Ausgelaugt. Erschöpft. Übermüdet. Ich schalte in den Überlebensmodus, funktioniere nur noch eben gerade so gut, dass der Alltag mit all seinem Drumherum nicht vollends zusammenbricht. Doch mehr geht nicht. Nur langsam braute es sich zusammen, wurde ignoriert, weil es nicht anders ging. Es muss schließlich weitergehen, nicht wahr? Bis plötzlich der Tag kam, an dem alles zusammenzubrechen schien. Der Tag, an dem ich mich aufgebraucht und leer fühlte. Der emotionale Knockout. Wer wochenlang nur noch wie ein Geisterschiff durch den Alltag schippert, dem droht die Gefahr unterzugehen. Schlagartig ist kein Land mehr in Sicht. Der Versuch, einen Gang zurückzuschalten, ist kaum möglich und genau das brachte das Fass zum Überlaufen. Ich kam an einen Punkt, an dem ich jederzeit auf Knopfdruck hätte losheulen können und mich am liebsten nur in einer stillen Ecke verkrochen hätte. Doch diese Ecke war nicht zu finden.
Die letzten Wochen glichen einer emotionalen Achterbahnfahrt. Mein Mann war geschäftlich extrem viel unterwegs, wir drei auf uns allein gestellt. Noch extremer waren die Gefühlsausbrüche meiner Tochter, die unwahrscheinlich an meiner Kraft zehren. Morgens beim Anziehen, mittags beim Abholen und immer wieder, wenn irgendetwas schief lief. Den ganzen Tag über muss man jedes Wort auf die Goldwaage legen, um nicht einen weiteren Wutsturm heraufzubeschwören. Auch die Abende mit zwei Kindern, die beide Einschlafbegleitung benötigen, erfordern viel Energie. Energie, die ich nicht mehr hatte.
Da mussten wir alle durch
Wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, und ich ehrlich darauf antworte, ist es vielen Leuten zu lästig, zu unangenehm. „Was hast Du denn überhaupt für Stress? Du gehst ja nicht einmal arbeiten“ oder „Ich weiß gar nicht, was Du hast. Dir geht es doch gut, Du hast doch alles, was man sich nur wünschen kann.“ Ja, das stimmt. Ich muss nicht arbeiten gehen und das ist purer Luxus. Uns geht es gut und dafür bin ich von Herzen dankbar. Aber sind diese Dinge ein Garant dafür, dass man ein stressfreies Leben hat? Wird das, was eine Mutter 24/7 für ihre Familie tut, tatsächlich als Nebensächlichkeit gewertet? Wer mich kennt, weiß dass ich meine Familie über alle Maßen liebe und dennoch ist der Alltag nicht selten anstrengend – und das darf auch ruhig mal gesagt werden, ohne dass man dafür schräg angeguckt wird. Viele vergessen dabei auch gern meine chronische Erkrankung, nur weil diese unsichtbar ist. In Wirklichkeit ist diese aber einer der Hauptgründe für mein dünnes Nervenkostüm. Wenn ich jemandem anvertraue, dass die heftigen Wutanfälle meiner Kinder extrem an meinen Nerven zerren, meine ich das genau so wie ich es sage und brauche dann keine Antworten wie „Da mussten wir alle durch“. Oder wenn ich vom täglichen Kampf mit den Hausaufgaben erzähle, höre ich Dinge wie „Glaubst Du, bei uns war das anders?“ oder „Stell Dich mal nicht so an“. Einige denken, dass ich mir von den Kindern auf der Nase herumtanzen lasse, dass ich „härter durchgreifen“ müsse. Tatsächlich ist es aber doch so, dass niemand, der nicht selbst mit Dingen wie affektiver Dysregulation oder Hochbegabung konfrontiert wurde, auch nur den Hauch einer Ahnung hat, was das überhaupt bedeutet. Und überhaupt: Niemand weiß, welche Kämpfe ein anderer Mensch tagtäglich durchlebt. Unbeteiligte erleben immer nur Momentaufnahmen aus dem Leben eines anderen, die einem kein Urteil erlauben sollten.
