Völkerball im Quotental

Der Sieger heißt Traumhochzeit! Als sich die schwedische Prinzessin Victoria und ihr Fitnesstrainer Daniel in Stockholm das Ja-Wort gaben, hatte die Weltmeisterschaft der Fußballspieler ihren Meister gefunden: Das deutsche Fernsehvolk votierte eindeutig für die Märchentrauung und gegen die Tröten-WM in Südafrika, die selbst von eingefleischten Anhängern als "die schwächste seit langen, mit unmöglichen Schiris, infernalischem Lärm, schwachen Leistungen und miesem Wetter" gesehen wird.
Aus dem "Fussballfieber", das ein Heer an Auftragsschreibern schon Wochen vor dem Beginn des Turnier herbeizubeten versuchte, um damit das Konsumklima aufzumöbeln, ist der große Kicker-Katzenjammer geworden. Statt Sommermärchen mit vollbesetzten Public-Viewing-Meilen erlebt die Welt die Mühen der Fußballebene. Kampfsiege und herbeigelangweile Unentschieden dominieren, die Favoriten schwächeln, die vermeintlich Kleinen aber zum Glück noch mehr.
Auch für die Fernsehsender, denen das Fußballweltereignis die Bilanz für das ganze Jahr retten muss, fing alles nur prima an. Das Eröffnungsspiel im Ersten zwischen dem Gastgeber und Mexiko sahen im Schnitt 8,68 Millionen- fast eine Million mehr als bei der Heim-WM in Deutschland. Auch der erste Auftritt der schon vorab als Weltmeister bejubelten deutschen Elf erfüllte alle Erwartungen: Mit knapp 28 Millionen Zuschauern übertraf die Begegnung locker die 20,13 Millionen, die sich vor vier Jahren den Auftaktsieg der deutschen Elf über Costa Rica angeschaut hatten.
Die Quoten-Herrlichkeit aber war da auch schon vorüber. Die erste WM-Abendbegegnung zwischen Frankreich gegen Uruguay schauten mit rund 10,34 Millionen schon eine Million Menschen weniger an als vor vier Jahren das ähnlich reizvolle zweite Spiel Polen gegen Ecuador sehen wollten. Auch die zweite deutsche Partie gegen Serbien konnte nur noch 22 Millionen Fans hinter der Tröte hervorlocken der eben noch greifbar nahe Allzeit-Rekord von 29,66 Millionen Zuschauern aus dem WM-Halbfinale 2006 war plötzlich wieder einen ganzen Kosmos weit weg.
Wie überhaupt die WM zum Quotenkiller wird. Können die lahmen Auftritte Brasiliens immerhin noch mehr als 13 Millionen motivieren, Fußball einzuschalten, wollten die zur Mittagsstunde ausgestrahlten Klassiker Niederlande - Dänemark, Argentinien - Südkorea und Portugal - Nordkorea teilweise nicht einmal vier Millionen sehen. Die Entscheidungsspiele um den Einzug ins Achtelfinale, die im .ZDF Infokanal liefen, taten sich sogar nur rund 100.000 Zuschauer an.
Völkerball ohne Verve, flächendeckender Jubel ohne innere Beteiligung. Analysierten zuerst nur Blogs wie netzwerkrecherche die erste Weltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent als potentielle Pleite, schließen sich inzwischen auch Mainstreammedien wie die taz mutig an. "Tristesse statt Tröten", schreibt das antiautoritäre Blatt, während RTL schon die Konsequenzen gezogen hat: Wegen der schlechten Einschaltquoten hat der Privatsender angekündigt, seine Vorberichte zu den live übertragenen Spielen radikal kürzen zu wollen. Statt um 19.05 Uhr beginnt die Berichterstattung zur WM nun erst um 19.30 Uhr.


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