Vipassana Meditation in Chiang Mai: Klarheit gewinnen im Schweigekloster

8 Tage Vipassana Meditation im Schweigekloster sind vorüber. Seit langem habe ich darüber nachgedacht und nach einem turbulenten Sommer hat es sich richtig angefühlt, den Kopf mal komplett leer zu machen. Meine ganz persönlichen Erfahrungen möchte ich in diesem Beitrag mit dir teilen.

Da die Vipassana Meditation für jeden eine sehr individuelle Erfahrung ist, wollte ich darüber eigentlich nicht schreiben. Nachdem ein Facebook Post dazu aber auf großes Interesse gestoßen ist und mich viele Fragen erreicht haben, hier nun doch ein ausführlicher Bericht.

Was ich dich bitte, zu berücksichtigen: ich gebe hier meine absolut subjektive Erfahrung wieder. Andere Vipassana Teilnehmer verlassen das Kloster mit sehr unterschiedlichen Eindrücken. Abhängig ist das wohl von der Art des Centers, Unterschieden in der Meditationstechnik und letztendlich auch der eigenen Persönlichkeit.

Jetzt aber zu mir. Meine 8 Tage Vipassana in Chiang Mai waren eine spannende und gleichzeitig extreme Erfahrung, die mich so einiges gelehrt hat. Aber eins nach dem anderen.

Vipassana bedeutet "klar sehen". Das Ziel ist es, den Geist zu reinigen, mentale und körperliche Schmerzen hinter sich zu lassen und letztendlich die Wahrheit des Lebens zu erkennen. Okay, Nirvana wird in dieser kurzen Zeit niemand erreichen, aber es geht um den Weg dorthin.

Meine Motivation bestand vor allem darin, mich zumindest für eine begrenzte Zeit von Internet, Smartphone und jeglichen Verpflichtungen freizumachen. Außerdem wollte ich der klassischen Meditation nach mehreren Versuchen von Taiji über Yoga bis hin zu Headspace nochmal eine echte Chance geben.

Vipassana Meditation auf dem Doi Suthep

Also bin ich für 8 Tage in das International Buddhism Center neben dem Wat Pradhat (Tempel) auf dem Doi Suthep in Chiang Mai gefahren. Die Vorab-Anmeldung war unkompliziert. Alles läuft auf Spendenbasis.

Nach kurzer Einweisung bekam ich ein kleines Zimmer, in dem außer Bett, Lampe und Steckdose nichts war. Außerdem gab es im Center einen Raum zur Gruppenmeditation, einen Gemeinschafts- und einen Essensraum.

Auch die Regeln wurden gleich zu Beginn nochmal klargestellt. Die wichtigsten lauten: nicht sprechen, keine Genussmittel, keine feste Nahrung nach 12 Uhr, kein Lesen, Schreiben und keine elektronischen Geräte. Soweit so gut.

Der Tagesablauf sah in etwas so aus:

  • 5.00 Uhr - Aufstehen
  • 5.30 Uhr - Dhamma-Talk (buddhistische Weisheiten vorgetragen durch einen Mönch)
  • 7.00 Uhr - Frühstück
  • 7.30 Uhr - Meditation
  • 11.00 Uhr - Mittag
  • 11.30 Uhr - Meditation
  • 13.00 Uhr - Reporting beim Lehrer (kurze Anweisungen zu Meditationstechniken für den Folgetag)
  • 13.30 Uhr - Meditation
  • 18.00 Uhr - Chanting (Singen/Murmeln buddhistischer Verse)
  • 19.00 Uhr - Meditation
  • 21.00 Uhr - Schlafenszeit

Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich am zweiten Tag ernsthaft überlegt, vorzeitig abzubrechen. 10 Stunden Meditation am Tag? Es gab nichts anderes zu tun, außer mal 100 Meter und links und rechts zu laufen. Aber auch das wird schnell langweilig.

Das letzte Mal solche Langeweile hatte ich wohl mit 5 Jahren, als mich die furchtbare Erzieherin Frau Haase im Kindergarten für mehrere Stunden in den dunklen Bettenraum einsperrte, weil ich während des Mittagsschlafs gequatscht habe.

