ensemble xx.jahrhundert war zu Gast im Konzerthaus in Wien (c) Fodor
Das Ensemble eXXj (ensemble XX. jahrhundert) bestritt das zweite Konzert anlässlich des Festivals des Österreichischen Komponistenbundes, der in diesem Jahr sein 100jähriges Bestehen feiert. Im Schubertsaal des Konzerthauses wurden an diesem Abend aber nicht nur vier zeitgenössische Werke aufgeführt. Vielmehr konnte der Leiter des Ensembles Peter Burwik stolz die neue, frisch aus der Presse gekommene CD präsentieren. Auf dem bei Capriccio erschienen Tonträger sind Mitschnitte aus der gemeinsam mit dem Österreichischen Komponistenbund produzierten Konzertserie „TRIBÜNE – lauschergreifend live!“ zu hören. Nach einer Veröffentlichung im Jahr 2012 ist das nun bereits die zweite CD aus dieser Reihe. Eine Besprechung der CD erfolgt in Kürze in unserem Journal. Das Programm des Konzertabends war erfreulicherweise ganz gendergerecht angelegt. Neben Werken von Ming Wang und Alexandra Karastoyanova-Hermentin gelangten im zweiten Teil auch solche von Erich Urbanner und Johannes Maria Staud zur Aufführung.
Ming Wangs Komposition „Schwebende Fragmente I“, die auch auf der erwähnten CD eingespielt wurde, basiert, wie im Programmheft nachzulesen „…auf einer festgelegten harmonischen Struktur, die den Gesamtverlauf in fünf Abschnitte gliedert: Jeder einzelne Teil ist um einen zentralen Ton angelegt und besteht aus verschiedenen Partien, wobei sich die Quinten, Quarten, Terzen bzw. Sekunden geschichteten Akkorde überlappen“. Wang, geb. in Taipei, aus der Tradition der chinesischen Musik stammend, studierte ab 1986 Komposition in Wien. Interessant ist, dass bei diesem Stück sowohl europäische als auch asiatische Klanganleihen hörbar werden. Ihre Gegenüberstellung von bedrohlichen Bassklängen und rauschhaften Percussionsattacken als intensive Gegen-Klangmomente zu den zarten Flöteneinsätzen, die mit flirrenden und schnarrenden Klangmomenten genauso aufwarten wie melodischen Anteilnahmen von beinahe Debussy´scher Prägung, ergeben ein reichhaltiges Klangerlebnis, das man sich öfter anhören muss, um in seine Komplexität einzudringen.
„Sindies für 10 Instrumente“ aus dem Jahr 2011 von Alexandra Karastoyanova-Hermentin, österreichische Komponistin russisch-bulgarischer Abstammung, ist ein Auftragswerk des eXXj. Die einfache Kantilene in Moll in der Klarinette, aus dem traditionellen Volksmusikkanon ihrer Heimat entnommen, wird schon nach kurzer Zeit von den anderen Instrumenten sfumatoartig umsponnen. Diese Verschleierung bewirkt einen unglaublichen Hörreiz, ist man doch ständig gefordert, das Thema aus den gebotenen Nebenschauplätzen herauszuhören. Ihre Komposition erweckt in den ersten beiden Teilen stärker den Eindruck sich konzentrisch um einen musikalischen Mittelpunkt zu drehen als genealogisch voranzuschreiten. Dennoch bricht die Komponistin in jener Passage damit, in welcher das Klavier einen kräftigen Lauf im tiefen Register absolviert, dessen Dramatik von den übrigen Stimmen aufgenommen wird, sich zuspitzt und in der Folge ein Gefühl der Atemlosigkeit aufkommen lässt. Im Schlussteil greift die Trompete noch einmal das Eingangsmotiv auf, kräftig vom Xylophon unterstützt, bevor Flöte und Klarinette die Melodie sanft ausklingen lassen – und der Abgang reinem Bläserwind gehört. Karastoyanova-Hermentin umschreibt lyrisch dieses Kantilenenmotiv in dessen Schlussteil: „…um sich im Azurblau der weiten Bergspitzen aufzulösen“.
