Vom Stadtkind zum Stadt-Rand-Ei

Vom Stadtkind zum Stadt-Rand-EiDie letzten Wochen war bei uns ganz schön was los. Wir sind umgezogen und nach 26 Jahren habe ich mein geliebtes Hechtviertel verlassen. Nicht weil ich es musste, es hat sich angeboten, mit 2 Kindern hätten wir bald eine Größere Wohnung gebraucht, allerdings ist es inzwischen nicht so einfach im Viertel eine bezahlbare Wohnung zu finden. In den letzten Jahren ist es zum Szeneviertel Mutiert. 
Das Hechtviertel grenzt an die Dresdner Neustadt, das Ur-Szeneviertel, an. Ganz früher war es eher verrufen, Häuser verfielen, später war es das Armee Viertel da die Kasernen und Offizierschule nicht weit weg war. Viel erinnert heute daran nicht mehr. Einsame unsanierte Häuschen fürchten sich nun zwischen den Stadthäusern und den Topmodernen Eigentumswohnungen. Das Viertel hat sich in den letzten 20 Jahren extrem gewandelt. Wo früher wilde Parkplätze waren, sind nun die Lücken geschlossen. Die Grundschule, die meine Schwester und ich besuchten, erinnert noch an vergangene Zeit, aber auch daran wird inzwischen gearbeitet. Eifrige Eltern stehen jede Woche beim Stadtrat um das "unaktuelle und alte" Aussehen zu kritisieren.
Das Flair in dem ich groß geworden bin ist schon lange weg. Meine Freunde mit denen ich groß geworden bin sind schon lange weg. Inzwischen beherrschen neue Gesichter die Straßen. Und doch konnte ich mich einfach nicht eher trennen. Gut meine große Tochter ging hier in den Kindergarten und in die Grundschule, ein Grund mehr warum ich nicht eher weg wollte. Doch auch das Gewohnte spielte eine große Rolle und der Fakt zu sagen: Ich wohne im Hechtviertel. Mit dem Wandel kamen tolle Läden, Cafe´s und Restaurants. Ich kannte und kenne alle Straßen in und auswendig. Im heutigen AZ Conny, eine Art Freizeittreff, bin ich früher zur Kinderkrippe gegangen. Ich erinnere mich noch an das Geräusch der Autos die am offenen Fenster vorbei gefahren sind während wir Mittagsschlaf machen sollten. Auf dem angrenzenden Spielplatz habe ich selber und auch meine Große Stunden verbracht. Den Glockenklang bzw. Krach der St. Paul Ruine habe ich noch in den Ohren, inzwischen hat sie keine Glocke mehr. Ich erinnere mich an den Frühlingsbeginn im Viertel, wenn die Bäume wieder blühten und die Vögel zwitscherten. An der Bushaltestelle habe ich später auf meinen Bus in Richtung Schule gewartet und an der Bahnhaltestelle bin ich in Richtung Ausbildung aufgebrochen. Im früheren LOTTO TOTTO Laden, inzwischen ein Weinhändler, habe ich mir die erste Bravo gekauft. Wo früher die Sparkasse drin war ist heute ein Veganer. Mit dem Kindergarten sind wir in die Gartensparte spazieren gegangen, damals schauten die Omas und Opas aus ihren Parzellen heraus, heute sind es junge Muttis oder Vatis. Ich könnte noch Stunden in Erinnerung schwelgen so ist das eben wenn man wo groß geworden ist.
Die Veränderung des Viertels ging mir zum Schluss ganz schön auf den Keks, Stichwort Dinkelkeks. Zuletzt nannten wir intern und untereinander das Viertel auch Dinkelkeksviertel. Immer mehr neue Familien zogen her, in ihre neu gebauten Stadthäuser mit riesen Fenster und ohne Gardinen. Ganze Hausgemeinschaften haben sich gebildet, aus einer Straße wurde eine Spielstraße gemacht. Auf dem Spielplatz viel man auf wenn man nichts Selbstgenähtes trug. Zu den Familien kamen die Studenten die, die 4-Raum-Wohnungen besetzten. Unter uns war zuletzt eine WG da wussten wir gar nicht wie viele da eingezogen sind. Und wenn man dann 18 Uhr von seiner Arbeit kam und mit seinem Auto an den Cafés vorbei fuhr, dann saßen alle diese da und tranken genüsslich ihren Chai-Latte. Und die Frage kam auf: Was machen die den ganzen Tag? 

Studenten, Mütter in ewiger Elternzeit, Manager-Väter oder Ich-bin-selbstständig-Menschen hatten das Viertel eingenommen. So kam es mir vor (ohne jemanden anzugreifen). Ich musste feststellen, dass es mich frustrierte und es eben nicht mehr so wie früher war. Und doch fiel uns das Wegziehen schwer. Am Ende macht die Veränderung ein Viertel aus. Die Menschen bilden den Charakter mit den Läden und den Gebäuden.
Vom Stadtkind zum Stadt-Rand-EiNun sind wir an den Stadtrand gezogen. Hier haben wir nur links und rechts einen Nachbar. Abends ist kaum noch einer auf der Straße und auch dieses Viertel hat seinen Charakter. Hier gibt es so viel Natur und auch schöne kleine Lädchen. Die zukünftige Krippe der Kleinen und die Schule der Großen sind nicht weit. Und zur Arbeit müssen wir nicht mehr durch die ganze Stadt.
Der Umzug selbst war nervig und mir kam es vor als würde er nie enden. Dazu beschloss der Sommer in der Zeit uns richtig einzuheizen. Jeden Tag Kisten, packen, aufbauen und mittendrin die Große die sich langweilte und aller 3 Stunden die Kleine stillen. Man war schnell gereizt und fing an wegen Nichtigkeiten sich an die Gurgel zu gehen. 
Dennoch haben wir es geschafft und sind angekommen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und nach 26 Jahren ist es, denke ich, auch gut mal etwas Anderes zu sehen. Da wir Ärzte, diverse Kurse und auch meine Mutti im alten Umfeld haben, sind wir glücklicherweise auch immer mal wieder in der alten Hood unterwegs.

Buchempfehlung, es steht auf meiner Wunschliste mit ganz oben und heißt:
Lassen sie mich durch, ich bin Mutter! Beschrieben wird eine bestimmte Zielgruppe Eltern von heute. Genau solche Eltern habe ich im alten Viertel auch beobachtet, ich sage nur DINKELKEKS :D Ich muss das Buch unbedingt lesen.

In diesem Sinne: Never forget where you come from :)

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