Seit knapp zwei Wochen fliegt Henry Cavill als Superman in Man of Steel über die deutschen Leinwände und finanziell gesehen ist der Streifen ein voller Erfolg, mit dem Warner Bros. endlich einen Superhelden-Streifen vorlegt, der an den Kinokassen funktioniert und in dem nicht ein Mann im Fledermaus-Kostüm die Hauptrolle spielt. Eine Fortsetzung von MoS ist schon beschlossene Sache und damit auch ein Grundstein dafür gelegt, dass weitere DC-Superhelden den Weg ins Kino finden und schlussendlich ein Team-Up-Film Justice League Realität werden kann. Nun ist wirtschaftlicher Erfolg zwar sehr wichtig, doch als Fan interessiert man sich primär natürlich für die inhaltliche Qualität. Werfen wir also einen Blick darauf, was Man of Steel in dieser Hinsicht zu bieten hat.
Wieder einmal wird deutlich, wie stark die Reboots der letzten Jahre auf den Schultern ihrer Vorläufer stehen: Die Dark Knight-Trilogie konnte sich der Verlockung, den Joker gegen Batman antreten zu lassen, nur einen Film lang entziehen, für Star Trek Into Darkness griff mit Khan den Bösewicht aus Star Trek II wieder auf und gleich für den ersten Film der (wenn nach Warner Bros. geht) neuen Superman-Filmreihe setzt man auf einen Antagonisten, der in einem der früheren Filme bereits etabliert wurde. Dies wirkt auf den ersten Blick nicht sonderlich originell, macht jedoch im Kontext der Handlung von MoS durchaus Sinn, denn Goyer verlegt sich darauf, den Helden nicht zuletzt durch seinen Gegner zu definieren. Da beide aus der gleichen Welt stammen und daher über die gleichen Fähigkeiten verfügen, hätte aus Clark auch ein zweiter General Zod werden können, hätten ihm nicht vor allem seine irdischen Adoptiveltern nicht als moralischer Kompass gedient. Sehr schön arbeitet das Drehbuch zudem die Ambivalenz in der Figur Superman als Beschützer der Schwachen und zugleich Alien vom Planeten Krypton, vor dessen Machtfülle man sich absolut zu Recht fürchten kann, heraus. Erst indem er sich im Kampf gegen Zod und dessen Gefolge klar auf der Seite der Menschheit positioniert, kann der Held die Bedenken des US-Militärs gegenüber seiner Person zerstreuen. Vollständig jedoch nicht, wie in den letzten Minuten des Films deutlich wird. Die unbedingte Akzeptanz, die dem Helden früher direkt nach seinem Auftauchen zuteil wurde, stellt sich dieses Mal nicht ein, was ein deutlich realistischerer Ansatz für die Beantwortung der Frage ist, wie die Welt wohl auf die Existenz eines solch machtvollen Individuums reagieren würde. All dies erdet Superman in unserer Gegenwart, ohne ihn dabei zu demontieren und der Figur ihres Reizes zu berauben. Im Gegenteil: Die Art, wie Superman den Kampf gegen Zod schlussendlich für sich entscheidet, mag manchen Puristen vielleicht bitter aufstoßen, doch ist sie im Kontext der Handlung und damit der neuen Interpretation der Figur nur konsequent.
Henry Cavill überzeugt sowohl in seiner Darstellung als Clak Kent wie auch als Superman und ist sicherlich der beste Darsteller in der Rolle seit Christopher Reeve. Auch Michael Shannon liefert als General Zod eine gute Leistung ab. Beide können aber nicht zuletzt auch deshalb glänzen, weil Drehbuchautor Goyer sich für diese Figuren interessiert, was man beispielsweise von Lois Lane nicht sagen kann. Amy Adams gibt sich alle Mühe, doch leider stellt sich kein richtiges Lois Lane-Feeling ein, denn im Vergleich zur kessen und selbstbewussten Reporterin aus Lois & Clark ist die Art, wie die Figur in diesem Film gezeichnet wird, ein deutlicher Rückschritt. Die Figur des Parry White, immerhin mit Laurence Fishburne prominent besetzt, ist eigentlich nur Staffage, was auch für das Gefolge von Zod gilt und Antje Traue der Chance beraubt, wirklich Akzente setzen zu können. Die Kents (Kevin Costner und Diane Lane) kommen da wesentlich besser weg, wie auch Russell Crowe als Jor-El im Gedächtnis bleibt. Wenn Goyer wirklich Interesse an bestimmten Charakteren hat, profitieren diese davon. Vielleicht ist es aber auch so, dass es einfach zu viele Figuren in diesem Film gibt und sich der Autor daher dafür entschieden hat, sich vorerst auf einige zu konzentrieren und wiederkehrende Charaktere in einer Fortsetzung näher zu beleuchten.Wir werden sehen.
