Virales Marketing

Von Stefan Sasse

Virales Marketing am Beispiel

Plakatwerbung

Es heißt ja immer wieder, dass das traditionelle Marketing - Fernsehspots, Radiospots, Plakatwerbung, Inserate - mehr oder minder tot sei. Die gewünschten Ergebnisse jedenfalls scheint es nur noch teilweise zu liefern, und besonders die Online-Branche leidet an dem Unvermögen, mit traditionellen Inseraten Online-Ausgaben von Zeitungen profitabel zu machen. Zumindest im Internet scheinen diese Methoden also kaum mehr zu funktionieren, und je größer der Anteil derer an der Gesellschaft wird, die mit dem Internet aufgewachsen sind - ein simpel demographischer Prozess, der spätestens in 20 Jahren über die Hälfte der Menschen treffen dürfte - desto mehr wird dies auf die traditionellen Methoden zurückfallen. Eine Abhilfe dieses Problems scheint "virales Marketing" zu sein, also - grob gesagt - der Versuch, eine Community selbst Werbung betreiben zu lassen, indem man entsprechende Anstöße gibt. Es handelt sich also letztlich um den Versuch der Steuerung des komplexen Systems von Empfehlungen und Verdammungen sowie der menschlichen Neugierde, die schon heute unseren Alltag bestimmt. Ein Freund empfiehlt eine Fernsehserie, die er gut findet, und wir schauen sie daraufhin selbst an. Ein anderer erklärt, dieses und jenes Auto sei der Renner, und beim nächsten Wagenkauf sehen wir es uns an. Unternehmen versuchen, einen solchen Prozess selbst anzustoßen. Virales Marketing eben. Ich will ein Beispiel schildern, das ich gut kenne, weil ich selbst in dem Prozess voll drin stecke. Als Konsument, nicht als derjenige der das Produkt herstellt oder bewirbt. Deswegen gleich der Disclaimer: ja, der Beitrag ist positiv, ja, der Beitrag ist nicht kritisch. Er soll zeigen, wie so etwas gehen kann. 
Das fragliche Produkt ist eine neue Fernsehserie namens "Game of Thrones", deren erste Folge (der so gennannte Pilotfilm) am 17. April zum ersten Mal ausgestrahlt wird. Da qualitativ hochwertige Fernsehserien nicht in Deutschland gesucht werden brauchen, müssen wir zumindest einen Blick über den Kanal werfen. Hergestellt wird die Serie vom amerikanischen Pay-TV-Sender HBO, unterstützt von der englischen BBC. HBO dürfte dem ein oder anderen durch hochwertige Serien wie "Die Sopranos" (Gesamtbox), "Rom" (Gesamtbox), "Six Feet under" (Gesamtbox), "The Wire" (Gesamtbox) oder "Boardwalk Empire" bekannt sein. Wer von manchen noch nicht gehört hat muss sich nicht grämen, übersetzt wurden sie nicht alle. Der Start der Serie in Großbritannien ist am 18. April. Der Inhalt lässt sich kurz so zusammenfassen: In einer mittelalterlichen Fantasy-Welt kämpfen mehrere Adelsfamilien um die Macht. Die Serie basiert auf den großartigen Romanen von George R. R. Martin, denen ich mindestens genauso glühend erlegen bin wie die schlimmsten Tolkien-Fans. Daher auch die Parteilichkeit in diesem Fall. 

