Von der Gründung Israels bis zum „Schwarzen September“

„So schwer es dem Freund des Friedens fallen mag, das zu begreifen: Israel führt nicht Krieg, wie die Deutschen ihre Kriege geführt haben und führen, nicht um Raum für ihr Volk ohne Raum, um den Zugriff auf Rohstoffe oder um weltpolitische Bedeutung. Israel führt Krieg, um den Juden, die der Hass der Völker nach Palästina getrieben hat, endlich ein Leben in Sicherheit zu bieten. Die Juden versuchen nicht, andere unter ihre Herrschaft zu zwingen oder zu ihrem Gott zu bekehren. Sie versuchen, sich zu retten. Ob ihre Regierung das immer auf die vernünftigste Weise tut, mag bezweifelt werden. Welche Regierung täte das?“ (Hermann L. Gremliza  Israels Krieg – Konkret 2006)

Von der Gründung Israels bis zum „Schwarzen September“

Eine Gruppe von Kämpfern der Jiftach-Brigade bei einer Kampfpause im Juli 1948. Bei dem Soldaten links unten ist die Nummer von Auschwitz zu sehen. - Quelle: Yad Vashem

Am 14. Mai 1948 wurde der Staat Israel von David Ben Gurion ausgerufen, die Juden bekamen ihren eigenen Saat, nachdem die Welt die in den verschiedenen Ländern assimilierten Juden über Jahrhunderte nicht vor Antisemitismus, vor Judenpogromen schützen und den deutschen Mord an den europäischen Juden nicht verhindern konnte. Die israelischen Pioniere hatte eine Utopie: Sie wollten in einem Land, das von reaktionären, islamistischen Ländern umgeben war, einen emanzipatorischen, aufgeklärten Staat errichten und in Frieden mit seinen Nachbarn leben. Insgeheim hofften sie, dass die fortschrittlichen Kräfte in der arabischen Welt ermuntert werden könnten, es ihnen gleichzutun. Mit David Ben Gurion 1948, bis Schimon Peres 1986, stellte ausschließlich die Arbeiterpartei den israelischen  Ministerpräsidenten, bzw. von 1969 bis 1974 mit Golda Meïr die Ministerpräsidentin. Mit einer unglaublichen Pionierleistung machten die Israelis  die Wüste fruchtbar und legten die malariaverseuchte Sümpfe trocken. In  sozialistischen ländlichen Kollektivsiedlungen (Kibbuz) lebten in der Gründungszeit rund zehn Prozent der israelischen Bevölkerung. Mit dem Staat Israel wurde den weltweiten antisemitischen Vorurteilen (Rast und Wurzellosigkeit, Internationalität, Abstraktheit, parasitär von fremder Arbeit lebend, alle Werte zersetzend, usw.) ein schwerer Schlag versetzt. Dass der Judenhass 1945 nicht aufhörte zu existieren zeigten beispielsweise die Morde am 4. Juli 1946 in der polnischen Stadt Kielce, wo über vierzig polnische jüdische Überlebende des Holocaust bei der Rückkehr in ihre Häuser von polnischen Antisemiten ermordet wurden. Die Ereignisse in Polen  waren keine Einzelfälle. Die britische Regierung schickte 1947 über 4500  Auschwitz-Überlebende auf der „Exodus“ wieder zurück in ihre französischen Lager, anstatt sie nach Palästina einreisen zu lassen. Knapp zwei Jahre zuvor, im November 1945 verübten in Ägypten Muslimbrüder ein antijüdisches Pogrom, eines der größten in der Geschichte Ägyptens, Demonstranten fielen in das jüdische Viertel Kairos ein, plünderten Häuser und Geschäfte und steckten Synagogen in Brand. Sechs Juden wurden getötet, hunderte verletzt. 1946 sorgten die Muslimbrüder dafür, dass der als Kriegsverbrecher gesuchte Mufti von Jerusalem, Amin al Husseini, in Ägypten Exil und eine neue politische Wirkungsstätte erhielt. Palästina in zwei Staaten zu teilen, war für die Muslimbrüder „ein internationales Komplott“. Die nationalsozialistische Wahnidee von der jüdischen Weltverschwörung gewann in großen Teilen der islamischen Welt neue Resonanz. Die in Europa gesuchten Nazis zogen, größtenteils mit Hilfe des Vatikans, scharenweise nach Ägypten, wo die ehemaligen Muslimbrüder Gambal Abdel Nasser und Anwar as Sadat das berüchtigtste Textbuch des Antisemitismus, „Die Protokolle der Weisen” von Zion verbreiteten.  