vom waldschrat zur wissenschaft – peter bertholds leben für die vögel

bertholdPeter Berthold ist – nach seinem Mentor Konrad Lorenz – wohl der bekannteste Ornitologe Deutschlands: der Vogelexperte mit dem markanten weißen Bart begeistert in Talkshows mit fundiertem Wissen und perfekten Vogelruf-Imitationen, lächelt als Qualitäts-Garant in den Meisenknödel-Prospekten einer großen Gartenmarkt-Kette und hat vor Kurzem auch ein eigenes Buch veröffentlicht:

in „Mein Leben für die Vögel“ erinnert sich Peter Berthold an seine leidenschaftlichen Anfänge als kindlicher „Vogelkundler“, an seine Träume und Umwege, die ihn schließlich doch dahin brachten, wo der selbst ernannte „Ornitopath“ genau am richtigen Platz war: zur Vogelwarte Radolfzell.

Deshalb der etwas sperrige Untertitel „…und meine 60 Jahre mit der Vogelwarte Radolfzell“, der eigentlich fast zum Haupttitel taugt, denn die Details über Entstehung, Entwicklung sowie über verwaltungs- und personaltechnische Entscheidungen rund um die Vogelwarte bekommen für meinen Geschmack etwas zu viel Platz im Buch – ich hatte mir mehr „Geschichten“ aus der Vogelwelt erhofft und trotzdem Spaß beim Lesen.

Aus Sicht des Autors ist die Gewichtung verständlich, immerhin spielt sich im weltberühmten Institut am Bodensee der größte Teil seines Lebens ab. Ja, die Vogelwarte Radolfzell verdankt ihren Weltruhm zu einem großen Teil dem unermüdlichen Verhaltensforscher und Naturschützer und seinen Mitarbeitern – so war es im Grunde nur eine Frage der Zeit, bis Peter Berthold selbst zum Leiter der Vogelstation wurde.

Trotzdem: der Weg dorthin war kurvenreich und arbeitsintensiv – Peter Berthold erzählt ihn mit Leidenschaft und trockenem Humor. Bereits mit zehn Jahren ist Peter Berthold von Schwanzmeisen, Eisvögeln und Dompfaffen-Männchen fasziniert. Er beobachtet die Vögel wann immer er kann, fängt sogar einige Exemplare und findet eines Tages einen Ring, der ihn für immer an seine Passion bindet:

Es war ein Aluminiumringchen am Bein einer Kohlmeise und die Prägung „H69870 Radolfzell Germania“ war für Peter Berthold eine Offenbarung – erstaunt bemerkte er zum ersten Mal, dass Vögel weite Strecken überwinden und: es gab eine Vogelwarte, sogar eine Berufsbezeichnung für das, was er so liebend gern tat: Vögel erforschen. Als er 1953 mit seiner Mutter nach Baden-Württemberg zieht, stand das Ziel seiner ersten Radtour fest: es musste die Vogelwarte Radolfzell sein!

Aus der Ferne beäugt der junge Vogelliebhaber das Wasserschloss Möggingen, das für ihn zum „Ornithologen-Olymp“ wird bzw. das er viel später zum selbigen mit aufbaut.

Zuvor allerdings beringt er fleißig selber, organisiert Schulalltag und Studium derart straff, dass ihm Zeit für ausgiebige Exkursionen bleibt – im Sommer 1956 zum Beispiel mit dem Fahrrad nach Südfrankreich.

Mit einem gezielt vorgetäuschten Beinah-Armbruch entkommt Peter Berthold auch den Bundesjugendspielen und radelt lieber zur Fachversammlung der Ornithologen, wo er seine „Götter“ persönlich trifft. Und weil er so viel Begeisterung für die Vogelwelt mitbrachte, wurde er mit 16 ehrenamtlicher Mitarbeiter der Vogelwarte – Etappe eins war geschafft!

Beringen oder Vokabeln lernen? Das war die folgenden Jahre die ständig drängende Frage und obwohl sich Berthold im Zweifel für die Vögel entschied, schaffte er sein Abitur und absolvierte mit Hilfe einiger Kommilitonen und dem gemeinsam ausgeklügelten Vorlesungsplan auch sein Biologie-Studium in Rekordzeit und mit Bestnoten.

