mehriran.de - Die in zwei Monaten anstehenden Präsidentschaftswahlen im Iran gelten bei Beobachtern als gordischer Knoten für das Regime und seinen Obersten Führer.
Noch ist nicht klar, wer sich zur Wahl stellt und der Auswahlprozess der möglichen Kandidaten durch den Wächterrat hat auch noch nicht statt gefunden. Trotzdem zeichnen sich schon Hauptkonfliktlinien ab.
Der derzeitige Präsident Ahmadinedschad kann nach einer achtjährigen Amtszeit nicht mehr antreten. Aber er hat offensichtlich Vorstellungen für die Zeit nach ihm. Diese Vorstellungen stehen nach Ansicht einiger Analysten den Wünschen des Obersten Führers Ali Khamenei entgegen.
Präsident Ahmadinedschad hat für viel Gesprächsstoff in der Welt gesorgt. Bei den einen gilt er als "Verrückter von Teheran", während er für andere eine Art Erlöserfigur darstellt. Ali Khamenei konnte äußerst zufrieden mit den Auftritten Ahmadinedschads im Ausland sein, denn sein Präsident hat jedes Mal die ideologische Keule gegen den "großen und den kleinen Satan" geschwungen, die Khamenei hören will. Probleme mit Ahmadinedschad und unerwartete Wendungen gab es nur im Innern des Landes, wenn der Präsident eigene Variationen und Interpretationen der Ideologie vorbrachte und Personen Verantwortung übertragen wollte, die den Mullahs nicht passten.
Aus den Erfahrungen der Vergangenheit lassen sich einige Kriterien ablesen, die der Oberste Führer für die Auswahl seines zukünftigen Präsidenten anlegen könnte. Als der Vorgänger Ahmadinedschads, Mohammad Khatami ins Ausland reiste, war Khamenei stets in Sorge, was er denn äußern und welche Positionen er vertreten würde.
Mit Ahmadinedschads Auftritten im Ausland war Khamenei sehr zufrieden, da ihm Ahmadinedschad im Ausland nach dem Mund redete. Ob vor der UN in New York oder während Staatsbesuchen oder in Interviews mit ausländischen Medien, stets gab Ahmadinedschad den Kritiker Israels, der Zionisten und Kolonialisten oder den Mann des Volkes, der die kleinen Leute in Schutz nimmt und den bescheidenen Asketen, der das Wohl der Welt im Sinn hat. So konnte Ahmadinedschad Sympathien für Iran gewinnen.
Nur im Landesinneren bereitete er immer wieder Probleme für die grauen Eminenzen am Fundament des Systems. Khamenei hatte gehofft Ahmadinedschad würde seine Linientreue im Ausland auch im Inland vollständig ausleben. Hier hat er sich wohl geirrt.
Das bedeutet, der Oberste Führer braucht einen Präsidenten, der ihm nahe ist, der im Inland keine eigenen Vorstellungen durchsetzen will und im Ausland mit harten Bandagen und internationaler Erfahrung auftritt, um die Interessen der Islamischen Republik Iran durchzusetzen. Um die Innenpolitik will sich Khamenei selbst kümmern. Für ihn ist der Umgang mit dem Ausland wichtig, dafür braucht er einen starken Präsidenten.
Ali Akbar Velayati oder Gholam Ali Hadad-Adel oder doch Mohammed Bagher Qalibaf?
Wer die aktuelle Nachrichten im Iran verfolgt, sieht, dass unterschiedliche Namen als Kandidaten für die nächsten Präsidentschaftswahlen gehandelt werden. Immer wieder kreisen Spekulationen darum, ob der ehemalige Präsident und Grandseigneur der Islamischen Revolution Akbar Rafsandschani oder doch Mohammad Kahtami wieder zur Wahl antreten. Auch der ehemalige Innenminister Mostafa Pourmohammadi oder der Vizepräsident des Parlaments Mohammed Reza Bahonar werden genannt.
Doch rechnen einige Beobachter damit, dass Ali Khamenei zunächst auf ein Triumvirat setzen wird, aus dem am Ende einem der Vorzug gegeben werden wird und die Anhänger der anderen werden gebeten dem Auserwählten ihre Stimme zu geben.
Der ehemaliger Außenminister Ali Akbar Velayati hat das Vertrauen Khameneis wegen seiner erwiesenen Loyalität. Für ihn sprechen seine Kontakte und seine Erfahrung im Ausland. Er gilt als durchsetzungsstark. Velayati hat aber nicht viel Zuspruch in der Bevölkerung. Ihn ins Rennen zu schicken enthält das Risiko, dass er nicht wirklich gewählt werden würde und eine Wahl-Manipulation nötig würde.
