Von Stefan Sasse
Es war ein tapferer Versuch, das muss man der Regierung lassen. Tragisch, das in Japan, gewiss, aber deutsche Atomkraftwerke sind sicher. Zum Scheitern verurteilt war der Versuch natürlich auch, aber vielleicht hätte man es ja noch schaffen können, den Grünen den Schwarzen Peter zuzuschieben und sie als zynische Politikgewinnler darstellen zu können. Es ist gescheitert, die Grünen waren nicht so doof, in die Falle zu laufen. Schwarz-Gelb ist angesichts der dräuenden Landtagswahlen das Hemd näher als der Rock. Der Konsens mit der Atomwirtschaft, die schon fast einem Verhältnis von Prostituiertem und Freier gleichende Nähe (ohne dass es stets einfach gewesen wäre zu sagen wer eigentlich wer ist), all das ist plötzlich vom Tisch. Ohne falsche Illusionen: natürlich ordentlich zusammengefaltet in die Schublade, für die spätere Nutzung. Aber nichts destro trotz vom Tisch. Um das deutlich zu machen, hat man sich zu einem effektvollen wie praktisch irrelevanten Beschluss durchgerungen: die Laufzeitverlängerung wird für drei Monate ausgesetzt.
Wie man sich das in der Praxis vorstellen muss - eine Verlängerung für drei Monate aussetzen, aber danach weiterverlängern? - ist völlig irrelevant, hier geht es um den Symbolgehalt. Da die Regierung ohnehin ohnehin stark in die Kritik gekommen war, als sie sich einer billigen Nutte gleich der Atomindustrie zu Füßen warf, braucht es große Gesten. Je nach Bedarf kann man dann in drei Monaten einfach nichts tun (wenn sich die Lage beruhigt hat und niemand darauf achtet) oder die Verlängerung doch beenden und zum rot-grünen Kompromiss zurückkehren. Für die schwarz-gelbe Regierung wäre das natürlich eine Katastrophe, denn es hieße, dass die ganze bisherige Politik auf falschen Annahmen beruhte. Wahrscheinlicher ist deswegen, dass in drei Monaten ein oder zwei Uraltreaktoren abgeschalten werden, genug um einige der politisch nicht gut beratenen Atomgegner zufrieden zu stellen und den Kompromiss im Großen und Ganzen intakt zu lassen. Mit einem solchen Bauernopfer können die Stromkonzerne sicher auch gut leben.
Der Regierung könnten aber beide Maßnahmen das politische Überleben sichern: einen weiteren Absturz bei den Landtagswahlen durch das Atomthema will man in jedem Fall vermeiden. Der Albtraum im Stuttgarter Landtag sind gerade sicherlich Menschenketten von bürgerlichen CDU-Stammwählern, die zusammen mit Rastalocken-Grünen von Neckarwestheim bis zum Bodensee schunkeln. Diese Bilder müssen unbedingt vermieden werden, und deswegen lässt die Regierung nichts unversucht um all jene zuhause zu halten, die normalerweise nicht demonstrieren würden und die solche Ereignisse wie Japan oder S21 brauchen, um auf die Straße zu gehen. Gelingt das, können die oralen Sturmgeschütze aus der Garage geholt und hemmungslos gegen die grüne Protestkultur und organisierte Verantwortungslosigkeit irgendwelcher Autonomen geholzt werden. Ein weiteres S21-PR-Desaster, dieses Mal kaum zwei Wochen vor den Landtagswahlen statt einem halben Jahr - das hätte das Zeug, Mappus das Genick zu brechen, den freien Fall der CDU in Rheinland-Pfalz und anderswo zu beschleunigen und NRW eine rot-grüne Mehrheit bei Neuwahlen zu bescheren. Während die CDU damit im Bund leben könnte, wäre es für die FDP das Ende. Sie wäre Junior-Junior-Partner einer ganz großen Koalition, durch die Gewehr bei Fuß stehenden Sozialdemokraten in die Bedeutungslosigkeit gedrängt.