Von der afrikanischen Hochebene an den Rhein

Von Robertodelapuente @adsinistram
oder Eine kurze Geschichte der Flucht.
Die Vandalen haben es gemacht. Die Ostgoten auch. Und die Mongolen viel später sowieso. Später rief ein neuer Kontinent »Gebt mir eure Müden, eure Armen, Eure geknechteten Massen!« und sie kamen. Aus England, Frankreich, Österreich und auch aus Deutschland. Die Situation in diesen Ländern war halt schlecht. Aber man braucht doch Arbeit, wenn man nicht verhungern will.
Arbeit und fruchtbare Böden. Das sind eben die Grundbedingungen, um überleben und vielleicht sogar ein klein wenig leben zu können. Die Böden gaben damals noch nicht so viel her in Europa. Die Düngerevolution steckte noch in den Kinderschuhen. Die hungrigen Mäuler wurden jedoch immer mehr. Also taten sie, was sie konnten und nahmen ihre Beine in die Hand und wurden wirtschaftsflüchtig. Letztlich war das nichts anderes. Und letztlich ist die Menschheitsgeschichte eine Aneinanderreihung von Wirtschaftsfluchten. Die einen lesen die Geschichte als Widerstreit von Klassen. Die anderen zogen sich auf Rassen zurück. Man könnte aber auch sagen, dass sie aus Wirtschaftsfluchten besteht. Und darauf sollte man im Hinblick auf das, was in vielen deutschen Straßen und Köpfen derzeit los ist, mal dezidiert hinweisen.

Die Vorfahren der Deutschen haben sich an Rhein, Donau und Elbe angesiedelt, weil sie dort besser leben konnten als dort, woher sie kamen. Das ist normal. Menschlich. Manche zogen weiter, weil es für sie nicht reichte. Zu allen Zeiten. Zuletzt hauten wieder viele Deutsche ins Ausland ab. Das reichte sogar für eine Sendung im Privatfernsehen. Dort nannte man die Leute, die von der wirtschaftlich schlechten Situation flüchteten, aber einfach nur »Auswanderer«. Das hört sich neutraler an. Ist ja auch ein bisschen was anderes.
Das ist doch nicht vergleichbar, wird mancher nun sagen. Die Deutschen, die heute ins Ausland gehen, kommen ja nur selten als Bittsteller. Sie flüchten ja nicht, sie gehen weg. Aber macht das so einen großen Unterschied? Ist das Prinzip nicht dasselbe? Man übernahm die Wirtschaft in Benidorm doch nur, weil sie in Castrop-Rauxel nicht lief. Ist das etwa keine Wirtschaftsflucht?
Wir sind alle Enkel und Kinder von Wirtschaftsflüchtlingen. Das ist unser Erbe. Der Antrieb, Gegenden zu verlassen, die das Auskommen nicht gewährleisten, ist keine kriminelle Handlung, so wie das diverse konservative Politiker oder die Abendlandser auf deutschen Straßen meinen. Es ist menschliche Normalität. Ein Urprinzip, wenn man so will. Aus der afrikanischen Hochebene eroberten wir Menschen die Welt. Zogen weiter und weiter. Wo die Erde mehr hergab, dort blieben wir. Bis die Natur ausgebeutet war. Bis die Menschen sich um Ressourcen bekriegten. Dann hieß es flüchten. Irgendwo würde man wieder glücklich werden. Das ist der Lauf der Welt. Wird Zeit, dass man das begreift.
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