Noch in der Gründungsnacht erklärten Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien, Libanon, Irak und Syrien dem neuen Staat Israel den Krieg. Nach der Gründung der israelischen Armee im Mai 1948 machten Holocaustüberlebende etwa die Hälfte der israelischen Streitkräfte und ein Viertel derer, die im Kampf fielen aus. Etwa 1.170 Holocaustüberlebende fielen im Kampf gegen die arabischen Angreifer. Nach dem Waffenstillstandsabkommen von 1949 besetzten Ägypten und Jordanien den  Gazastreifen und das Westjordanland bis 1967, worüber sich eigenartigerweise keine Menschenrechtsgruppe aufgeregt hat. Ebenso gab es weltweit kaum Proteste wegen der Vertreibungen von Juden aus den arabischen Ländern nach 1948.  Im Jemen lebten seit knapp 3000 Jahren Juden, im Irak war die jüdische Gemeinde mindestens 2700 Jahre alt. Von den 130.000 Juden im Irak blieben einige hundert, 75.000 Juden verließen Ägypten, 25.000 verließen Syrien, 63.000 den Jemen, 40.000 Libyen, mehr als 100.000 Tunesien, 140.000  Algerien und 250.000 Marokko. Insgesamt wurden knapp 800.000 jüdische Flüchtlinge aus den muslimischen Staaten von 1948 bis 1950 vertrieben. Selbst nach der Ermordung der sechs Millionen Juden in Europa blieben einige hunderttausend in Europa, die muslimische Welt hatte sich in kürzester Zeit von ihren Juden befreit. Es blieben in den arabischen Ländern nur winzige Gemeinden in Bagdad, Damaskus und Kairo. Die Einwohnerzahl Israels verdoppelte sich und stellte die Regierung vor große Herausforderungen, in denen nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen wurden. Nach dem Angriffskrieg der arabischen Staaten verließen 650.000 Palästinenser zwischen 1947-48 aus unterschiedlichsten  Gründen ihre Häuser. Diese palästinensischen Flüchtlinge genießen eine groteske Sonderstellung.  Nur für sie  hat die Uno eine zweite Flüchtlingsorganisation geschaffen, die UNRWA,  das UNHCR ist weltweit für alle übrigen Flüchtlinge zuständig. Der Flüchtlingsstatus, der von der UNRWA versorgten Palästinenser ist nach den UN-Richtlinien, anders als bei allen anderen vererbbar!  Die ganz überwiegende Mehrheit der heutigen „palästinensischen Flüchtlinge“ ist deshalb niemals geflüchtet, sondern erlangte diesen einträglichen Status einfach dadurch, dass sie von echten Flüchtlingen abstammt.

Trotz des Waffenstillstandes befand sich Ägypten weiterhin im Kriegszustand mit Israel. Im August 1949 schloss Ägypten entgegen den Vereinbarungen des Waffenstillstandes den Suezkanal für den israelischen Schiffsverkehr.  Am 1. September 1951 befahl der Sicherheitsrat Ägypten die Öffnung des Kanals für den israelischen Schiffsverkehr. Ägypten weigerte sich, dem Befehl Folge zu leisten. Der ägyptische Außenminister Muhammad Salah al-Din sagte Anfang 1954: „Das arabische Volk scheut sich nicht zu erklären: Wir geben uns erst dann zufrieden, wenn Israel von der Landkarte des Nahen Ostens ausradiert ist.“ 1955 sagte der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser: „Ägypten hat beschlossen, seine Helden, die Jünger Pharaos und Söhne des Islam, in den Krieg zu schicken, und sie werden Palästina reinigen. Es wird keinen Frieden an Israels Grenze geben, weil wir Rache fordern, und Rache bedeutet Israels Tod.