Vom eigenen Scheitern oder wie schnell eine Tour vorbei sein kann
Aktuell denken einige Leser bestimmt, ich sei noch unterwegs auf dem „Bergischen Weg“. Dem ist leider nicht so. Wir mussten die Tour nach nur 24 Stunden abbrechen. Warum, das erfahrt ihr in diesem Artikel.
Voranstellen möchte ich, dass dies keine Entschuldigung für eigene Fehler ist. Dass ich diese selbst gemacht habe, ist mir klar und diese Verantwortung liegt einzig bei mir. Ich möchte nur, dass andere, die eine ähnliche Tour angehen wollen, aus meinen Fehlern lernen.
Vor einiger Zeit kam ich auf die Idee, eine Wandertour direkt bei mir daheim zu beginnen. Durch die vielen Runden mit dem Hund, sind mir der Bergische Weg und der Neanderlandsteig besonders aufgefallen. Als Wuppertaler fiel dann die Entscheidung nicht sonderlich schwer.
262 Kilometer ist der Bergische Weg lang und führt von Essen bis nach Königswinter. Da die Gastronomie- und Hotelinfrastruktur auf einigen Etappen nicht wirklich vorhanden zu sein schien, wurde schnell klar, dass ich mit dem Hund weite Strecken komplett autark, würde erledigen müssen. Das hieß aber auch im Wald biwakieren und Nahrung für Hund und Herrchen zu transportieren.
Da Nelly inzwischen über zehn Jahre alt ist, wollte ich ihr keine Hundepacktasche mehr aufbürden. Daher kam nur ich als Lastenesel in Frage. Noch am Sonntag vor dem Start der Tour wurde am Gepäck geschraubt, dass es auf knapp über 25 Kilo brachte. Das war schon an dem Sonntag richtig heavy.
Am Montag ging es dann in Essen los. Hier fing es direkt mit Problemen an. Nachdem wir den Baldeney-See überquert hatten, mussten wir einen Teil der Strecke durch bebautes Gebiet am S-Bahnhof Kupferdreh durchqueren. Dort liess uns immer wieder das Wanderzeichen im Stich und die Strecke war mit Bauzäunen verrammelt. Dann war ein Streckenstück gesperrt und die Alternativstrecke nicht ausgeschildert. Wir sind dann die gesperrte Strecke gelaufen und die war aufgrund von umgestürzten Bäumen richtig fordernd.
Hier merkte ich dann zum ersten Mal Schmerzen im linken Hüftgelenk. Da ich die Tour ja unbedingt mit Barfußschuhe laufen wollte, hatte ich auch nur solche dabei und keine Alternative. Der Bewegungsablauf liegt hier nunmal auf dem Vorderfuß. Die Zehen-, Fuß- und Kniegelenke müssen die Dämpfung übernehmen. Durch die rapide Ermüdung schlampte ich im Bewegungsablauf und die ganze Kraft landete auf der Hüfte.
Das nächste Problem mit den Barfußschuhen war die Wegbeschaffenheit. Knöcheltief landeten die Füße im Schlamm. Gummistiefel oder wenigstens hohe Wanderstiefel wären hier deutlich besser gewesen. Die FiveFingers waren deutlich die schlechtere Wahl, da sie über Nacht auch nicht trockneten.
Am Ende des Tages hatten wir dann zwanzig Kilometer geschafft. Ein letzter kräftiger Regenschauer hatte die Stimmung deutlich gedrückt und das nächste Hotel war noch Kilometer entfernt. So mussten wir mit einem Biwak vorlieb nehmen. Das Tarp war schnell aufgebaut. Isomatte und Schalfsack hinein und aus den nassen Klamotten raus. Diese sah aus, als seinen wir schon wochenlang unterwegs gewesen.
Aufgrund der Nässe konnte der Hobo auch nicht befeuert werden und so blieb die Outdoor-Küche kalt. Da ich echt hinüber war, suchte ich schnell den Schlafsack auf. Diesen hatte ich in der Woche zuvor draußen ohne Tarp genutzt und für gut befunden.
Doch leider fiel die Temperatur in der Nacht unter die Limit-Temperatur des Herstellers. So kroch die Kälte über diverse Kältebrücken in den Schlafsack. Hatte ich gerade eine geschlossen, bildete sich eine neue. Auch merkte ich, dass ich bei der Vorbereitung des Untergrundes beim Aufbau geschlampt hatte. Immer wieder lag ich auf kleineren Dellen oder Kuhlen und ein ums andere Mal rutschte ich von der Isomatte.
Die eindringende Kälte ließ meine Muskel bei bestimmten Bewegungen mit Krämpfen reagieren. Und irgendwann in der Nacht kam mir die Idee, die Rettungsdecke aus dem Erste-Hilfe-Pack zu verwenden. Hier merkte ich eine deutliche Verbesserung der Wärmesituation und fiel für zwei Stunden in einen Halbschlaf. Erholsam war das nicht und am Morgen fühlte ich mich noch beschissener als am Abend.
Der Abbau des Biwak erfolgte dann auch eher nach dem Motto: Ein Zombie schlurfte durch den Wald! Und als der volle Rucksack auf meinen Schultern lag, fühlte ich nur Schmerzen. Die FiveFingers wurden durch SoleRunner ersetzt und die liefen direkt bei der nächsten tiefen Pfütze voll Wasser und deren Sohle hatte einfach nicht den Grip wie die FiveFingers und so rutschte ich den nächsten Anstieg mehr hinunter, als dass es bergauf ging. Sofort meldete sich mein Hüftgelenk wieder.
Da stand ich nun im Wald und war am Ende! Ich hatte definitv keine Kraft mehr – weder körperlich und mental. Tränen liefen über mein Gesicht – mehr aus Wut als aus Schwäche. Wut darüber, wie sehr ich mich selbst überschätzt und welche Fehler ich gemacht hatte. Ich gab auf, schleppte mich zu nächsten Straße und ließ mich von dort abholen.
Jetzt sind gut 24 Stunden seit dem Abbruch vergangen und immer noch schmerzt der Körper an etlichen Stellen. Im Nachgang muss ich auch sagen, dass ich mir am Wochenende, direkt vor der Tour, einen Kampfsport-Lehrgang gegönnt hatte. Auch der hatte deutliche Spuren hinterlassen. Dann noch die Tour mit den schwierigen Begleitumständen. Ich kann gerade nicht sagen, welcher blaue Fleck jetzt von der Tour oder vom Lehrgang ist.
Als Fazit aus diesem Erlebnis muss ich klar erkennen, dass ich keine zwanzig mehr bin. Meine eigene Leistungs- und Leidensfähigkeit ist nur begrenzt. Und die Planung muss noch besser werden. Sowie die körperlichen Grenzen ganz klar im Auge behalten werden müssen.
Nelly hat sich da deutlich besser geschlagen, aber ein leichtes Humpeln war am Dienstag bemerkbar und auch sie hat an diesem Tag lieber auf dem Sofa gepennt, als mit mir raus zu gehen.
So werden die nächsten Touren von uns zwei alten Tanten doch deutlich genügsamer ausfallen müssen.