Die Frage ist: Wer weiss heute noch, welche Fussball-Nationalmannschaft durch Verlängerung oder Fehlentscheidung des Schieri´s Weltmeister geworden ist? Die Antwort ist einfach: “Keine Ahnung! Ich weis nur noch WER Weltmeister geworden ist – das Ergebnis zählt halt!

Was denkt Ihr?