© Universal Pictures International Germany GmbH / Jason Bateman & Melissa McCarthy in “Voll Abgezockt”
Wie gut kann es schon um eine Komödie bestellt sein, die aus der Feder eines Drehbuchautors (Craig Mazin) stammt, zu dessen bisherigen Werken vielsagende Titel wie „Scary Movie 3“, „Superhero Movie“ oder die eher lahme und einfallslose Fortsetzung „The Hangover 2“ zählen? Nicht einmal ein halbwegs kompetenter Regisseur wie Seth Gordon, der mit „The King of Kong“ eine wahrlich sehenswerte Dokumentationsarbeit um das Bestreben den weltbesten High Score von „Donkey Kong“ zu brechen vorzuweisen hat, kann mit der Vorlage eines solch bescheidenen Drehbuchs etwas anfangen. Den Beweis liefert „Voll Abgezockt“. Hier hilft nicht einmal „Arrested Development“-Ikone Jason Bateman, den Gordon bei den Dreharbeiten zu „Kill the Boss“ in sein Schauspieler-Repertoire eingegliedert hat. Der Versuch, das „Bourne“-Motiv des Identitätsverlustes (Originaltitel des Films: „Identity Thief“) auf lustige Weise umzusetzen erweist sich als grandioses Scheitern im Komödiengenre.
Dabei hat man doch die seit „Brautalarm“ hoch dotierte Melissa McCarthy als Nebendarstellerin gewonnen. Sie mimt die Shopping Queen Diana, die sich in dem sonnigen Miami ganz ihrer Leidenschaft des Geldausgebens hingibt. Die Identität ihrer Kreditkarte erlaubt ihr den unerschöpflich finanziellen Luxus: Sie lebt unter falschen Namen als Sandy Bigelow Patterson, eine Identität die einem auf der anderen Seite Amerikas lebenden Kundenberater gehört. Dieser ist geradezu vor den Kopf gestoßen als er seine finanzielle Misere bemerkt, aber auch sein guter Ruf Gefahr läuft zu Nichte gemacht zu werden. Kurzentschlossen reist er nach Florida um die Identitätsdiebin zur Strecke zu bringen und sein Leben zurück zu bekommen. Aber Diana erweist sich als äußerst exzentrische Kratzbürste, die mit all ihrem Einfallsreichtum verzweifelt versucht, Herr über die lukrative Bigelow Patterson-Identität zu bleiben.
Jason Bateman
Natürlich ist von vornherein klar, dass Bateman und McCarthy am Ende als Freunde aus diesem Identitätsraub hervorkommen werden. Es ist die übliche Buddy-Komödie, bei der sich zwei grundverschiedene Menschen anfangs nicht ausstehen können, am Ende dann aber doch noch Freunde werden, weil sie einander verstehen. Da macht „Voll Abgezockt“ keine Ausnahme. In Diana bekommt der Zuschauer anfangs die unvernünftig, in Saus und Braus lebende Chaotin serviert, die mit ihrem ergaunerten Einkommen einer kompletten Bar-Kundenschaft die Getränke spendiert und sich über die Aufmerksamkeit erfreut, die ihr daraufhin entgegengebracht wird. Bis der Barmann ihr versichert: „Die mögen dich nur, weil du ihnen etwas schenkst. Menschen wie du haben eigentlich keine Freunde“. Nicht umsonst wechselt die Szenerie just in diesem Moment auf den zukünftigen Freund, Sandy Bigelow Patterson, den korrekten Familienvater, der mit zwei Kindern und einer Ehefrau mit einem dritten Kind noch im Bauch, die Vernunft in Person ist, die monatlichen Ein- und Ausgaben der Familie sorgsam überwacht. Somit braucht der Film gerade einmal die anfänglichen fünf Minuten um deutlich zu machen wohin die Reise gehen wird. Diana braucht dringend einen richtigen Freund, den sie sicherlich in Sandy finden wird. Das Motto lautet also einmal mehr: Der Weg ist das Ziel.