“ Im Juli 1956 sperrte Nasser die Straße von Tiran und verstaatlichte den Suezkanal. Am 14. Oktober meinte Nasser: „Ich kämpfe nicht nur gegen Israel. Meine Aufgabe ist es, die arabische Welt vor der Vernichtung zu bewahren, die ihr durch die Intrige Israels droht, deren Wurzeln jedoch im Ausland liegen. Unser Hass ist stark. Es ist sinnlos, über einen Frieden mit Israel zu reden. Es besteht nicht die geringste Chance für Verhandlungen„. Die Fortsetzung der Sperrung des Suezkanals und des Golfs von Akaba für den israelischen Schiffsverkehr und die verstärkten Angriffe von Fedajin veranlassten Israel, Ägypten am 29. Oktober 1956 anzugreifen. Großbritannien und Frankreich griffen ebenfalls an. Die israelischen Streitkräfte eroberten den Gazastreifen, einen Großteil der Sinai-Halbinsel und Sharm al-Sheikh. Der israelische UN-Sonderbotschafter Abba Eban sagte: „Während der sechs Jahre, in denen wieder und wieder gegen das Waffenstillstandsabkommen verstoßen wurde, kam es zu 1843 bewaffneten Überfällen und Raubzügen, 1339 bewaffneten Zusammenstößen mit ägyptischen Streitkräften, 435 Einfällen aus ägyptisch kontrollierten Gebieten und 172 Fällen von Sabotage durch ägyptische Truppeneinheiten und Fedajin in Israel. Infolge dieser ägyptischen Kampfhandlungen auf israelischem Boden wurden 364 Israelis verletzt und 101 Personen getötet. Allein im Jahr 1956 wurden auf Grund der ägyptischen Anschläge 28 Israelis getötet und 127 verletzt.“ Auf Druck der USA zog Israel sich aus den eroberten Gebieten zurück, ohne dass die Ägypter irgendwelche Zugeständnisse machen mussten. Damit war die Saat für den Krieg von 1967 gelegt. Die Sowjetunion hat sich infolge des Kalten Krieges längst von Israel abgewandt und unterstützte die arabischen Königshäuser und Militärdiktatoren politisch und militärisch. Stalins Antizionismus wurde zur Staatsdoktrin. Die CSSR lieferte  in den Jahren um 1948 unter dem KP Generalsekretär Slánský, auf russischen Wunsch, Waffen und Munition für Israel. Wegen dieser Waffengeschäfte  wurde der jüdische Teil der tschechoslowakischen KP-Führung vier Jahre später der prozionistischen Agententätigkeit angeklagt. Rudolf Slánský wurde am 3. Dezember 1952 zusammen mit zehn weiteren fast ausschließlich jüdischen Mitangeklagten hingerichtet. Den Höhepunkt des sowjetischen antisemitischen Hassfeldzuges bildete das sogenannte „Ärztekomplott“ von Anfang 1953. Die angeklagten Ärzte, unter ihnen auch Stalins Leibärzte, waren fast alle Juden und wurden bezichtigt, Mordpläne gegen Stalin geschmiedet zu haben und mit zionistischen Spionen im Bunde zu sein. Die USA verhielt sich zu der Zeit mit Blick auf die Ölvorkommen im Nahen Osten relativ neutral.

1957 gründete Jassir Arafat in Kuwait die Bewegung zur Befreiung Palästinas (al-Fatah), aus der 1959 die gleichnamige politische Partei hervorging. Die Organisation verfolgte laut ihrer Verfassung von 1964 als Ziele die „komplette Befreiung Palästinas“, die „Gründung eines unabhängigen demokratischen Staates mit vollständiger Souveränität über die palästinensischen Gebiete und Jerusalem als Hauptstadt“ sowie die „Ausrottung der ökonomischen, politischen, militärischen und kulturellen Existenz des Zionismus“. In der gleichen Verfassung betrachtete sie die „israelische Existenz in Palästina“ als „zionistische Invasion mit kolonialer Expansionsbasis“.  