Mit „Takes“, einem Klaviertrio von Erich Urbanner setzte es nach der Pause einen starken Gegenpol. Den lyrisch-expressiven Klängen wurde ein kammermusikalisches Feuerwerk der Sonderklasse entgegen gesetzt. Urbanner, der als Toningenieur mit dem Haydn-Streichtrio daran gearbeitet hatte, alle Haydn Trios aufzunehmen, war von demselben beauftragt worden, für sie ein Stück zu schreiben. Darin verarbeitete er seine Erfahrungen und Eindrücke dieses Arbeitsprozesses. Die Komposition beeindruckte aufgrund ihres Ideenreichtums aber auch ihrer technisch sehr anspruchsvollen Passagen, die das Trio meisterlich absolvierte. In den 45 zum Teil sehr kurzen „Takes“ – aus der Fachsprache der Tonaufnahme entnommen – gehen die Stimmen oftmals enge Verbindungen miteinander ein, lassen aber an anderen Stellen ihren Part solistisch als Reibefläche zu den anderen Stimmführungen stehen. Eine sehr gelungene, man möchte meinen „höchst österreichische“ Komposition, die geschickt Historisches mit den Kompositionsmitteln des 20. Jahrhunderts zu verbinden wusste.
Den Abschluss bildete Johannes Maria Staud mit „Par ici!“ für Ensemble aus dem Jahr 2012. Wie der Komponist einleitend erklärte, wollte er dabei aus der normalen Stimmung ausbrechen und verwendet dafür ein Keyboard, das um ¼ Ton höher gestimmt wurde, was zu einer Art „unsauberem“ Klangbild führt. Staud beschrieb dieses Prinzip als einen Schritt zu einer neuen Harmonik. Er steht dabei nicht alleine – einer der Urväter, die Kompositionen für verstimmtes Klavier schufen, war der 1919 geborene Däne Niels Viggo Bentzon. Aber man muss nicht so weit zurückgehen, um dieses auditive Phänomen zu zitieren. Hans Lüdemann, Jazzlegende aus Deutschland verwendet es mit seinem Trio „Rooms“ ebenso wie Wolfgang Mitterer in seinem „Little smile für Ensemble und live-Elekronik“, Olga Neuwirth in „Kloing“ oder Michaël Levinas, der dies zu einem seiner Kompositionsprinzipien erkoren hat. (siehe auch: „concerto pour un piano – espace N.2“ – um hier nur einige Wenige aus der jüngsten Vergangenheit zu nennen.) Bei Staud ist es nicht nur das Klavier, sondern es sind auch alle anderen Instrumente mit Ausnahme des Vibraphons und Glockenspiels, die dieses Stimmungsprinzip aufnehmen und im ersten Teil durch stetiges, fast unmerkliches Ansteigen der Tonhöhe einen Klangraum schaffen, der von einem Rainstick stimmungsvoll gefärbt wird. Mit zunehmender Tonhöhe steigert sich allmählich auch die Dynamik bis zu einem Kulminationspunkt, der auch durch intensive Gongklänge akzentuiert wird. Beinahe schon schmerzende, kurze Tuttistöße folgen diesen Klangmassen, die in starkem Kontrast zum zarten ersten Teil des Stückes stehen. Staud gelingt damit eine Bipolarität, die man mit dem Gegensatz von Raum und Objekt vergleichen könnte. Diese fast schon als architektonisch zu bezeichnende Klangstruktur endet ganz unerwarteter Weise unspektakulär mit einer kleinen, ins Ohr gehenden Sequenz.
Extra hervorgehoben soll an dieser Stelle noch einmal das Ensemble XX. Jahrhundert werden, das in vorbildlicher Art und Weise den Stücken gerecht wurde und das bei einem so breit gefächerten Programm, in dem vielfache solistische Herausforderungen zu bewerkstelligen waren.
Links: ensemble xx.jahrhundert
Österreichischer Komponistenbund
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