Haben Sie es mitbekommen? Nach rund 3 Jahren wirft Jens Schulte-Bockum, hausintern liebevoll “JSB” genannt bei Vodafone Deutschland das Handtuch und geht, weil er keine Chance sieht, das Unternehmen nach seinen Vorstellungen umzugestalten.
Jens Schulte Bockum – scheidender Vorstandsvorsitzender der Vodafone AG.
Bild: Vodafone D2 GmbH
Sein verzweifelter Versuch, den massiven Erfolgsdruck aus dem Kessel zu nehmen und die Versäumnisse der Vergangenheit wie einen sträflich vernachlässigten Netzausbau, die permanente Auslagerung strategisch wichtiger Bereiche wie Netzkontrolle und Kundenservice nach Nirwanistan (also weit weg) abzufedern oder wenigstens gute Zahlen, sprich mehr (zufriedene) Kunden zu erreichen, muss in weiten Teilen als gescheitert angesehen werden, so zumindest der äußerliche Eindruck.
Dabei hätte es funktionieren können, denn Schulte-Bockum ist lange im englischen Teil des Unternehmen “aufgewachsen” und hatte einen viel direkteren Draht zum obersten Chef Vittorio Colao als ein Vorgänger Fritz Joussen beispielsweise.
Wenn ich meine Blogbeiträge zu Vodafone aus den Jahren 2012 und 2013 nachlese, so sind sie bis heute erschreckend aktuell, geändert hat sich nicht viel.
Sicher auf der letzten CeBIT im Frühjahr waren die Mitarbeiter am CeBIT Stand von Vodafone wesentlich entspannter als die Jahre zuvor, aber viele Baustellen waren weiter auf Reparatur. Der sündhaft teure Vodafone Flagship Store in Köln beispielsweise, mit der richtigen Vorgabe gestartet, ist nur noch ein Torso: Beim Testbesuch vor 2 Wochen: Gähnend leer, zwei Mitarbeiterinnen in Kundengesprächen, ansonsten niemand zu sehen und das an einer der teuersten Shop-Adressen von Köln. Kein Wunder dass die Zahlen nicht stimmen.
Die Netzqualität von Vodafone ist regional besser geworden, aber es gibt weiter eine Zweiklassengesellschaft, zwischen Vodafone-3G und Vodafone-Nicht-3G. Wer als notorischer Technikverweigerer immer noch mit einem GSM-Only Handy im Vodafone-Netz unterwegs ist, hat Funklöcher, die nur mit UMTS/3G gestopft wurden, aber er kann immerhin telefonieren und wohl auch SMS senden und empfangen. Mehr aber nicht. Das kann man Vodafone nicht anlasten.
Wer ein UMTS-3G-fähiges-Endgerät sein Eigen nennt, kann in mit 3G versorgten Gebieten auch mal eine e-mail herunterladen oder gar Musik oder ein Video “streamen”, ausserhalb der Rush-Hour oder von “Hotspots” geht das sogar recht gut. Wer sich aber in eine Region verirrt, wo es bis heute keinen 3G-Ausbau gibt, schaut datenmäßig weiter in die Röhre, da läuft weiter oft gar nichts.
Selbst das viel gepriesene Allheilmittel LTE (4G) ist noch nicht komplett bis in die Provinz vorgedrungen, da gibt es noch sehr viel zu tun.
Die neue Frequenzversteigerung, die am Mittwoch in Mainz beginnt, wird alle drei Netzbetreiber zu 98% Netzabdeckung verdonnern (jeder für sich muss diese 98% bringen), wir dürfen gespannt sein. Die Sprachübertragung per VoLTE ist bei Vodafone im fortgeschrittenen Probebetrieb, bis aber daraus aber spürbare Verbesserungen beim Kunden erwachsen müssen noch viele Handys verkauft werden, die meisten Kunden werden dafür nur 1 Euro zahlen wollen, mit allen Risiken und Nebenwirkungen.
Wo wird der/die Nachfolger/in für JSB herkommen? Was kann er/sie bewegen? Haben die Manager der Londoner Konzernzentrale begriffen, dass sie in Deutschland dramatisch umdenken und die Landesgesellschaft erst einmal “in Ruhe lassen” müssten? Darf der oder die neue Landeschef/in das verdiente Geld möglichst komplett in Ausbau Netz, Infrastruktur und Service stecken?
