„Wir waren am Anfang eine Gruppe von vielleicht zehn Leuten und so gut wie keinem Budget. Am Ende haben wir 56.660 Menschen in diesem Land angesprochen. Das ist doch etwas. Und unsere Anliegen, nämlich dass Staat und Kirche getrennt gehören, werden jetzt breit diskutiert.“. Andreas Rathmanner vom Organisationsbüro bringt die Stimmung in seiner Ansprache bei der „Wahlparty“ des Volksbegehrens Montagnacht vermutlich am besten auf den Punkt. Viele Unterstützer haben sich mehr erhofft. Mehr erwartet hat fast niemand
„Ich habe damit gerechnet, dass es sich nur schwer ausgehen wird“, sagt Minitiator Niko Alm an diesem Abend in seinen zahlreichen Medieninterviews. „56.600 Menschen haben dieses direktdemokratische Element genutzt. Das ist eine ganze Menge.“ Das Volksbegehren trat für ein Verfassungsgesetz für eine klare Trennung von Staat und Kirche und für eine staatliche Aufklärung des kirchlichen Missbrauchsskandals ein.
Wirkliche Enttäuschung klingt anders
Wirkliche Enttäuschung klingt anders. Das könnte man als Zweckoptimismus oder Trotz abtun. Allein, auch bei fast allen Unterstützern bleibt auf der Wahlparty die große Traurigkeit aus. So viele Menschen habe man in Österreich noch nie gegen die Privilegien von Religionsgemeinschaften mobilisiert, heißt es von vielen. Und dass man die nötigen 100.000 Unterschriften klar verfehlt hat – das sei alles andere als eine Absage an die Ziele des Volksbegehrens.
Zweites Volksbegehren scheiterte ebenfalls
Auch das Volksbegehren „Demokratie jetzt“ scheiterte deutlich an der 100.000er-Hürde. Es kam auf knapp unter 70.000 Unterschriften. Anders als das Pendant gegen Kirchenprivilegien wurde es von prominenten Akteuren wie dem grünen Ex-Nationalrat und Ex-EU-Abgeordneten Johannes Voggenhuber, Ex-Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager und Ex-ÖVP-Chef und Ex-Wissenschaftsminister Erhard Busek getragen. In letzter Minute ließ sich sogar der amtierende Staatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) öffentlich zu einer Unterschrift mobilisieren.
Die Proponenten von „Demokratie jetzt“ können dem Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien in gewisser Hinsicht dankbar sein. Dass letzteres weniger Unterschriften bekam, verhindert, dass das Demokratievolksbegehren als schlechtestes Volksbegehren der Zweiten Republik in die Geschichte eingehen wird.
Politik nimmt Volksbegehren nicht ernst
Niko Alm formuliert, warum die Volksbegehren aus Sicht der Unterstützer beider Bewegungen gescheitert sind. Der Nationalrat, der erfolgreiche Begehren behandeln muss, habe die Anliegen so gut wie aller Volksbegehren „begraben. Wenn praktisch alle Volksbegehren nicht in dem Sinn behandelt werden, wie es vorgesehen ist, sondern nur abgehandelt werden, wundert es nicht, dass das Wahlvolk keine Lust verspürt, sich für eine Unterschrift aufs Amt zu begeben.“ Prominentes Beispiel ist das Bildungsvolksbegehren, das vor eineinhalb Jahren mehr als 430.000 Menschen unterschrieben. Konsequenzen: So gut wie keine.
Johannes Voggenhuber von „Demokratie jetzt“ formuliert es weniger diplomatisch. Der Umgang der Parteien mit dem Instrument an sich habe eine „unglaubliche Frustration“ bei der Wählerschaft gezeitigt, es sei „zugrunde gerichtet, entwertet“. Und die Medien „betrachten es nicht als ihre Pflicht, über Volksbegehren zu berichten“, kritisierte er gegenüber dem ORF die Kirche: Alles soll so bleiben, wie es ist.
Einzig die katholische Kirche interpretiert das Ergebnis als Zeichen, dass alle wollen, dass alles so weitergeht wie bisher. Sie war in den vergangenen drei Wochen publizistisch stark gegen das Volksbegehren aufgetreten, zuletzt am Freitag vergangener Woche. Laut dem hpd vorliegenden Schilderungen hetzten katholische Religionslehrer in Unterrichtsstunden gegen das Volksbegehren. Ein Spickzettel der Bischofskonferenz kursierte diskret unter befreundeten Journalisten, die die Formulierungen und Behauptungen dankbar übernahmen.
Sympathisanten erwarten Stärkung der säkularen Szene
Hans Christian Cars von der European Humanist Federation (EHF) sieht gegenüber dem hpd keinen Anlass zur Traurigkeit: „So viele Menschen wie nie haben in Österreich durch die Medienberichte erfahren, dass viele in Bezug auf kirchliche Privilegien und Religion anders denken. Das wird die Organisationen wie den Freidenkerbund nachhaltig stärken.“ Noch nie sei so breit über die Privilegien von Religionsgemeinschaften diskutiert worden wie in den vergangenen Wochen.
Ähnlich sieht es Gerhard Engelmayer, Vorsitzender des Freidenkerbundes. „Ich kann gar nicht zählen, wie viele Medienberichte es über das Volksbegehren und seine Anliegen gegeben hat. Allein über den Freidenkerbund hat es 30 Berichte gegeben, davon zehn im Fernsehen. Das wäre vor kurzem noch unvorstellbar gewesen.“
Ungeachtet des formalen Scheiterns rechnen Initiatoren und Unterstützer damit, dass die Debatte um religiöse Privilegien nicht beendet ist. Er werde weitermachen, kündigt etwa Niko Alm an. „Unsere Forderungen sind nicht erfüllt.“