Vogelliebe

Von Beautifulvenditti

Es gibt auf diesem schönen Planeten Kreaturen, die nicht sein können ohne ihre tägliche Ration Zärtlichkeit. Babies und Kleinkinder zum Beispiel, Ehemänner, Katzen, Hunde,… Aber Nymphensittiche? Klar, ich wusste, dass die ziemlich anhänglich sein können, vor allem, wenn sie ohne Artgenossen gehalten werden. Unsere aber werden mit Artgenossen gehalten, zwei Hähne und zwei Hennen. Dennoch kommt Sittich Boris angeflogen, kaum habe ich die Volière betreten. Er setzt sich auf meine Schulter, legt sein Köpfchen auf meine Brust und wartet, bis ich zu streicheln anfange. Fange ich nicht rechtzeitig an damit oder will ich zu früh aufhören, schnappt er ganz vorsichtig nach meinen Fingern und bringt mich dazu, seinen Nacken weiter zu kraulen. Lasse ich am Morgen ausnahmsweise mal den Besuch in der Volière weg, fordert Boris am nächsten Morgen eine doppelte Portion Zärtlichkeit. Manchmal stösst er auch mit seiner zartgelben Stirn gegen meine Hand, ganz ähnlich wie unsere Katzen, wenn sie gestreichelt werden wollen. Fehlt nur noch, dass er zu schnurren anfängt…

Ich glaube, allmählich werden die Damen im Gehege leicht eifersüchtig auf die innige Beziehung, die Boris und ich da pflegen. Zumindest beäugen sie mich ziemlich kritisch von ihrem Ast aus. Hoffentlich bleibt es bei den kritischen Blicken. Ich möchte nämlich nicht eines Morgens von zwei eifersüchtigen Nymphensittich-Damen attackiert werden. Wenn schon sollen sie ihren Zorn an Boris auslassen. Er ist es ja, der mehr auf meine rosa-geblümte Jacke abfährt als auf das graue Federkleid seiner Artgenossinnen.

Nun gut, vielleicht trage auch ich das Meine zu dieser innigen Liebschaft bei. Nach den allmorgendlichen neunzig Minuten “Mama, wo ist schon wieder mein…” und “Mama, schreibst du jetzt endlich meinen Entschuldigungsbrief?”zähle nämlich auch ich mich zu den liebesbedürftigen Kreaturen, die diesen schönen Planeten bevölkern.