Wie kommt Vodafone mit seiner Rolle auf Platz 3 in Deutschland zurecht?
Was bringen die Einkäufe wie Arcor (Festnetz) oder Kabel-Deutschland ? Viel Kundenfrust. Obwohl Arcor schon lange zu Vodafone gehört, läuft es im Festnetz alles andere als rund, weil ein Zweidraht-Festnetzanschluss ohne die Deutsche Telekom kaum realisierbar ist und da knirscht es. Nicht weil die Telekom die private Konkurrenz nicht mag, sondern weil Vodafone (Mobilfunk) die Festnetz-Abteilung “Arcor” viel zu lange als “überflüssig” angesehen hat. Viele Mitarbeiter sind geflüchtet und haben bergehohe Antragspakete frustrierter Kunden hinterlassen. Schaut man da rein, findet man überwiegend Wechsler, die lieber gestern als heute von Vodafone weit weg wollen.
Schaut man zur 11 Milliarden teuren Neuerwerbung Vodafone vormals Kabel Deutschland ist auch da der Wurm drin. Einfaches aber typisches Beispiel: Ein stolzer Häuslebauer beauftragt die Vodafone (Kabel-Deutschland), einen brandneuen Anschluss für TV, Telefon und Internet zu legen (Einmalkosten 1000 Euro!) , solange rund ums neue Eigenheim noch alles aufgegraben ist. Nur Vodafone (vormals KDG) bekommt es nicht geregelt und rät schließlich dem mehrfach nachfragenden Häuslebauer gequält, doch schon mal selbst ein Leerrohr zu verlegen. Man könnte das ja später wieder aufgraben. Ja hallo? Sind Neukunden nicht erwünscht? So wird das nichts.
Und überhaupt: Kann man sich heute in einen Vodafone Shop trauen und wie “gerupft” kommt man da wieder heraus? Die ehemalige Vodafone Privatkundenchefin Susan Hennersdorf hatte das richtig erkannt und zog schließlich ihre logische Konsequenz: Sie ging.
Wie geht es weiter?
Wird die Vodafone plc eines Tages aus Deutschland aussteigen, wird das Unternehmen irgendwann wieder “zerlegt” oder an einen anderen Anbieter verkauft? Helfen würde das alles nicht, weil potentielle Käufer und Zerleger sicher andere Fragen als eine bessere Zufriedenheit bei Kunden (und oft vergessen!) die Mitarbeiter im Blick haben werden.
Wem das alles egal ist, wer einfach günstig im Vodafone Netz telefonieren und surfen will, kann sich die Angebote beispielsweise von 1&1 (bekannt als United Internet, GMX, Web.de etc.) anschauen, Da bekommt man 1 GB Daten + 200 “Einheiten (eine beliebige Mischung aus SMS und Sprachminuten) für nur 6,99 Euro im Monat. Service braucht man kaum und falls doch, ist dieser seit einiger Zeit über eine ganz normale Festnetzrufnummer (in Karlsruhe) ohne Sonderkosten zu erreichen. Die Damen und Herren sind freundlich und bemühen sich sogar um den Kunden. Durch die “Einfachheit” der Angebote sind die Prozesse überschaubar und die Chancen, dass es klappt, sogar gut. Aber: Komplizierte Sonderwünsche sollten Sie besser nicht haben. Und seien Sie zu Hause oder am Arbeitsplatz, wenn der Paketbote kommt, der will Ihren Ausweis sehen und prüft den ganz genau.
Falls Sie lieber beim Original von Vodafone bleiben möchten: Eine neue Auslandsoption “Easy Travel Flat” verlängert für 4,95 Euro monatlichen Aufpreis Ihren deutschlandweiten Flatrate-Tarif auch ins Ausland und nicht nur nach EU-Europa, sondern u.a. auch in die USA, vor Jahren noch absolut undenkbar oder super-teuer.
So möchte ich dem/der neuen Vodafone-Deutschlandchef/in alles Gute wünschen, vielleicht habe ich mit meinen Befürchtungen ausnahmsweise mal nicht Recht. Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt, aber viel Zeit bleibt nicht mehr.
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