Leider gestalten sich sowohl Ziel wie auch Weg als eher konventionell inszeniert. Gerade in Bezug auf den präsentierten Humor, der zuallererst auf dem Unisex-Namen Sandy aufgebaut wird, verlässt man sich doch arg auf die Verweiblichung der männlichen Hauptfigur. Natürlich funktioniert der Name Sandy für Melissa McCarthy hervorragend, Jason Bateman wiederum kommt in seiner Rolle immer wieder in Erklärungsnot, wird immer wieder dazu gezwungen, auf die Männlichkeit seines Namens hinzuweisen. Das gipfelt bei Gesprächspartnern oftmals in Gelächter, Unverständnis und Irritation und macht einen leidlich großen Teil des „Voll Abgezockt“-Witzes aus. Des Weiteren spielt Bateman die immer selbe Figur, schon in „Kill the Boss“ oder „Wie ausgewechselt“ bewegt er sich in seiner stereotypen Comfort-Zone als biederer, mitten im Leben stehender und ordentlicher Normalo, der mit einer verrückten Person wie auch mit einer außergewöhnlichen Situation konfrontiert wird. Sei es die Tatsache, dass seine Freunde Jason Sudeikis und Charlie Day den Plan verfolgen einen Auftragskiller damit zu beauftragen ihre Vorgesetzten zu ermorden („Kill the Boss“) oder ein Körpertausch mit Ryan Reynolds („Wie ausgewechselt“), immer befindet sich Bateman in der defensiven Rolle des Skeptikers, der scheinbar nur notgedrungen an einem vorgegebenen Handlungsstrang teilnimmt. Das ist dann auch hier nicht anders.
Melissa McCarthy
So wie Jason Bateman in seiner Darstellungsform festhängt, so droht auch Melissa McCarthy ein Stereotyp aufgedrückt zu werden, welches sich nahe an ihrer Rolle aus „Brautalarm“ orientiert: die etwas füllige Schrulle, die nicht davor zurückschreckt den derben Fäkalhumor für die Weiblichkeit einzutauschen. Jegliche Liebenswürdigkeit geht dabei verloren, obgleich sie zum Ende noch einmal auf die Tränendrüse drücken darf um dann doch noch einmal zu zeigen, dass sie mehr kann als sich auf der Leinwand zu erbrechen, zu pupsen oder zu urinieren. Dann kommt die nette McCarthy heraus, die sich durch die „Gilmore Girls“ ein Image erbaut hat, welches dank Filmen wie diesem langsam aber sicher einzustürzen droht. Das hässliche Pummelchen, als solches wird sie inszeniert, wird auf ihren unter der Gürtellinie befindlichen Humor reduziert – völlig zu Unrecht. Da nutzt es „Voll Abgezockt“ nur wenig, dass man Diana eine Last auf die Schultern legt, die ihr Handeln erklären soll: Die Identitätsdiebin wurde in ihrer Kindheit von Heim zu Heim gereicht, wobei ihre eigene Identität irgendwann verloren gegangen ist. Sie wechselt ihre Persönlichkeiten, weil sie selbst nicht weiß wer sie überhaupt ist. Das macht ihr zu Schaffen und setzt ihr schwer zu, nur damit die Zuschauer am Ende doch noch ein wenig Mitleid mit dieser vulgären Dame haben können.
So grundverschiedene Personen Jason Bateman und Melissa McCarthy nun also spielen mögen, am Ende können sie sich dann natürlich trotzdem zusammen raufen. Eine kurze und knackige Geschichte, bei der jegliche Entwicklung einer Freundschaft fehlt. Es geht von Null auf 100, ohne das man die scheinbar wachsenden Sympathien füreinander zu spüren bekommt. Das reiht sich dann hervorragend in einen Film ein, der die Zuschauer allgemein nicht zu überfordern droht. So wirken die fehlenden Sympathiegefühle neben dem fehlenden Witz, den fehlenden Emotionen und den fehlenden guten Ideen geradezu im Einklang mit dem Gesamtwerk.
“Voll Abgezockt“