Voll daneben: Ice Age - Voll verschoben

 

Voll daneben: “Ice Age: Voll verschoben”

© 20th Century Fox / Urzeit-Faultier Sid mit Mammuth Manni und Säbelzahntiger Diego in “Ice Age: Voll verschoben”

 

Eigentlich müssten Manni, Diego und Sid schon längst ausgestorben sein, so viele urzeitliche Abenteuer haben die drei Freunde – ein Mammuth, ein Säbelzahntiger und ein Urzeit-Faultier – bereits erlebt. Erst mussten sich die drei Freunde um ein kleines Menschenkind kümmern, dann drohte ihnen die Schmelzwasserüberflutung am Ende der Eiszeit und zuletzt entdeckten sie ein verborgenes Tal, in dem es noch Dinosaurier, allen voran einen gefährlichen Tyrannosaurus Rex, zu bestaunen gab. Derweil war Säbelzahn-Eichhörnchen Scrat stets auf der Jagd nach seinen geliebten Nüssen, die er jedoch niemals in die Finger bekam. Und so darf er auch im vierten Teil „Ice Age – Voll verschoben“ wieder auf die Jagd gehen, während Manni, Diego und Sid durch eine Kontinentalverschiebung von ihrer Herde, von ihre Familie und von ihren Freunden getrennt werden.

Natürlich ist daran nur Scrat Schuld, der mit seiner jüngsten Jagd nach der Nuss seines Begehrens bis zum Erdkern vordringt, diesen in Bewegung setzt und dadurch die Landmassen in Bewegung versetzt. Nachdem Manni, Diego und Sid von ihrem Zuhause getrennt werden, segeln sie auf einem Eisberg über die See. Dabei treffen sich nicht nur auf exotische Meereskreaturen – eine Riesenkrabbe und Fischmonster, die ihnen wie die Sirenen aus der griechischen Mythologie den Kopf verdrehen – sondern auch auf skrupellose Piraten, die gnadenlos Jagd auf die Freunde machen, nachdem diese, natürlich unabsichtlich, das Piratenschiff von Kapitän Utan versenken.

 

Voll daneben: “Ice Age: Voll verschoben”

Diego müht sich mit Sids Großmutter herum.

Bisher haben die Macher der „Ice Age“-Serie eigentlich konstant gute Filme abgeliefert, aber mit dieser Episode macht sich so langsam bemerkbar, dass ihnen die Ideen ausgehen. Obwohl die Prämisse, die Helden in den erdhistorischen Kontext der Kontinentalverschiebung zu setzen, eigentlich als einfallsreich und logisch erscheint, wird doch recht wenig hieraus gemacht. Der verzweifelte Versuch immer neue Geschichten um das ungewöhnliche Dreiergespann zu erzählen, gestaltet sich inzwischen offenbar so schwer, dass man den Fokus auf viele Nebenfiguren verteilt. Durch die immer größer werdende Herde aus unterschiedlichen Urzeittieren geht aber auch immer mehr der Charme verloren, vor allem wenn die Zuschauer nur noch wenig von den eigentlichen Hauptfiguren – in diesem Fall dem schrecklich zahm gewordene Diego und dem schusseligen, inzwischen viel zu albern geratenden Sid – mitbekommen. Ja, auch in anderen „Ice Age“-Filmen wurden Manni, Diego und Sid Figuren zur Seite gestellt, aber selten zuvor wurden sie so durch diese in den Hintergrund gespielt. Allenfalls Manni darf sich eigentlich noch Hauptfigur nennen, der mit seiner Familie und deren Freunden die Hauptthematiken des Films aufarbeitet. Ein Kurzauftritt von Sids Familie ist schnell vergessen, eine zurückgelassene Faultier-Oma wird, ähnlich wie Sid, nur für ein paar Albernheiten verwendet. Und Diego bekommt mit der Säbelzahntiger-Piraten Shira eine Liebschaft zugespielt, die sich an keiner Stelle nachvollziehbar oder glaubhaft fortentwickelt, am Ende aber dennoch vorhanden ist.

Aber zuvor trifft Rudelführer Manni mit seinen Mit-Schiffbrüchigen auf die Piratentruppe, bei denen sich eine unschöne Vermenschlichung zeigt, bei der nur noch wenig tierische Verhaltensweisen an den Tag gelegt werden. Selbst eine Schar kleiner urzeitlicher Hamster erschafft zum Ende des Films eine eigene Form der Freiheitsstatue und heißt die Tiere in der neuen Welt willkommen. Wenn man an den ersten Teil der Reihe zurückdenkt, wo die deutliche Unterscheidung von Tieren und Menschen stattgefunden hat, nicht zuletzt durch das kleine Kind, welches von den drei Freunden nach Hause gebracht werden sollte, hat sich „Ice Age“ schon lange von seiner charmanten Figurenzeichnung entfernt. Inzwischen präsentieren sich die Charaktere langweilig und mit unergründbaren Verhaltensweisen. Hierdurch wird ihr Handeln zu einem emotionslosen Durchlaufen der Geschichte, wodurch wenig Interesse an den Figuren erzeugt wird.

 

Voll daneben: “Ice Age: Voll verschoben”

Die Urzeit-Freibeuter unter der Leitung von Captain Utan.

Wenig Interesse zeigen auch die Filmemacher an ihrer eigentlichen Idee der Kontinentalverschiebung, die gerade einmal ausreicht um die Helden auf ihre Reise zu schicken. Danach ist diese Problematik für sie nicht weiter von Belang. Nur wenn die Handlung zu den Nebenprotagonisten wechselt, erfahren wir, dass diese von einer auf sie zu wandernden Wand verfolgt werden. Aber auch diese Flucht vor den Landmassen wird dazu genutzt, die Herdenzugehörigkeit – oder anders: die wahre Freundschaft – in den Mittelpunkt zu stellen. Das funktioniert bei Mannis Tochter Peaches und ihrem urzeitlichen Igelfreund Louie noch ganz gut, bleibt aber bei der restlichen Truppe auf der Strecke. Während die Piraten als Negativbeispiel für Zusammenhalt herhalten müssen, leiden leider auch hier Manni, Diego und Sids Figuren darunter, dass ihre Freundschaft weit davon entfernt ist auf der Leinwand wirklich präsent zu sein.

Es wäre ein kläglicher Abgesang für „Ice Age“, wenn dies das letzte Abenteuer bleiben würde. Vielleicht orientiert man sich irgendwann an einen ähnlichen Vertreter des Animationsfilms: „In einem Land vor unserer Zeit“ bewies seinerzeit ebenfalls eine starke Performance im Kino, bevor man sich mit etlichen Fortsetzungen auf den damaligen VHS- und heutigen DVD-Markt verabschiedete. Für „Ice Age“ sollte noch ein würdiges Kino-Ende geschaffen werden, bevor dieser Schritt vollzogen wird. Oder aber es muss einfach wirklich mal Schluss sein.

Denis Sasse


Voll daneben: “Ice Age: Voll verschoben”

“Ice Age: Voll verschoben“

 


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