Heute haben Nepo und ich wieder einen Kinderkurs hinter uns gebracht, für uns war es die letzte Stunde, für alle anderen Teilnehmerinnen nicht.
Die letzten Male, als wir da waren, wurde mir wieder schmerzlich bewusst, dass diese Mainstream-Kurse mit offener Tratschrunde zwischen den Müttern, gemeinsames Singen und die Enge von Kursräumen für uns beide nicht funktioniert.
Mit der Erfahrung der vielen Kurse, die wir bisher schon gemacht haben, habe ich den Kurs gewählt, weil dort auf die Montessori Fokussierung hingewiesen wurde. Da wir nun in zwei Spielräumen nach Emmi Pikler und Maria Montessori sind, dachte ich, dass dieser Kurs ja auch in dieser Liga spielen würde. Allerdings merkte ich schon bei der ersten Stunde, dass speziell wir beide da fehl am Platz sein würden. Ehrlich gesagt, möchte ich nicht über den Kurs lästern, weil er den anderen Müttern gut gefällt und ich glaube, er ist auch für “normale” Mütter eine tolle Sache. Für mich als hochsensible Mutter und Nepo, der auch in diesem Bereich Anzeichen aufzeigt, war einfach zu “eng”.
Schon im Frühjahr/Sommer machte ich bei Nepo die Entdeckung, dass er sich in Kursen wie dem Spielraum absolut wohlfühlt, in anderen Kursen jedoch immer mehr zum Ausdruck brachte, dass er sich ab einem bestimmten Zeitpunkt unwohl fühlte.
Nehmen wir den Kurs “Gemeinsam wachsen”. Ein Kurs den ich wählte, als ich merkte, dass PEKiP uns nicht wirklich taugt. Am Anfang war der Kurs super, weil Nepo der einzige war, der in dieser Gruppe mobil war und krabbeln konnte. So hatte er relativ viel Spielraum, war aufgeschlossen gegenüber anderen Müttern und war manchmal die ganze Zeit kaum bei mir.
Während er am Anfang der laute und aktive war, änderte sich seine Rolle mit der zunehmenden Mobilität der anderen Kinder. Plötzlich konnten fast alle krabbeln, klettern oder robben. Kein Kind war mehr fest auf seinem Platz, sondern bewegte sich sicher im Raum. Je mehr Kinder mobil wurden, desto mehr ging Nepo in die Versenkung.
Wir waren fast immer die ersten, weil ich wusste, dass Nepo es besser findet in einen leeren Raum zu kommen und in Ruhe anzukommen. Diese Zeit und die erste Zeit der Kursstunde war Nepo dann auch entspannt und hatte Spaß. Doch sobald wir anfingen mit dem Singen war er sichtlich aufgeregt, je weiter die Stunde voran schreitete, desto lauter wurde es auch im Raum. Die Mütter unterhielten sich, die Kinder spielten, lachten, weinten oder machten mit den zur Verfügung stehenden Dingen Krach. Also eigentlich nichts besonderes für einen Babykurs, aber sowohl für Nepo, als auch für mich erreichte die Lautstärke ein unerträgliches Maß.
Es hat etwas bei mir gedauert, bis ich verstanden habe, warum Nepo immer zur Tür gekrabbelt ist, warum er am Schrank mit den Spielsachen gezogen hat oder warum er auch manchmal einfach nur bei mir saß. Mal weinend, mal genau beobachtend. Anfangs dachte ich, dass er einfach nur einen schlechten Tag hat, müde ist oder Hunger hat. Aber irgendwann erkannte ich das Muster: Sobald wir anfingen zu singen oder die Kinder sich an verschiedenen Geräten oder Spielzeugen betätigten, zog er sich zurück.
Für mich war das schlimm, weil ich manchmal einfach überfordert war. Sollte ich gehen, wenn er zur Tür krabbelte. Sollte ich den Kurs generell einfach sausen lassen oder sollte ich einfach nur für ihn da sein. Letzteres war natürlich immer der Fall, auch wenn ich mir manchmal dachte, dass er im Kurs so apathisch ist, aber zuhause oder auf dem Spielplatz so aufgedreht und an allem interessiert.
Ich habe ehrlich gesagt schon an mir gezweifelt, auch weil ich keinen Bock mehr auf einige Mütter im Kurs hatte. Sie mussten nur zur Tür hereinkommen und mein Tag war gelaufen. Ihre Art, ihre Stimme und ihr sinnloses Geschwafel ging mir so auf die Nerven, dass ich der festen Überzeugung war, dass sich meine negative Stimmung auch auf Nepo übertragen hat.
