Vom Nutzen der okkupierten occupy-Bewegung

Von Stefan Sasse
Viele Redakteure und Blogger stellen derzeit fest, dass die occupy-Bewegung in Deutschland eigentlich nur Freunde und keine Gegner hat. Von Angela Merkel bis Sahra Wagenknecht erklären sich alle Politiker solidarisch, die meisten Zeitungen berichten wohlwollend und praktisch niemand stimmt Joachim Gauck in dessen unsäglich alberner Einschätzung zu. Bei vielen Beobachtern breitet sich Unbehagen darüber aus, dass etwa Merkel im Brustton der Überzeugung erklärt, die Ziele der Bewegung zu teilen und ihnen gleichsam zuzuarbeiten. Stellvertretend für diese Sicht könnte ein Zeit-Artikel stehen, der dieses Paradox noch einmal zusammenfasst. Selbst die NPD hat an ihre Mitglieder mittlerweile die Losung ausgegeben, occupy "zu okkupieren" - ein wahrlich tiefsinniges Wortspiel, zumindest für die NPD. Ist das aber tatsächlich ein solches Problem, wie viele behaupten? 
In den USA, wo die Bewegung ihren massentauglichen Ursprung nahm, ist "occupy" tatsächlich deutlich polarisierender als hierzulande. Kein Tea-Party-Gänger würde sich dort sehen lassen, obwohl die Ziele sich auch dort teilweise überschneiden. Fox und die anderen rechten Medien feuern aus Breitsalven, und die republikanischen Kandidaten überbieten sich mit Deutungen über die kommunistische Unterwanderung durch occupy. Nichts davon in Deutschland; selbst die FDP hat verständnis- und salbungsvolle Lippenbekenntnisse abgebeben. Viele sind sich darin einig, dass das eine große Gefahr für occupy ist: die Umarmung besonders durch die CDU bedeutet eine völlige Verwässerung und gefährdet jeglichen Erfolg. Ich würde dieser Ansicht widersprechen wollen. Es ist durchaus möglich, dass diese Merkel'sche Umarmung das beste ist, was occupy passieren konnte. 
Wir haben bereits im Falle Fukushima gesehen, wie bereitwillig Merkel alte Grundsätze über Bord wirft und sich sogar mit mächtigen Lobbyisten anlegt, wenn sie der Überzeugung ist, dass es dem Machterhalt dient. Wenn das nun angesichts der breiten Unterstützung für occupy bedeutet, Position gegen die Banken zu beziehen wird sie es eben tun. Natürlich wird dies dazu führen, dass die Ziele der Bewegung verwässert und in den Mühlen der Politik erst einmal kleingemahlen werden, bevor sie in einer relativ harmlosen Version durchgeführt werden. Nur: ist das wirklich so schlecht? Wäre uns besser gedient, wenn eine scharfe Gegenreaktion zu occupy stattfinden würde, ähnlich in den USA? Ich habe lieber ein bisschen mehr Regulierung als gar keine. Denn was beide Seiten gerne im Fall solcher Umarmungen übersehen: egal wie heuchlerisch ein Bündnis mit solchen gesellschaftlichen Kräften auch sein mag, wer sich einmal gemein gemacht und die Ziele offiziell übernommen hat, der wird sie nie wieder los. 
Als sich die CDU zum Umweltschutz bekannte, damals irgendwann in den späten 1980er Jahren, da nahm sie das nicht so ernst wie die Grünen, und sie half der Industrie wo sie konnte. Nur, Umweltschutz gab es trotzdem. Wenn die CDU nun reguliert und den Banken entgegenkommt, hat sie trotzdem reguliert. Das ist Fortschritt auf Raten. Die CDU öffnet in diesem Fall ein Tor, das andere später zur Gänze durchschreiten könnten. Etwa, sagen wir, nach der Bundestagswahl 2013. Und das ist so schlecht nicht. Es ist die Funktionsweise einer parlamentarischen Demokratie.

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