Die schlechteste Mutter der Welt
Und als ob die Meinung Außenstehender nicht schon schlimm genug wäre, kommen noch die Selbstzweifel hinzu. Die körperliche und emotionale Erschöpfung zieht einen riesigen Rattenschwanz hinter sich her. Viel zu oft fahre ich aus der Haut – eine entspannte Atmosphäre zu schaffen, will mir nicht immer gelingen. Der Alltag läuft holprig. Mein Verstand hat auf Autopilot umgestellt und häufig tue ich nur das, was nötig ist. Doch für mehr reicht es oft nicht. Und weil man nicht mehr so funktioniert wie bisher, machen sich schnell Schuldgefühle breit.
Mit einem Bein im Eltern-Burnout?
Ob dies schon der Fall ist, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Tatsächlich kann ein Burnout jeden treffen. Ganz gleich ob Schüler, Studenten, Arbeitnehmer und sogar Arbeitslose und Rentner – immer mehr Menschen erkranken daran. Aber ein Eltern-Burnout? Gibt es das überhaupt? Ja, auch das kommt immer häufiger vor. Ich habe in den letzten Wochen viel darüber gelesen, unter anderem diesen Artikel, in dem auch ein Selbsttest zu finden ist. Wichtig ist, auf die möglichen Anzeichen zu achten und vor allem auch sich selbst einzugestehen, dass sich etwas ändern muss. Am besten, bevor alles zum totalen Zusammenbruch kommt. Aber wie?
Die Reißleine ziehen
„Es kann helfen, Unterstützung von den Grosseltern einzuholen, Aufgaben klarer zu verteilen, Freizeitaktivitäten auf ein vernünftiges Mass zu reduzieren, das Essen notfalls auch mal aus der Tiefkühltruhe zu holen oder den Pizzakurier zu bestellen – kurz: ab und an weniger streng mit sich zu sein. Den betroffenen Müttern und Vätern fehlt es häufig an konkreter Hilfe seitens des Partners, bedingt durch dessen Arbeit oder ein traditionelles Rollenverständnis.“
Quelle: Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Nicht immer ist es möglich, sich Hilfe aus der Familie zu holen. Ich kenne einige Familien, die keine oder kaum Unterstützung von den Großeltern bekommen, weil diese teilweise krank sind oder sehr weit weg wohnen. Darüber kann ich mich nicht beschweren, unsere Omas sind gern im Einsatz. Sich eine Weile aus allem auszuklinken, was nicht unbedingt nötig ist, kann jedoch auch schon eine Hilfe sein. Es muss nicht eine Spielverabredung nach der anderen sein, es muss kein Fünf-Sterne-Menü sein, wo die Kinder ohnehin immer nur Nudeln essen wollen. Digital Detox kann ebenfalls guttun und auch was den Haushalt angeht, kann man ruhig mal Fünfe gerade sein lassen. Vor allem muss man sich von dem Gedanken frei machen, die perfekte Mutter sein zu wollen. Gut ist gut genug!
Manchmal darf man auch egoistisch sein
Das schlechte Gewissen schreit mich an. Doch wurde mir bewusst, dass eine kleine Auszeit wie ein rettender Anker sein würde. Manchmal hilft es, einfach seine Tasche zu packen, um eine Weile mit sich selbst allein zu sein. Nicht reden. Nicht kümmern. Außer um sich selbst. Batterien aufladen startet jetzt.
Ein Wochenende mit mir allein sein …Auch wenn das jetzt vielleicht egoistisch erscheinen mag, so ist es doch alles andere als das. Denn wenn ich ein wenig runterkommen kann, profitiert letztendlich die gesamte Familie davon. Zwei Tage reißen es vielleicht nicht raus, aber es ist ein kleiner Anfang. Wann habt Ihr Euch zum letzten Mal eine Auszeit gegönnt?