Vollbart, Bauch und Pandemie

Die Auswirkungen der Coronakrise sind enorm. Menschen erkranken schwer und viele sterben auch daran. Die Wirtschaft steht still und Selbstständige sehen zu, wie die Reserven, die sich mühsam aufgebaut haben, von Tag zu Tag schmelzen. Über all diese wirklich schlimmen Fakten berichten Medien aus aller Welt in Endlosschleife. Die Aufarbeitung solcher Themen ist nicht meine Aufgabe. Ich möchte mich daher heute mit einem ganz banalen Problem auseinandersetzen. Wenn Barbiere und Fitnesscenter gleichzeitig schließen und auch die Sportvereine erst einmal Pause machen, dann führt das zu einer Sache an zwei Stellen. Wachstum.

Homeoffice

Wo es möglich ist verrichtet man heute seine wichtigen Aufgaben in Homeoffice. Direkt neben dem Bett wartet das Notebook darauf, dass man die Geschehnisse der letzten Stunden verarbeitet hat und der Körper sich fit für einen neuen Tag fühlt. Aufsetzen, den Sand aus den Augen reiben und den Einschaltknopf am Notebook drücken. So schnell war man früher nicht im Büro. Aber die Fahrt zur und von der Arbeit hat auch Vorteile. So kann man die Welten trennen und Büro und Schlafzimmer zu unterschiedlichen Tageszeiten besiedeln. Aber auch körperlich bleibt einiges auf der Strecke.

Kalorien

Treppen runter, rein ins Auto und mit schnellen Schritten durchs Büro. Auch bei sitzenden Tätigkeiten bewegt man sich den ganzen Tag. Im Homeoffice sind die Wege kürzer und weniger fordernd. Ein Problem für den Energiehaushalt. Ausgabenseitig kommt es zu dramatischen Kürzungen. Dafür steigt die Einnahmenseite. Je nachdem, wo man sein provisorische Bürozelt aufgeschlagen hat ist der Weg zum Kühlschrank nicht zu weit. Von einmal unmotiviert nach rechts kippen, oder den Arm ausstrecken bis zu fünfzehn Schritte durch die Wohnung, ist möglich. Und weil man nicht so oft raus soll macht man einen Wocheneinkauf. Das ist das Gegenteil von künstlicher Verknappung. Der Kühlschrank ist zum Bersten voll.

Gewinnwarnung

Die Einnahmenseite bei der Kalorienbilanz überwiegt also dramatisch. Dass vom Wocheneinkauf nach 3 Tagen nichts mehr übrig ist, ist nur eine der Folgen. Viel dramatischer ist die Reaktion unseres Körpers. Der freut sich über die Extranährstoffe und lagert sie erst mal ein. Er gewöhnt sich an die goldenen Zeiten und treibt uns daher immer öfter zum Kühlschrank. Gleichzeitig spannt das Business-Hemd, das man über der Boxershort für die Videokonferenz überstreift. Gut, aber was genau hat das jetzt mit dem Vollbart zu tun und warum mache ich es hier zum Thema?

Vollbart

Der Vollbart hat viele gute Seiten. Eine davon kennen wir Bartträger ganz besonders gut. Es ist die Oberseite. Blickt man nach unten, dann nimmt man sie wahr. Im unteren Bereich spielt der Vollbart also die Hauptrolle in der Rahmenhandlung. Am unteren Bildrand erkennt man deutlich den Bartwuchs. Ein Grund dafür, dass ein gesenkter Blick bei einem Vollbartträgetr kein schlechtes Zeichen ist. Er erfreut sich nur am Anblick seines besten Stücks. Und bei dieser zweideutigen Bezeichnung möchte ich gleich einhaken. Also beim Vollbart meine ich. Das Problem ist, dass den Barbieren aktuell ihre Handwerkskunst verboten wird.

Gesichtsfeld

Jetzt ergeben sich also zwei Umstände. Um die Körpermitte sammelt der Körper fleissig wertvolle Nährstoffe und arbeitet am Abbild des Michelin-Mannes. Weiter oben wächst ein Vollbart in Sphären, in die er im geregelten Alltag ausserhalb von Pandemien nicht wachsen darf. Das schrenkt Tag für Tag das Sichtfeld des Bartträgers immer weiter ein. Was bei gesenktem Kopf am unterem Bildrand begann wird formatfüllend. Aber auch, wenn ein Vorbeischauen noch möglch ist, gibt es zwei Probleme. Eines ist die Tiefenschärfe. Man muss sich entscheiden, was man sehen will. Den Bart, oder die Füsse. Abseits aller fetischen Veranlagungen ist die Entscheidung da ja wohl klar. Das zweite ist eben diese Entscheidung. Der Bart sieht nun mal auch von oben verdammt gut aus. Also bleiben die Blicke daran hängen.

Aus den Augen

Also gibt es mit Fortschreiten der Kontaktbeschränkungen einen immer größer werdenden Bereich vor den eigenen Füßen, der zuwächst. Nicht weiter schlimm und auf jeden eine Bereicherung für jedes Gesichtsfeld, aber Du solltest etwas wissen. Hinter all den Barthaaren, die sich da ein neues Revier erobern, solange Dein Barber geschlossen hat, gibt es noch weitere Körperteile. Wächst die Plauze dank Corona in die Länge, dann kann es vorkommen, dass der Vollbart den Mantel des Schweigens über die unerwünschte Entwicklung legt. Aber auch wenn Du unten rum ein vertrautes Bild siehst, ist das kein Grund sich zu entspannen.

Relativitätsbartwuchs

Man kennt sich selbst ja meistens recht gut. So weiß man, dass beim Blick nach unten von unten nach oben Nasenspitze, Vollbart, Bauch und der Rest der Welt im Bild sind. Jetzt kann es vorkommen, dass sich das Bild nicht verändert. Das Bäuchlein ragt ein klein wenig über den Vollbart raus. Nicht schlimm. War ja immer so. Aber Vorsicht! Auch der Bart ist gewachsen. Passt die Relation, dann können das in absoluten Zahlen zehn, oder mehr Kilogramm sein. Wo bisher der Blick senkrecht nach unten verlaufen ist, da sind es jetzt 45°, die man schäg nach vorne schaut. In Abhängigkeit der Körperhöhe kann ein vetrautes Bild bedeuten, dass der Bauch 70-90cm weiter vorne endet, als früher.

Zweite Meinung

Auf jeden Fall darf man sich nicht auf die Sichtkontrolle verlassen. Hier ist das Bezugssystem Vollbart nach Wochen ohne Barbier etwas aus dem Rahmen gefallen. Man darf sich hier nicht nur auf den Blick nach unten verlassen! Eine ehrliche Mitbewohnerin, oder ein Spiegel können hier Klarheit schaffen. Ein prüfender Blick auf das eigene Profil offenbart das objektive Wachstum der Körpermitte. Auch eine Körperwaage kann als Unterstützung herangezogen werden. Stehen Mitbewohnerin, Spiegel und Waage nicht zur Verfügung, dann hilft nur noch eines. Man teilt den Vollbart mit den Fingern beider Hände in zwei Hälften und hebt ihn vorsichtig zur Seite. Sieht man dann plötzlich Körperregionen, deren Proportionen sich zu ihrem Nachteil verändert haben, dann sollte man damit beginnen, den Wocheneinkauf über sieben Tage zu konsumieren. Viel Glück dabei und bleib gesund!


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