Dazu muss ich sagen, das Nepo und ich stark über Mimik miteinander kommunizieren. Wie gesagt bin ich hochsensibel und introvertiert. Auch wenn ich nach außen auf andere Mütter apathisch wirken mag, so nehme ich doch jede Kleinigkeit im Raum war. Ich beobachte, nein ich scanne die Mütter und analysiere sie. Ihre Kinder beobachte ich in ihrem Tun und Auftreten und natürlich beobachte ich Nepo: Seine Bewegungen, sein Verhalten gegenüber anderen, seine Reaktionen auf bestimmte Situationen und vor allem seine Mimik. Ich bin kein Freund der vielen Worte und ich muss mich wirklich immer innerlich ermahnen mehr mit Nepo zu sprechen. Manchmal sitzen wir minutenlang zusammen, ziehen Grimassen ohne ein Wort zu sagen. Für mich ist die Mimik das wichtigste. Die Menschen mögen sich ihre Worte überlegen, aber ihre Mimik haben sie nicht wirklich im Griff. Ich registriere die kleinste Bewegung der Augenbraue und die Augen sagen bekanntermaßen sehr viel über das Gegenüber aus. Die meisten Menschen sind für mich offen wie ein Buch, weswegen ich wohl auch an den wenigsten ein Interesse habe. Was soll ich mit ihnen reden, wenn ihre Mimik, ihre Gestik nicht zu dem gesprochenem Wort passt.
Und so wie ich andere Menschen lese, so versuche ich auch Nepo zu lesen. Das klappt manchmal gut und manchmal auch nicht. Ich habe schon mit meinem Freund gescherzt, dass Nepo und mich eine Art Telepathie verbindet. Wenn ich etwas suche, dann weiß er fast immer, was ich suche und zeigt es mir: Unabhängig ob es eine blaue Schaufel im Sandkasten ist oder mein Wohnungsschlüssel. Manchmal bin ich selber platt, weil ich mir nicht ausmalen kann, wie er das wissen kann.
Nepo brabbelt viel vor sich hin, aber bis auf “Mama”, “Papa” und etwas was sich anhört wie “Danke” kommt von ihm noch nicht, dafür machen wir viel über Blicke und Gestik. Für einen 17 Monate alten Jungen hat er, im Vergleich zu anderen, schon eine sehr ausgeprägte Mimik. Und so sehe ich genau, wenn er erstaunt, verbittert, schockiert oder einfach nur genervt ist. Und so denken im Kurs Nepo läuft einfach nur so im Kreis rum, während andere Kinder bei ihrer Mutter sitzen oder sich immer noch mit dem Eingangsspiel beschäftigen. Ich lese ihn ihm aber, dass es ihm gegen den Strich geht, mit anderen Kindern in einer Kiste voller Korken zu graben. Er möchte nicht 30 Minuten mit anderen Kindern zusammenspielen. Er liebt es mit anderen Kindern zu interagieren, aber bitte nur kurz, danach will er wieder sein eigenes Ding machen.
Darum fühlt er sich auch im Spielraum wohl: Es ist eine vorbereitete Umgebung, alle Kinder bewegen sich frei und es ist selten, dass es zu Konflikten kommt oder das Nepo oder ich eine Reizüberflutung bekommen. Hinzu kommt das im Spielraum die Mütter eine beobachtende Rolle haben. Sie sitzen am Rand und schauen ihren Kindern beim spielen, entdecken und kommunizieren zu. Sie greifen nicht in Situationen ein und kommen nur hinzu, wenn es erforderlich ist, z. B. wenn ein Kind fällt und die Nähe zur Mutter braucht.
Ich selbst habe für mich beschlossen, dass ich der Vielzahl von Kursangeboten widerstehe. Nicht weil ich die Kurse für als zu dämlich oder überteuert ansehe, sondern weil ich die Erfahrung machen musste, dass für hochsensible Menschen wie uns Angebote wie Musikgarten oder Kinderturnen einfach keinen Sinn machen. Nepo findet gemeinsames Singen scheiße und turnt bzw. klettert grundsätzlich nur, wenn er den Freiraum hat und er nicht das Gefühl hat, dass er jetzt etwas tun muss, weil es die Kursleiterin von ihm erwartet. Denn je mehr man mich und Nepo “motivieren” möchte, desto stärker wird unser Trotz und unsere Ablehnung gegenüber einem Kurs oder einer Kursleitung.
Die Kurse die ich besucht habe, waren natürlich auch nicht schlecht, sondern wir waren einfach fehl am Platze. Eine Erfahrung, die mich mehrere Monate Beobachtung und Erkenntnis gekostet hat, aber mich in meinem Denken bestärkt hat, dass wir mit Montessori und Pikler Angeboten am besten versorgt sind. Wir machen unser Ding in unserem Tempo und wie wir Lust haben.