Vom Schlangenstehen in der Schneckenpost

Vom Schlangenstehen in der Schneckenpost

Nein, das ist keine Vorlesung oder so… Das ist die Post!

An dieser Stelle muss ich mal ein Geständnis ablegen: Ich gehe nie zur Post! Also fast nie, höchstens ein- oder zweimal pro Jahr. Dank den technologischen Errungenschaften muss ich die „Poste Italiane“ kaum mehr betreten, alleine der Gedanke daran lässt mich erschaudern, denn ein Gang zur Post kann locker mit einem Halbtagesausflug verglichen werden. Das ist nicht übertrieben: Rund 400 Stunden pro Jahr steht der Italiener in der Warteschlaufe und Firmen müssen ihre Mitarbeiter im Schnitt 269 Stunden, also etwa 34 Arbeitstage einsetzen, um Amtsgänge zu erledigen, was 40 Milliarden Euro kostet, wie das Statistik-Amt ISTAT zu Tage gebracht hat. Ist das Leben nicht zu kurz, als es wartend in einer Schlange zu verbringen?

Das letzte Mal betrat ich die Post kurz vor Jahresende, als der Heimlieferservice die bestellten Weihnachtsgeschenke bringen wollte, ich aber in einer der vielen Weihnachtsfeiern meiner Kinder sass und nichtsahnend zehn Tage später die Notiz vorfand, mein Paket doch bitte im Postbüro abzuholen. Worauf ich den Lieferservice anrief und den Angestellten inständig bat, den Boten nochmals vorbeizuschicken. Doch da war nix zu machen – nach drei Tagen wird das Paket auf die Post gebracht. Und damit basta. Also blieb mir nichts anderes übrig, als den Fuss doch noch ins Postbüro zu setzen.

Ich zog meine Nummer und stellte mich in die Schlange. Acht Personen waren vor mir dran. Na ja, halb so schlimm. Was ich aber nicht wusste: Wieviele von den wartenden Personen auf den „Kundenknopf“ gedrückt hatten und bevorzugt an die Reihe kommen. Da steht man in den Startlöchern, um an den Schalter zu hechten, und plötzlich kommt eine „A“-Nummer dazwischen. Sowas von ärgerlich! Schliesslich hat es doch noch geklappt und ich hielt mein Paket wie ein Pokal in den Händen. Geschafft! In „nur“ 18 Minuten. Ihr könnt Euch bestimmt gut vorstellen, wie genüsslich für mich ein Gang zur Post in der Schweiz abläuft: In zwei Minuten habe ich die Postgeschäfte schon erledigt! Kaum zu glauben. Was mich bei meinem letzten Besuch speziell verblüffte: Die Zeitangabe am Eingang, die informiert, in wievielen Minuten man an der Reihe ist. Ich konnte nicht anders, als diese für meine italienischen Freunde und Bekannte zu fotografieren. In den italienischen Filialen gibt es keine Zeitangabe, sondern Stühle. Was darauf schliessen lässt, dass je mehr Stühle, desto längere Wartezeiten in Kauf zu nehmen sind.

Doch mit Schlangestehen ist – für eher gut betuchte Landsleute – bald Schluss: Man kann einen „Codista“ (Ansteher) engagieren, für zehn Euro die Stunde. Nein, das ist kein Witz! Die professionellen Schlangensteher verfügen über einen rechtsmässigen Vertrag und absolvieren eine seriöse Ausbildung über Skype. Klar, der Job verlangt Zuverlässigkeit und Diskretion und das gute daran ist: Hat man einen solchen Schlangensteher vor sich stehen, lässt er einen garantiert vorbei, denn er verdient ja mehr, desto länger er ansteht…

Wer sich allerdings keinen „codista“ leisten kann, der muss sich wohl oder übel selber die Beine in den Bauch stehen. Oder tut es mir gleich und sucht sich ein Postbüro am Ende der Welt: Meine Lieblingspost befindet sich nämlich in einem abgelegenen Dorf auf einem Hügel. Als ich diese zum ersten Mal betrat, wurde ich nett begrüsst und sofort bedient. Es schien, als hätte man auf mich gewartet – nicht umgekehrt!

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Vom Schlangenstehen in der SchneckenpostSarah Coppola-Weber ist gebürtige Ostschweizerin mit italienischem Pass. Sie lebt mit einem neapolitanischen Ehemann, zwei Töchtern (14 und 11) und einem Sohn (7) seit 17 Jahren in der Nähe von La Spezia. Für “Die Angelones” schreibt die angehende Doula über Familien -, Gesundheits- und Ernährungsthemen und lässt dabei die LeserInnen am facettenreichen italienischen Alltag teilhaben, wo der Ausnahmezustand oft an der Tagesordnung und von „dolce far niente“ keine Spur ist!

Mehr über Sarah und ihre Familie erfährt ihr in im spannenden Interview, das wir mit ihr führen durften!

Seid gespannt auf Sarahs nächster Bericht, in welchem sie uns erzählen wird, warum das italienische Gesundheitssystem besser ist als sein Ruf!

Sarahs bisher erschienene Beiträge könnt ihr hier nachlesen:


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