Langsam aber spät kommt der Sommer in Fahrt und spätestens ab Freitag 15 Uhr hat jeder Fleischliebhaber Kohlengeruch in der Nase. Die Ausgangslage ist fast immer die selbe: Gutes Wetter, Hunger, Durst, Lust auf Geselligkeit und ein halbwegs funktionierender Grill. Doch in der Herangehensweise an das Grillen kann man erhebliche Unterschiede feststellen. Die Menschen, die sich Abends um das bruzzelnde Grillgut versammeln sind alles andere als ein homogener Haufen Grillfreaks. Wenn die Sonne dem Horizont entgegendriftet kommen sie zusammen. Eine kleine und nur begrenzt ernstzunehmende Grill-Typologie soll fünf Grilltypen und ihre Verhaltensweisen analysieren.
Der Spontane
Torben findet sich ziemlich spontan. Er kommt Abends von der Uni nach Hause und checkt erstmal seine 23 WhatsApp-Gruppen auf Grill-Aktivitäten. Kündigt irgendwer gerade eine Grill-Party an, schreibt er keck was dazu und fragt erst gar nicht ob er kommen kann, denn er ist bereits auf dem Weg zum Discounter. Die zwei Weißwürste für 45 Cent – wegen abgelaufenem Haltbarkeitsdatum um die Hälfte reduziert – sind für ihn gerade richtig. Als Torben beim geselligen Grillen eintrifft sind bereits alle am Essen. Das stört ihn gar nicht, denn nun hat er den Grill für sich alleine und doppelt so viele Röstaromen an seiner abgelaufenen Grillwurst wie alle anderen. Der spontane Torben kommt als Letzter, gehört aber auch zu der Gruppe Menschen, die man am Ende der Grillerei nur schwer wieder los wird.
Der BaföG-Gourmet
Peter studiert Skandinavistik, lebt von BAföG und seinem Job als Kellner und ist immer furchtbar knapp bei Kasse. Seine heimischen 12 Quadratmeter gleichen einer Gefängniszelle, außer Bett und Schreibtisch stehen dort nur ein paar leere Flaschen Mineralwasser. Doch der Schein trügt. In Peters WG Küche stehen die wahren Schätze des offiziell so mitellosen Studenten. Teures Olivenöl aus der Toskana teilt sich mit edler Vanille aus Haiti und Thai-Basilikum das liebevoll angerichtete Bast-Körbchen. Peter ist ein Gourmet – das soll beim Grillen jeder erfahren. Deshalb legt er sein Fleisch stets selbst ein, mit extra viel Knoblauch, sodass auch wirklich der letzte Grillgast einmal fragt woher denn der intensiv bis beißende Geruch kommt. „Ich leg meine Sachen immer selbst ein, schmeckt viel aromatischer als diese ollen Fertigsachen,“ sagt Peter dann und lacht ein wenig selbstherrlich. Alle anderen verdrehen die Augen und sind doch irgendwie neidisch, wenn sie auf ihre neon-orangen Fleischfetzen blicken. Peter lässt andere gerne an seinem Hochgenuss teilhaben, zumindest verbal.
Die Veggie-Grillerin
Ute ist ein gern gesehener Gast beim Grillen. Nicht weil sie beesonders redselig, sympathisch oder gutaussehend ist, sondern weil sie immer diese leckeren Dips mitbringt. Eigentlich will sie damit ihren Gemüsesticks etwas mehr Gesckmack verleihen. Doch dazu kommt es nur selten, denn ihre handgerührten Soßen werden von den anderen Grillgästen regelmäßig als Fleischbeilage missbraucht. Ute wurmt das gewaltig, seit drei Uhr Nachmittags stand sie in der Küche und hackte liebevoll die Küchenkräuter – und nun das. Doch Ute ist ein geduldiger und toleranter Mensch – sie lässt die Banausen gewähren. Währenddessen versucht sie ihre Grillpaprika so auf dem Rost zu platzieren, dass es auf keinen Fall zum Kontakt mit giftigem Fleisch kommt. Tritt der unvermeidbare Fall dann aber doch ein verschenkt sie ihre Paprika weiter. Ute ist am Ende nicht satt, muss aber zumindest keine Soßenschüsseln mehr spülen weil Udo die Gefäße bereits blank geleckt hat.
Der Schnorrer
Udo hat keinen Hunger. Das könnte man zumindest auf den ersten Blick meinen. Doch das ist nur einer seiner cleveren Tricks. Denn Udo investiert sein Geld lieber in einen zweiten Sixpack Bier Marke Öttinger oder Wickühler und gibt sich mit dem zufrieden, was der Rest nicht mehr will. Während die Runde genüsslich ihr Grillgut zubereitet, trinkt Udo seinen ersten Sixer. Er hat den Anstand zu warten, bis alle einen einigermaßen gesättigten Eindruck machen, dann schlägt er erbarmungslos zu. Zerfetze Fleischstücke aus der Vakuumverpackung, die in der angrenzenden Tuja-Hecke liegt, totgebratene Steaks vom Rost, Soßenschüsseln, die bereits mit Gras und Asche bedeckt sind – Udo schreckt vor nichts zurück. Weil er mittlerweile beide Sixpacks konsumiert hat macht ihm das gar nichts aus, seine Geschmacksnerven verweigern schon lange ihren Dienst. Udo ist ein echter Pragmatiker, am Ende des Grillfests ist er als Einziger gleichzeitig satt und total besoffen.
Der einsame Grill-Poser
Die Frisur sitzt. Jede Strähne der wallenden Haarpracht liegt zementiert in ihrer Gel-Spur. Der Sack Hickory Späne steht bereit, über den glühenden Kohlen wabert die heiße Luft, da erfüllt plötzlich ein lautes Zisch-Geräusch die Gartenlaube. Sören, der Grill-Poser, ist in seinem Element. Mit Behutsamen Bewegungen verteilt er Jim Beam in großzügigen Schlücken über dem Grillgut. Roastbeef, Schweinefilet und Lammhüfte sind von einer beachtlichen Whiskeyschicht benetzt. Als Sören seine Hickory Späne mit bloßer Hand auf die Kohlen gibt erfüllt eine fast surreale Komposition der Düfte die laue Abendluft. Stolz bäumt er sich auf, neben seinem Kugelgrill mit den Ausmaßen eines Kleinwagens, und strahlt seine Gästen an. Keiner spricht. Alle beobachten sie andächtig Sörens Grill-Zeremonie. Manche müssen ein Lachen unterdrücken, denn Rotwein und Champagner benebeln die Sinne bereits leicht und die Abendsonne taucht den Whiskeydunst in sanftes Orange. Sören ist zufrieden, seine Inszenierung ist ihm gelungen. Routiniert kontrolliert er mit leichtem Fingerdruck den Garpunkt seiner Ansammlung an Edelfleisch und verfrachtet sie gekonnt auf die vorgewärmten Teller aus der Wärmeschublade unterm Grill. Kollektives Aaah und Ooh, dann genussvolles Schlemmen. Die lobenden Worte wollen kein Ende nehmen. Als sich die Gäste eine Stunde später gesättigt und abgefüllt auf den Heimweg machen, fragt sich Sören, wie jedesmal, warum er jetzt wieder alleine auf den 400 Euro sitzen bleibt, die ihn der Spaß gekostet haben.