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Wer mich kennt, der weiss, dass der gestrige Wahlausgang mich nicht glücklich gemacht hat – doch Wahlen sind nun einmal kein Ponyhof oder Wunschkonzert, und so muss ich eben Mutti Merkel noch weitere vier Jahre ertragen.
Aber so richtig verstört hat mich gestern etwas ganz Anderes: offensichtlich nimmt in diesem Lande weder die Politikerkaste noch die ihr willfährig hinterher laufende Journalistengilde die tatsächlichen Alarmzeichen dieses Wahlergebnisses wahr:
Da ist zunächst der Umstand, dass 27% der Wahlberechtigten erst einmal gar nicht hin gehen zu dieser Veranstaltung: 27% der Menschen in Deutschland sind als entweder völlig uninteressiert an Politik oder aber so vollständig desillusioniert, dass sie nicht mal an einem durchaus schönen Sonntag die Zeit und den Willen aufbringen, ein paar hundert Meter zu einem Wahllokal zu laufen und dort 2 Kreuze zu machen – ein Aufwand von in der Regel wohl kaum mehr als eine halbe Stunde…
Damit bilden die Nichtwähler die zweitgrösste Gruppe der Wahlberechtigten in Deutschland – und ausserdem diejenige Gruppe, die sicherlich am leichtesten von falschen Propheten beeinflusst werden kann, wenn es in Deutschland mal irgendwann nicht mehr der überwiegenden Mehrheit angeblich so gut geht, wie Mutti Merkel dies immer wieder gebetsmühlenartig verkündet.
Die Nichtwähler sind also tatsächlich eine Volksbewegung – doch wie sieht es mit den selbsternannten Volksparteien aus, von denen ja die eine sogar fast eine absolute Mehrheit der Sitze im Bundestag erreicht hätte: tatsächlich reduziert sich diese, nämlich die CDU, von 41,5% der abgegebenen Wählerstimmen auf 30% der tatsächlich Wahlberechtigten, sobald man die Nichtwähler mit in die Rechnung einbezieht: also nicht einmal 1/3 derjenigen, die unser Parlament bestimmen dürfen, hat Mutti Merkel auch tatsächlich ihre Stimme gegeben.
Und bei der SPD ist es noch bedrückender: die stolze Sozialdemokratie wird gerade noch von knapp 19% der Wahlberechtigten auch tatsächlich gewählt – Volkspartei sieht irgendwie ganz, ganz anders aus.
Aber eigentlich ist das nicht das Schlimmste, denn für mich besonders besorgniserregend ist der von allen Kommentatoren geflissentlich übersehene Umstand, dass sich diejenigen, die wählen gehen, immer mehr radikalisieren: die Wellnesspartei FDP ohne Programm und Führerschaft – also der Klassiker der Parteien ohne jegliches Radikalisierungspotential in den eigenen spassbetonten Reihen – wird in die Bedeutungslosigkeit gekreuzt, und die Populisten sowohl rechts als auch links etablieren sich; da ist Die Linke auf der einen Seite mit immerhin 8,6% der Stimmen, die Rechtspopulisten der AfD mit 4,7%, die Populisten ohne jede Zuordnung (oder können sie mir erklären, wofür die Piraten stehen?) 2,2% und die sowieso radikalen Splitterparteien noch einmal insgesamt 4%: das macht in der Summe satte 19,5% der abgegebenen Stimmen für Parteien, die mehr oder weniger ausserhalb des Mainstreams der Politik argumentieren – um es mal vorsichtig auszudrücken. Zusammen mit den 27% Nichtwählern macht das mehr als 45% und mich mehr als nachdenklich.
Nimmt man dann noch hinzu, dass die CDU-Wähler mehrheitlich klare Erwartungen an Mutti Merkel haben – nämlich die Deutschen weiterhin zu den Gewinnern der Krisen in Europa und der Welt zu machen, koste es bei den Anderen in Europa und auf der Welt, was es wolle -, dann kommen unruhige Zeiten auf uns zu: schafft sie es nämlich nicht, diese Erwartungen zu erfüllen, dann werden ihre eigenen Wähler ihr gehörig Feuer machen – und dies befeuert von denjenigen, die sich schon jetzt den Rechtspopulisten zugewandt haben, weil sie die nicht ganz von der Hand zu weisende Sorge haben, dass Mutti es dieses Mal nicht mehr richten wird ohne massive Blessuren auch für die Mehrheit der Deutschen. Und dabei wird der Druck aus dem linkspopulistischen Lager in den nächsten Monaten sowieso zunehmen, denn irgendwann wird uns Deutschen die Rechnung der massiven Schulden präsentiert werden, für die wir da und dort und hier und da die Haftung übernommen haben… und die ewige Bundeskanzlerin wird sicherlich nicht plötzlich von der bewährten Handlungsweise abweichen, erst einmal den Schwächeren die Rechnung zu präsentieren, bevor sie ihre Stammklientel mit Abwanderungsüberlegungen nach rechts (siehe oben) brüskiert.
Ich sehe das Problem also darin, dass immer mehr Menschen sich entweder von der Politik ganz abwenden, oder aber ihr Heil suchen bei politischen Gruppierungen, die zum einen an den äusseren Rändern des demokratischen Spektrums ihre Heimat haben und zum anderen mit sehr populistischen Thesen Politik machen. Dies ist eine gefährliche Mischung – und damit sollte man sich deutlich intensiver auseinander setzen als mit Randthemen wie einem Betreuungsgeld oder einer PKW-Maut für Ausländer.
Aber grosse Hoffnung habe ich nicht, dass sich die “etablierten Parteien” mit diesem Auseinandertriften in der Gesellschaft wirklich auseinander setzen. Regieren mit “ruhiger Hand” hat in Deutschland ja Tradition – mal sehen, wie lange das noch im politischen Stillstand möglich ist, wie wir es die letzten vier Jahre erlebt haben.
Volk, höre die Signale!
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