Als studentische Hilfskraft rückt Peter Berthold wieder in die Nähe der Vogelwarte: auf der Beobachtungs-Station „Netta“, einer Art schwimmendes Gartenhaus, mutiert er zum „Robinson“ und beobachtet Wasservögel. Wochenlang lebt er „mutterseelenallein“ in der Natur und denkt sich so in seine Lieblings-Geschöpfe hinein, dass er sich selbst oft wie ein Vogel fühlt.

Das Leben im schwimmenden Gartenhaus inspiriert und prägt ihn für seine spätere Forschungsarbeit. Vorher jedoch steht der Studienabschluss auf der Agenda: „…zehn Semester inklusive Doktorarbeit, das war zumindest in Tübingen das kürzeste naturwissenschaftliche Studium mit Promotion der Nachkriegszeit“, schreibt Prof. Dr. Peter Berthold auf Seite 51 seiner Berufs-Biografie.

Auch seine wissenschaftliche Arbeit ist eine Erfolgsgeschichte, die ihn nach einigen Jahren mit „toter Materie“ im Naturkundemuseum Stuttgart schließlich doch noch ins Allerheiligste der Ornithologie führte, wo er zahlreiche Ideen aus der „Netta“-Zeit umsetzen konnte. Für einige Vorhaben gab es allerdings kein Geld und keine Mitstreiter.

Bei allem Erfolg stand nicht nur einmal die Schließung der Vogelwarte zu befürchten, doch mit Herzblut, viel Einsatz und erfolgreicher Arbeit konnten Peter Berthold & Kollegen ihr Refugium erhalten.

Mehr als 600 Vorträge hält der Professor und reißt auch Zuhörer mit, die wissenschaftlicher Arbeit normalerweise wenig abgewinnen können. Eine seiner Veröffentlichungen über massive Bestandsrückgänge aufgrund von Pflanzenschutzmitteln, kostet ihn 1973 fast den Arbeitsplatz: die Chemie-Fraktion ist ganz und gar nicht begeistert über Bertholds Ursachenforschung – ein Umstand, den wir aktuell nicht nur bei Vögeln sondern auch bei Bienen, Fischen und anderen Tieren beobachten und beklagen können.

Überhaupt wird das Thema aktiver Naturschutz immer wichtiger für Berthold und in dieser Mission ist der emeritierte Professor ständig unterwegs – er setzt sich nicht nur für die Ganzjahres-Fütterung und Wiederansiedlungen heimischer Vögel ein, sondern entwickelte gemeinsam mit Heinz Sielmann ein Biotop-Projekt. Das Ziel: ein möglichst engmaschiges Netz mit Biotopen als Lebensraum, in dem sich Pflanzen und Tierbestände regenieren können.

Unterm Motto „Jeder Gemeinde ihr Biotop“ wurde das nachhaltig erfolgreiche Pilot-Projekt „Biotopverbund Bodensee“ weit über Baden-Württemberg hinaus bekannt. „Die Natur ist trotz ihrer schweren Schädigungen gerade auch in unserem Land gottlob noch regenerationsfähig; es lohnt sich also noch, ihr durch neue ‚Oasen aus Menschenhand‘ wieder auf die Sprünge zu helfen“, resümiert Peter Berthold am Ende seiner Erzählungen.

Doch dazu müssen wir selbst „Hand anlegen und nicht nur Vorschläge machen“, lautet seine Empfehlung. Und er macht Mut: „Die Anzahl von Menschen, die Natur lieben, die Sehnsucht haben nach intakter, nachhaltiger Natur, die wie ein Stück Heimat wieder gute Perspektiven für die Zukunft gibt, ist weit größer als gedacht.

Zusammen mit solchen Gleichgesinnten und Hoffnungsträgern, lohnt es sich, auch künftig Vögeln im Speziellen und der Natur im Allgemeinen weiter so gut es geht über die Runden zu helfen. Natur zu erleben und zu verstehen ist nach wie vor für die allermeisten Menschen das Beglückendste, was sie erfahren können.“

Auch für seine künftige Arbeit hat Peter Berthold jedenfalls einen klaren Auftrag: „Fröhlich sein – Gutes tun, und die Spatzen pfeifen lassen….und dafür sorgen, dass sie auch weiter pfeifen können!“

Peter Berthold „Mein Leben für die Vögel. Und meine 60 Jahre mit der Vogelwarte Radolfzell“, 216 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, 19 Euro 99, Kosmos Verlag



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