Als 1964 die PLO gegründet wurde, rief sie nicht zur Befreiung dieser jordanisch und ägyptisch besetzten Gebiete auf, sondern zur Zerstörung Israels. Die Fatah ist die stärkste Fraktion innerhalb der PLO. Im politischen Spektrum nimmt sie den Platz einer nationalistischen, konservativen Partei ein. In Artikel 24 ihrer Charta von 1964 verzichtete die PLO ausdrücklich auf Souveräni­täts­ansprüche auf das West­jordanland und den Gaza-Streifen. Die ersten militärischen Aktionen der PLO waren Brückensprengungen, Minenlegen und Angriffe auf Kibbuzim. 1965 kam es zu 35 Übergriffen arabischer Terroristen gegen Israel, 1966 war die Zahl der Übergriffe auf 41 gestiegen, und schon in den ersten vier Monaten des Jahres 1967 kam es zu 37 Angriffen. In der Zwischenzeit hatten die von den Golanhöhen aus erfolgenden Angriffe Syriens auf israelische Kibbuzim einen israelischen Vergeltungsschlag provoziert, bei dem israelische Flugzeuge am 7. April 1967 sechs syrische MiGs russischer Herkunft abschossen. Es folgte der Sechstagekrieg vom 5. bis zum 10. Juni 1967. „Auch wenn Israel die ersten Schüsse abgab, man ist sich heute einig: angezettelt haben den Krieg Ägypten, Syrien und Jordanien. Die unrechtmäßige Entscheidung Ägyptens, die Straße von Tiran militärisch zu blockieren, wurde von der internationalen Gemeinschaft als kriegerischer Akt anerkannt“, schreibt Allan M. Dershowitz in seinem Buch „Plädoyer für Israel“. Neben der Entscheidung den Golf von Aqaba für die israelische Schifffahrt zu schließen wurde den UNO Truppen der Abzug aus dem Sinai befohlen.

Am 16. Mai 1967 forderte Nasser den Rückzug der UN-Friedenstruppen, die seit 1956 auf der Sinai-Halbinsel stationiert waren. Nach dem Rückzug verkündete Radio Kairo am 18. Mai 1967: „Ab heute gibt es keine internationalen Friedenstruppen mehr, die Israel beschützen. Unsere Geduld ist zu Ende. Wir werden uns nicht mehr bei den Vereinten Nationen über Israel beklagen. Ab jetzt herrscht der totale Krieg gegen Israel, und er wird zur Auslöschung des Zionismus führen“. Israel war umzingelt von etwa 250000 Soldaten, davon fast die Hälfte im Sinai, über 2000 Panzern und 700 Flugzeugen. Wir wussten prahlte Ägyptens damaliger Präsident Nasser, die Schließung des Golfs von Aqaba bedeutet Krieg mit Israel und das Ziel ist die Vernichtung Israels. Laut Nasser sollte es in diesem Krieg nicht um die Straße von Tiran gehen sondern um die Vernichtung Israels. Wie bereits beim Überfall von 1948 war man von arabischer Seite auf einen Vernichtungskrieg aus. Aus Ägyptens Radiosendern hallte es: Israel liquidieren! Der Ministerpräsident des Irak prophezeite: Es wird praktisch keine jüdischen Überlebenden geben. Die ägyptische Armee führte Kanister mit Giftgas mit sich, es stellte sich nur noch die Frage, ob den arabischen Armeen der Erstschlag gelang. Der israelische Ministerpräsident Levi Eschkol sagte am 21. Mai: „Die Ägypter planen die Meerenge zu schließen oder den Atomreaktor in Dimona zu bombardieren. Ein allgemeiner Angriff soll folgen. Es würde zu einem Krieg kommen, bei dem die ersten fünf Minuten entscheidend sein dürften.