Virales Marketing am Beispiel

Promo-Poster

Da es kaum eine schlimmere Zielgruppe als beinharte Fans gibt, wenn man Bücher verfilmen will (die kritteln an den winzigsten Details herum, wie etwa der Augenfarbe bestimmter Charaktere), hat HBO von Anfang an eine Kampagne gefahren, bei der gezielt Informationshappen gestreut wurden. Die Schreiber der Serie selbst haben im größten Fan-Forum Fragen beantwortet, die Castingvorschläge gelesen und Fragen diskutiert. Und seit die Dreharbeiten abgeschlossen sind (ca. im letzten Herbst) und die Post-Produktion läuft, betreibt HBO eine exzessive Marketingkampagne, die massiv auf virales Marketing zurückgreift. Wie funktioniert das? Zum Einen durch die Veröffentlichung von Teasern und Behind-the-scenes-Featuretten im Netz, etwa über Youtube. Diese kleinen Filmchen sind so angelegt, dass sie sowohl dem Neuling eine Möglichkeit zum Einstieg bieten als auch den Fans Details zeigen, die deren Befürchtungen beruhigen sollen. Auf ihrer Homepage hat HBO gleichzeitig einige Mini-Spiele online gestellt, die bestimmte Aspekte der Welt und der Geschichte behandeln und als Belohnung kleine Ausschnitte aus der Serie zeigen, jeweils etwa 30-60 Sekunden lang. Diese Maßnahmen dienten hauptsächlich als Leckerli für die nicht unbeträchtliche Community. 

Virales Marketing am Beispiel

Promo-Kiste mit Gerüchen und Informationen

Eine erste richtige Werbekampagne wurde für die zahllosen Blogbetreiber gestartet, die TV-Kritiken machten. Diesen wurde eine Kiste zugeschickt, in der sich Fläschchen mit Gerüchen befanden, die typisch für die einzelnen Regionen der Welt Westeros sein sollen, in der die Serie spielt, zusammen mit einer Anleitung, wie man sie kombinieren muss. Natürlich haben Blogbetreiber Informationen über diese Kiste online gestellt, mit Fotos und allem drum und dran. Darum ging es ja. Das erste Rätsel der Reihe der Minispiele auf der HBO-HP befasste sich dann genau mit diesen Gerüchen. Man musste also im Netz bei Leuten recherchieren, die das Promo-Paket bekommen hatten, was denn nun genau drin war. Clever.
Dazu kommen Kleinigkeiten wie ein Wetter-App für Smartphones aus der Welt von Westeros (wo die Jahreszeiten anders funktionieren als hier), weitere Teaser und Trailer, Featurettes etc. In den letzten Wochen gab es zahllose Press-Screenings der Serie oder des Piloten für TV-Kritiker von den großen Zeitungen wie New York Times bis hin zu TV-Blogs. Die überwältigende Mehrzahl dieser Reviews fiel positiv aus. Fan-Artikel, die schon seit Monaten gekauft werden können, fallen dazu ebensowenig mehr auf wie die übliche Facebook-Seite und kleinere Aktionen rund um dieselbe. Ein Gag, der große Aufmerksamkeit hervorrief, war dagegen der Food-Truck. 

Virales Marketing am Beispiel

Der Food-Truck

HBO hatte einen Lastwagen zur fahrenden Küche umgebaut und einen Sternekoch engagiert, der Speisen im Stil von Westeros zubereitet. Dieser Truck fuhr in großen Städten (New York, San Francisco,...) auf einen großen Platz, wo das Essen kostenlos ausgegeben wurde, bis der Vorrat aufgebraucht war. Auf diese Art wurden auch völlig neue Zielgruppen erschlossen, die natürlich von diesem Erlebnis berichten würden - genauso wie die lokalen Zeitungen. Der Truck ist wohl das beste Beispiel für die Umsetzung viralen Marketings. 
Die Aufmerksamkeit, die HBO mit dieser großen Varianz an Methoden erreichte, ist enorm, wenn man bedenkt, dass es sich um eine TV-Serie auf einem amerikanischen Pay-TV-Sender handelt. Am Schlimmsten hier in Deutschland ist eigentlich, dass es schwierig werden wird, das Ding gleich zu sehen, bevor die DVDs erhältlich sein werden. Aber dieses Problem teilen wir mit Fans auf der ganzen Welt; nicht umsonst haben auf der größten Fanseite, Winter is coming, bereits 39% der Befragten angebeben, "andere" Wege finden zu wollen, die Serie zu sehen, ehe die DVDs erscheinen. Ich jedenfalls bin begeistert, enthusiastisch und freu mich wie Bolle auf die erste Folge. Der Winter naht.


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