Zack Snyder wurde von Warner Bros. nicht ohne Grund als Regisseur für diesen Film ausgewählt, denn ihm haftet seit 300 das Image an, Figuren in epischer Weise in Szene setzen zu können. Da ist es geradezu ironisch, dass MoS immer dann am besten ist, wenn es um den bodenständigen und von Zweifeln geplagten Clark geht. Dessen Konflikt, einerseits helfen zu wollen, doch andererseits die eigenen Fähigkeiten nicht offen zeigen zu dürfen, um nicht von der Gesellschaft abgelehnt, gehasst und/oder verfolgt zu werden, fängt Snyders Kamera in nachklingenden Bildern ein, doch wenn der in Kansas aufgewachsene Kryptonier endgültig zum Superman wird, schafft der Regisseur es nicht, stilistisch umzuschalten und den Helden ab dann als übergroße Figur zu inszenieren. Die Kämpfe zwischen Supes, Zod und Co sind zwar Zerstörungsorgien erster Güte, doch die Bilder von durch die Gegend geschleuderten Superwesen nutzen sich schnell ab. Was fehlt, sind jene Momente die menschlich betroffen machen und in denen Superman zeigt, dass er nicht nur ein großer Kämpfer oder Beschützer ist, sondern auch ein Helfer. Immerhin gehen jede Menge Schäden auch auf sein Konto. Früher hätte man gezeigt, wie Superman aus Verantwortung beim Wiederaufbau hilft oder in einer kurzen Ansprache seine Unterstützung zusagt. Klar, das wäre Pathos und irgendwie altmodisch, doch wie jemand in einer anderen Comicverfilmung so schön sagte: "Die Menschen können aktuell etwas "altmodisch" ganz gut gebrauchen". Was der Film ebenfalls gut hätte gebrauchen können, wäre etwas mehr Witz und Ironie gewesen. Auch die jüngste Batman-Trilogie war düster, doch es gab immer wieder auflockernde Momente und One-Liner ("Gibt's den auch in schwarz?"). In MoS hat man in dieser Hinsicht doch arg gespart. Erfrischend ist hingegen, dass man die Origin Story nicht strikt linear erzählt, sondern in Flashbacks immer wieder auf einschneidende Momente in der Jugend von Clark Bezug genommen wird. Das sorgt für Abwechslung und hält zugleich die Aufmerksamkeit hoch.
Wenn es eine Sache gibt, die an Man of Steel wirklich einfach entsetzlich ist, dann ist es die Musik. Der Soundtrack von Hans Zimmer ist einfallslos, eintönig und dem bekannten Komponisten unwürdig. Man mag kaum glauben, dass es wirklich Zimmer ist, der für den Score verantwortlich zeichnet. Dass der Maestro nicht einmal die klassische Superman-Hymne von John Williams aufgriffen hat, ist eine unverzeihliche Unterlassungssünde. Wäre Michael Giacchino bei den Star Trek-Filmen so verfahren, die Fans hätten ihm den Kopf abgerissen.
Mit Man of Steel hat sich Superman endlich wieder auf der Leinwand zurückgemeldet und gezeigt, dass er auch im 21. Jahrhundert immer noch relevant sein kann, wenn die Filmemacher ihn und seine Mythologie Ernst nehmen und für das aktuelle Publikum in moderner Weise interpretieren. Bei aller Kritik ist Man of Steel ein sehr sehenswerter Film, der nicht nur Comicfans anspricht. Sehr lange hat Warner Bros./DC Comics dem Konkurrenten Disney/Marvel das Feld der Comicadaptionen nahezu komplett überlassen. Doch nun sieht es so aus, als würde die erfolgreiche Rückkehr von Superman als Motor für eine Reihe von DC-Projekten bedeuten, die seit einiger Zeit auf Eis liegen. Man darf also gespannt sein, was die nächsten Jahre so bringen werden.
Man of Steel läuft seit dem 20. Juni 2013 in den deutschen Kinos.