“ Selbst der israelkritische Historiker Tom Segev erkannte, dass die Angst um die nackte Existenz der Israelis durchaus real war, er schreibt in seinem Buch „1967 – Israels zweite Geburt“: „Obwohl die Bürger dazu ermuntert wurden, den Soldaten, wohl auch wegen des moralischen Rückhalts, Care Pakete zu schicken, wurde der Brief, den der Soldat Aron David Grabow in seinem Paket mit Süßigkeiten fand, von der Absenderin sicher aus eigenem Antrieb beigefügt: Sie sei in Auschwitz gewesen, hieß es da, wo ihr Mann und ihre vier Kinder ermordet worden seien. Nach einer langen Leidenszeit sei sie nach Israel gelangt und habe eine neue Familie gegründet. Sie habe kleine Kinder, vertraue auf die israelischen Streitkräfte und bete jede Nacht für deren Wohl. Zweifellos ebenso aufrichtig ist die Botschaft der Mitglieder des Kibbuz Lochamei ha-Getaot in einem Rundschreiben an ihre eingezogenen Soldaten. Das Ausheben von Gräben im Kibbuz habe sie an die Vorbereitungen 1939 vor dem Einmarsch der Nazis in Polen erinnert. Sie sähen zu einem Krieg mit Ägypten keine Alternative. Und als sie die Lage dem kleinen Amosi, einem Kind der zweiten Generation im Kibbuz, erläuterten, habe der gesagt:“ Das heißt, wenn Nasser siegt, sind wir alle umsonst auf die Welt gekommen“. Nachdem alle diplomatischen Optionen ausgeschöpft waren und die ägyptische Luftwaffe vor dem Angriff stand, griff die israelische Armee ägyptische, syrische und irakische Militärflugplätze an. Jordanien ignorierte die Israelischen diplomatischen Offerten und begann die israelische Zivilbevölkerung mit Granaten zu beschießen, 6000 Geschosse landeten in israelischen Wohngebieten. Schwere jordanische Geschütze nahmen die Vorstädte von Tel Aviv unter Beschuss. Jordanische, syrische und irakische MIGs bombardierten die Zivilbevölkerung in Städten und Kibbuzim. Erst darauf griff Israel jordanische Militärflugplätze an. Die israelische Regierung nahm einen von der UNO vorgeschlagenen Waffenstillstand an, der Jordanien allerdings nicht interessierte. Erst dann nahm die israelische Armee die Westbank und die Jerusalemer Altstadt ein. Nach dem Sechstagekrieg kam es zu einem weiteren Flüchtlingsproblem. Nach dem jordanischen Angriff vom 5. Juni flohen etwa 320.000 Palästinenser aus der Westbank. Es waren jordanische Staatsbürger, die aus der Westbank nach Jordanien flohen. Manche Palästinenser flohen, weil sie es vorzogen, in einem arabischen Staat zu leben statt unter israelischer Militärherrschaft. Nach nur sechs Tagen Krieg kontrollierte Israel den Gazastreifen, die Sinai-Halbinsel, die Golanhöhen, das Westjordanland und Ostjerusalem. Fast unmittelbar nach dem Krieg signalisierte Israel seine Bereitschaft, über die Rückgabe bestimmter Gebiete zu verhandeln. Die arabischen Staaten antworteten auf der Konferenz von Khartum mit dem berühmt gewordenen „dreifachen Nein“.  Nein zum Frieden mit Israel, nein zur Anerkennung Israels, nein zu Verhandlungen mit Israel . Die Ausnahme war Habib Bourguiba, der Präsident der säkularen tunesischen Repu­blik, war schon 1965 für eine Einigung mit Israel eingetreten.  Nach späteren entsprechenden Verhandlungen mit Jordanien und Ägypten gab Israel über 90 Prozent der in diesem Verteidigungskrieg eroberten Gebiete zurück. Das kleine Israel, 1,5 Promille der Fläche der 18 Staaten der Arabischen Liga,  gab Land, doch Frieden bekam es dafür nicht. Die Palästinenser und die syrische Regierung haben bis heute keine Bereitschaft gezeigt im Austausch für Land den Frieden zu garantieren. Über die Besatzung der Westbank schreibt Allan M. Derschowitz: “Wie auch immer, die Besetzung hat zweifelsohne zur Zunahme sowohl der Zahl als auch der Tödlichkeit terroristischer Überfälle seitens der Palästinenser beigetragen, auch wenn der Terrorismus  seit den 1920er Jahren grassierte und die PLO, die von Anfang an den Terror als wesentliches Mittel zur Befreiung ganz Palästinas auf ihre Fahnen geschrieben hatte, bereits 1964, also schon vor der Besetzung, gegründet worden war“.