Gholam Ali Hadad-Adel ist ehemaliger Parlamentspräsident und kommt aus einem Geisteswissenschaftlichen Umfeld. Das Vertrauen Khameneis genießt er schon allein wegen der familiären Verbindung zu ihm. Die Tochter Hadad-Adels ist mit Modschtaba Khamenei, dem ehrgeizigen Sohn des Obersten Führers, verheiratet. Er gilt als Förderer von Kultur und liebt die Dichtungen der großen persischen Dichter wie Rumi und Hafis.
Hadad-Adel bewegt sich sicher auf Feldern der Kultur und hat eher einen wissenschaftlichen Denkansatz als einen politisch-taktischen. So könnte er sich öffentlich zu Rumi oder Hafis äußern, was thematisch nicht in Khameneis Linie liegen würde und zu Verstimmungen führen könnte. Hadad-Adel spricht eher die Sprache gebildeter Leute, es steht zu befürchten, dass er im Ausland eher auf Ausgleich aus ist und nicht Positionen durchsetzen wird. Khamenei würde aber einen Mann des Volkes wie Ahmadinedschad bevorzugen, der auch mit derben Mitteln Positionen zu vertreten weiss.
Mohammed Bagher Qalibaf ist Bürgermeister von Teheran. Er gilt ähnlich wie Ahmadinedschad als ein Mann des Volkes. In Teheran ist er bekannt und beliebt, aber landesweit wenig bekannt. Khamenei kennt ihn nicht so gut wie Velayati und Hadad-Adel und wird ihm nicht vollständig vertrauen. Er kann sich nicht auf ihn verlassen, wird ihn aber brauchen, um Stimmen zu sammeln.
Khamenei wird vermutlich Hadad-Adel oder Velayati als seine Favoriten betrachten. Er könnte jede Person seines Vertrauens Präsident werden lassen. Die Schwierigkeit liegt darin, dass nicht jede Person ähnliche Fähigkeiten hat wie Ahmadinedschad, der zum Beispiel bei einem Staatsbesuch im Libanon Menschenmassen für Iran gewinnen konnte. Eine höchst willkommene Leistung für den Obersten Führer Irans.
...wenn da nicht noch Ahmadinedschad wäre...
Neben Khameneis Favoriten gibt es aber noch die Vorstellungen Ahmadinedschads wie es weiter gehen soll im Iran. Diese Vorstellungen sind auf das Engste mit seinem engsten Berater und seiner Ideologie einer Iranischen Schule statt einer Islamischen Schule verknüpft.
Rahim Esfandiar Mashaie hätte große Chancen Präsident zu werden, falls die Präsidentschaftswahlen tatsächlich einigermaßen frei ablaufen und die Vorauswahl der Kandidaten ohne Khameneis Einfluss statt findet. Seine Ideen kommen all jenen entgegen, die sich mehr Freiheit wünschen und die Bevormundung auf allen Lebensfeldern durch die Mullahs satt haben. Was er vertritt hat nicht mehr mit dem Mullahstaat und Islamismus zu tun. Er wird sicher nicht die Positionen Khameneis im Ausland vertreten. Das wirft Komplikationen auf.
Ahmadinedschad will seinen Mann auf jeden Fall durchsetzen und das Establishment fürchtet, dass Ahmadinedschad Unruhen anzettelt, wenn Mashaie nicht als Sieger aus der Wahl herauskäme. Er hätte nach den Präsidentschaftswahlen noch für einen Monat alle Befugnisse des Präsidenten und könnte Ärger machen.
Es gibt zwei Momente im Prozess der Präsidentschaftswahlen an denen Ahmadinedschad Probleme bereiten kann: falls Mashaie sich zur Wahl stellen sollte und der Wächterrat ihn nicht zur Wahl zulassen sollte und auch nach einem möglicherweise unerwünschten Ergebnis bei der Stimmauszählung. Das Establishment fürchtet beide Momente.
Bahonar, Vizepräsident des Parlaments, warnte vor einer Woche Ahmadinedschad keine Probleme bei den Wahlen zu bereiten und den Wahlausgang zu akzeptieren. Und er wies darauf hin, dass vor ihm schon bedeutendere Männer Präsidenten gewesen seien, die sich aufgelehnt hätten gegen das System, was ihnen nicht gelungen sei.
Die Machtprätendenten zeigen sich gegenseitig die Krallen. Die Männer hinter Khamenei wissen, dass Ahmadinedschad etwas im Schilde führt, aber sie wissen nicht was, sie wissen nicht was Ahmadinedschad genau vorbringen kann, um seinen Willen am Ende durchzusetzen.
Teil 2 folgt...
Source: http://www.mehriran.de/artikel/datum///von-den-freien-wahlen-im-iran/