L’homme n’est ni ange ni bête, et le malheur veut que qui veut faire l’ange fait la bête.
- Blaise Pascal –
Nun, da auch der rechtsextremistische Terror in Deutschland zu Tage getreten ist und die linken Kohorten der Oberschlauen sich allerorten zu Wort melden, ist es an der Zeit daran zu erinnern, dass das, was das Zwickauer Terrortrio angerichtet hat, keineswegs beispiellos ist. Weder was seine Inspiration noch was seine Akteure und seine Methoden angeht. Historische Vorläufer finden sich in den vergangenen Jahrtausenden zuhauf, und es waren russische Nihilisten und Vordenker der Arbeiterbewegung wie Bakunin und Netschajew, die dem Terroristen und dem Terror das theoretische Handwerkszeug zur Verfügung stellten. Netschajew verfasste den Revolutionären Katechismus, ein Programm zur “gnadenlosen Zerstörung” der Gesellschaft und des Staates. In der Einleitung dazu schrieb er:
“The revolutionary is a doomed man. He has no private interests, no affairs, sentiments, ties, property nor even a name of his own. His entire being is devoured by one purpose, one thought, one passion – the revolution. Heart and soul, not merely by word but by deed, he has severed every link with the social order and with the entire civilized world; with the laws, good manners, conventions, and morality of that world. He is its merciless enemy and continues to inhabit it with only one purpose – to destroy it.”
Das Grundprinzip des Katechismus – “Der Zweck heiligt die Mittel” wurde Netschajews Leitspruch während seiner gesamten revolutionären Karriere. Das wahllose Töten von Zivilisten zum Zwecke der Installation der eigenen Ideologie ist also nichts Neues. Es gibt eine linke, es gibt eine rechte und inzwischen auch eine islamische Tradition. Und was deren selbstmörderische Dimension angeht, auch hier finden sich in allen drei Lagern inzwischen eine ausreichend lange Liste an Rechtgläubigen, die ihr Leben für die gerechte Sache gegeben haben und immer wieder in der Lage waren, den undenkbaren, sensationellen Terrorakt Wirklichkeit werden zulassen.
Die Notwendigkeit permanenter Wachsamkeit ist deshalb die Lehre, die aus den Mordtaten der Zwickauer Terrorzelle zu ziehen ist. Und hier meine ich zuallererst Wachsamkeit auf polizeilicher und krimineller Ebene und nicht in gesellschaftlicher Hinsicht. Denn letztendlich handelt es sich bei Terroristen um Verbrecher, die nichts mit einer liberalen Gesellschaft anfangen können, und die sich eine Ideologie suchen, die ihnen die Illusion von Macht verleiht und verbleibende Skrupel abtötet. Die Grenzen des möglichen oder sagen wir des für möglich gehaltenen haben die drei Terroristen überschritten. Es ist Aufgabe des Staates dafür zu sorgen, dass diese Grenzen nicht weiter ausgelotet werden. Ob in diesem Zusammenhang ein NPD-Verbot das Mittel der Wahl ist, ist mehr als zu bezweifeln. Den gerade was den Rechtsextremismus betrifft, so führte ein verstärkter Verfolgungsdruck durch Verbote von Organisationen seit den neunziger Jahren zu einer Fragmentierung der Szene und deren Ausweichen ins Konspirative.
Was im Kampf gegen den Terror nicht vergessen werden sollte, ist die Tatsache, dass sowohl linker als auch rechter und islamischer Terror einen Grossteil seiner Ideologie aus dem Antikapitalismus schöpft. Schon während meiner Zeit bei den Falken vor 25 Jahren, war es am Lagerfeuer und nach ein paar Flaschen Bier nur ein kleiner Gedankensprung zur Gewalt gegen den verhassten Staat und seine Repräsentanten. Deshalb muss sich heute auch die Occupy-Bewegung jederzeit fragen lassen, wo die Grenzen der Kapitalismuskritik liegen. Fakt ist, das große und politisch einflussreiche Banken und Banker in den vergangenen Jahren ungerechtfertigte, staatliche Unterstützung erhaltne haben, während weniger einflussreiche Wirtschaftszweige und Bürger den Wohlfahrtsstaat weiterfinanzierten. (Wobei man natürlich nicht vergessen sollte, dass bei einem Lieblingsprojekt der politischen Linken und sozialdemokratisierten Rechten, der Energiewende, unfaire staatliche Unterstützung gern hingenommen wird.)
Die freie Marktwirtschaft und liberale Ordnungspolitik können durch die Politik entstellt werden. Dies ändert aber nichts daran, dass es diese Systeme sind und waren, die den Lebensstandard beinahe überall auf der Welt angehoben und die ökonomischen Voraussetzungen für die inzwischen fast global gültigen Menschenrechte geschaffen haben. Leider werden solche Unterscheidungen derzeit kaum gemacht. Und wenn inzwischen selbst bürgerliche Feuilletonisten und CDU-Politiker vereinfachende Kapitalismuskritik schick finden, so haben wir es mit dem erneuten Ausbruch einer alten Krankheit in der bürgerlichen Gesellschaft des Westens zu tun. Dass die Normen und Institutionen die westliche Freiheit, Wohlstand und Unabhängigkeit möglich gemacht haben und möglich machen, als eine Selbstverständlichkeit angesehen werden.