Die PLO war 1970 in Jordanien so etwas wie ein „Staat im Staate“. Die PLO war für den jordanischen König ein unkalkulierbarer Machtfaktor geworden. Vor allem die palästinensische Volksfront unter George Habbash forderte offen den Sturz des Königs. Arafat distanzierte sich dagegen von der PFLP, er wollte das reaktionäre, arabische Königreich nicht hinwegfegen und stattdessen eine säkulare Palästinenserrepublik errichten. Arafat meinte: „Wir mischen uns nicht in die inneren Angelegenheiten von Jordanien ein. Wenn uns der König in Ruhe lässt, dann lassen wir ihn in Ruhe. Arafat bekämpfte lieber das bürgerliche, säkulare, demokratische Israel.“ Unser Ziel liegt im heutigen Israel nicht in Jordanien“, meine Arafat weiter. Am 15. April 1970 demonstrierten Palästinenser in Amman vor der US-Botschaft und wollten den königlichen Palast angreifen. Arafats Einheiten vertrieben die Demonstranten. Arafat, der mittlerweile mit der CIA zusammenarbeitete, rettete nicht nur die US-Botschaft sondern auch den Thron des Königs. Am 1. September 1970 verübte die marxistisch-leninistische Demokratische Front zur Befreiung Palästinas ein erfolgloses Attentat auf König Hussein. Es kam in der Folge zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen den PLO-Milizen und der jordanischen Armee. Die PFLP entführte zur selben Zeit drei Flugzeuge, wodurch sich ein „Nervenkrieg“ um die Freilassung der Geiseln im Austausch für palästinensische Gefangene entwickelte. Nachdem die Geiseln endlich freigelassen wurden sprengte die PFLP die Flugzeuge. Am 16. September eskalierte die Situation und König Hussein gab den Befehl zur endgültigen Niederschlagung des Aufstandes. Am 17. September nahm die jordanische Armee den Kampf gegen die bewaffneten Palästinenser auf. Syrien ließ zur Unterstützung der PLO Panzer nach Jordanien einrollen. Diese wurden am 22. September zurückgeschlagen. Es wurden palästinensische Flüchtlingslager in Amman bombardiert. Insgesamt wurden von der jordanischen Armee über fünftausend Palästinenser getötet. Gegen die überlegenen Panzerverbände der jordanischen Armee hatten die Palästinenser mit ihren leichten Waffen keine Chance. Syrien zog seine Panzer aus Nordjordanien zurück. Übereinstimmend beklagen alle Berichte vom „Schwarzen September“ die Brutalitäten und Grausamkeiten der jordanischen Armee. Unter Vermittlung von Gamal Abdel Nasser kam es am 27. September 1970 zu einem Abkommen zwischen Hussein und der PLO. König Hussein lenkte unter dem Druck arabischer Staatschefs ein und einigte sich mit auf einen Waffenstillstand.

Der in Deutschland gern gesehene Antizionist Uri Avnery wetterte vor einigen Jahren gegen Ariel Sharon, dieser habe 1981 den Plan gehabt, „die Palästinenser zu ermutigen, in Jordanien eine Revolution auszulösen und König Hussein abzusetzen“, um dann „Jordanien in einen palästinensischen Staat unter Yassir Arafat zu verwandeln und mit der palästinen­sischen Regierung in Amman über die Zukunft der Westbank zu verhandeln“.  “Was hätte eigentlich wirklich gegen eine „jordanische Option“ gesprochen? Und was spräche heute gegen sie? Jordanien war ursprünglich wie Restpalästina Teil der vom britischen Empire beherrschten palästinensischen Region („Mandatsgebiet Palästina“), auf deren Fläche für einen jüdischen und einen arabischen Staat reichlich Platz gewesen wäre; es umfasst 78 Prozent dieses Gebiets und wurde 1922 von den Briten als „Transjordanien“ abgetrennt. Restpalästina dagegen, das heute aus Israel plus Westjordanland plus Gaza-Streifen besteht und insgesamt nur wenig größer als Kuwait ist, verträgt kaum zwei souveräne Staaten, die sich zudem noch feindlich gesonnen sind. Werfen wir einen nüchternen Blick auf die Hintergründe: Das jordanische Staatsgebiet ist mehr als viermal so groß wie dasjenige Israels, und seine Bevölkerungs­dichte beträgt nur ein Sechstel derjenigen Israels. Die meisten palästinensischen Flücht­linge der Kriege von 1948 und 1967 leben in Jordanien, etwa 60 Prozent aller Jordanier nennen sich „Palästinenser“, und auch der Rest unterscheidet sich von diesen, soweit es sich um Araber handelt, weder in Sprache, Religion noch Kultur. Bis 1967 war das Westjordanland jordanisch besetzt und auch förmlich annektiert, die dort lebenden palästinen­sischen Araber galten als Jordanier (und sind auch heute häufig im Besitz eines jordanischen Passes). Aber bezeich­nen­der­weise hat in jener Zeit keiner von ihnen eine Intifada gegen Jordanien ausgerufen, um im Westjordanland einen palästinensischen Staat zu schaffen, und kein palästinensischer Araber kämpfte je in Gaza gegen die Ägypter, die den Gaza-Streifen seit 1948 besetzt hatten: Der Kampf richtete sich immer nur gegen die Existenz Israels[..]“, meint nicht nur Tilman Tarach.

Der Sechstagekrieg war ein Wendepunkt in vielerlei Hinsicht, neben den Auswirkungen für die betroffene Region änderte sich das Bild Israels innerhalb der westdeutschen Berichterstattung. Die  sozialistischen Länder waren durch Stalins Antizionismus, spätestens seit 1952 proarabisch eingestellt. Von der Springerpresse bis zu Augsteins Spiegel wurde vom israelischen Blitzkrieg gesprochen. Es hatte den Anschein als ob sich die Deutschen freuten, da die Juden scheinbar endlich auch „Untaten“ begingen und Krieg führen wie andere auch. Ein latent vorhandener Schuldabwehrantisemitismus konnte nun offen unter der scheinbaren Tarnkappe des Antizionismus ausgelebt werden. Innerhalb kürzester Zeit kippte die Position der „Neuen Linken“ weg von einer Neutralität, hin zu bedingungsloser proarabischer Solidarität. Von einem Tag auf den anderen wurde Israel als imperialistisches, faschistisches Staatsgebilde bezeichnet, während die Al Fatah zur progressiven sozialrevolutionären Organisation stilisiert wurde. Ernst Bloch, Herbert Marcuse, Jean Améry, Jean Paul Sartre, Iring Fletscher, die  für Israel leidenschaftlich Stellung bezogen und auf die nationalistische, antisemitische Demagogie der arabischen Propaganda hinwiesen, wurden nicht gehört. Im jüdischen Gemeindehaus in Berlin wurde von einer  linken Palästinagruppe eine Brandbombe deponiert. Man sprach von den vom Faschismus vertriebenen Juden, die selbst Faschisten wurden. Der Antizionismus der Linken war deshalb nicht diskreditiert, in den siebziger Jahren hatte der deutsche Antizionismus Hochkultur, viele Palästina-Komitees wurden gegründet.  Die Bombardierung des jordanischen Königs 1970 von palästinensischen Flüchtlingslagern mit über 5000 Toten erregte kaum Zorn bei deutschen Antizionisten, wenn Israel auf palästinensische Terrorangriffe reagierte, war dagegen der antisemitische Unmut kaum zu bändigen. Einen unfassbaren Tiefpunkt erlebte der deutsche Antizionismus 1976 mit einer ungeheuerlichen Selektion, durchgeführt von dem deutschen Antizionisten Wilfried Böse: Deutsche und palästinensische Antizionisten entführten 1976 ein französisches Verkehrsflugzeug und selektierten in Entebbe jüdische von nichtjüdischen Geiseln. „Dem Volke dienen“ war die Parole größerer Teile innerhalb der Linken. Spätestens seit der deutschen Wiedervereinigung belegt die Linke, dass sie potentiell so nationalistisch und antisemitisch ist, wie die sie umgebende Gesellschaft. Nach 1945 war der bisherige Antisemitismus nicht mehr salonfähig, es musste ein neuer Begriff gefunden werden. Antisemitismus hieß nun Antizionismus. Der Antizionismus nach 1945 ist ein reaktionäres Phänomen, wie es der Antisemitismus vor 1945 war. Boykottaufrufe gegen Israel, Gleichsetzungen von Israel und dem Nationalsozialismus, das Anwenden von  zweierlei Maß bezüglich Israel  oder Solidaritätsbekundungen mit der klerikalfaschistischen Hamas,  wie sie täglich von Antizionisten zu hören sind, belegen auf widerlichste Weise, dass der Antisemitismus  weltweit wieder auf dem Vormarsch ist.

Quellen: Tilman Tarach – Der ewige Sündenbock  |  Alan M. Dershowitz – Plädoyer für Israel   |   Léon Poliakov – Vom Antizionismus zum Antisemitismus | Yaacov Lozowick – Israels Existenzkampf  | Abdallah Frangi – PLO und Palästina | Tom Segev – 1967 Israels zweite Geburt


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