Das Meditationscenter kam mir nicht vor, wie ein Ort der Glückseligkeit, sondern eher wie eine psychiatrische Anstalt. Alle sind in weiß gekleidet, niemand spricht miteinander, gelaufen wird sehr langsam mit gesenktem Kopf und alle schauen irgendwie so furchtbar deprimiert drein. Mich eingenommen.

Aber dann war Schluß mit Selbstmitleid und ich habe mich darauf besonnen, warum ich eigentlich hier war. Es war ja genau das: abgeschottet zu sein und keinen Zugang zum Internet und anderer Ablenkung zu haben.

Ich habe mir also die Seele aus dem Leib meditiert. 6-10 Stunden pro Tag, im Laufen, Sitzen und Liegen. Die ersten 5 Tage lang habe ich nach den Anweisungen des Lehrers versucht, mich nicht auf meine Gedanken, sondern auf meinen Körper zu konzentrieren. Das funktionierte immer besser, auch wenn die große Erleuchtung ausblieb.

Keine Ahnung, was genau ich erwartet habe. Vielleicht, dass mir in diesem meditativen Zustand irgendwelche Weisheiten zufliegen oder sich verborgene Traumata aus der Kindheit zeigen. Das ist nicht passiert. Vielleicht habe ich sie auch einfach nicht, die schwerwiegenden Probleme, die darauf warten, gelöst zu werden. Das ist doch auch mal eine schöne Erkenntnis ...

Also habe ich im zweiten Teil der Vipassana während der Meditation ganz bewusst über verschiedene Dinge nachgedacht, die mich persönlich und in meinem Business bewegen. Es war beeindruckend, wie viel Klarheit in meinen Gedanken war und wie einfach es mir viel, mich auf einen Sachverhalt zu konzentrieren.

Mein ganz persönliches Fazit nach der Vipassana

Auch wenn ich während der 8 Tage keine Erleuchtung gefunden habe, fühlt sich mein Kopf äußerst aufgeräumt an. In den Tagen danach kann mich ganz und gar nichts aus der Ruhe bringen. Diese Entspannung beschränkt sich leider auf den Kopf, denn mein Körper fühlt sich unfit an. Schuld daran waren wohl die fehlende Bewegung und einseitiges, kohlenhydratreiches Essen (täglich Reis mit zerkochtem Kohl).

Den Zugang zur klassischen Meditation habe ich auch diesmal nicht gefunden. Wichtig finde ich dennoch, mir auch weiterhin diese kleinen Oasen im Alltag zu schaffen. Das muss nicht im Schneidersitz mit geschlossenen Augen sein, sondern wird bei mir eher auf das Joggen, Spaziergänge durch den Park oder das Starren in den Himmel hinauslaufen.

Was mir außerdem noch bewusst geworden ist und ziemlich erschreckend war, ist, wie sehr mein Gehirn schon daran gewöhnt ist, ständig mit Informationen versorgt zu werden. In der Welt da draußen kämpfen Unternehmen um unsere Aufmerksamkeit, wir teilen alles mit jedem, sind ständig online und bekommen ununterbrochen Benachrichtigungen; drinnen im Tempel passiert einfach nichts. Kalter Entzug für den Kopf, der vor allem dank des Internets an einen ständigen Informationsfluss und Ablenkung gewöhnt ist!

Das habe ich zu spüren bekommen, als ich mich einen Tag nach der Vipassana voller Freude auf die Arbeit gestürzt und Gespräche mit Freunden gesucht habe. Das war zu viel. Nach ein paar Stunden hatte ich Kopfschmerzen, die einem üblen Kater glichen.

Im Tempel gab es diesen Input nicht. Es mussten auch keine Entscheidungen wie "was esse ich heut zum Mittag?" (es gab die Wahl zwischen Reis oder Nix) oder "was ziehe ich heut an?" getroffen werden. Dadurch wurden ungeahnte Kapazitäten im Kopf frei. Erinnerungen an Menschen und Erlebnisse, an die ich schon ewig nicht mehr gedacht habe, kamen hoch. Und ich habe verdammt gut geschlafen und jede Nacht intensiv geträumt, was sonst so ca. einmal im Monat passiert.

Genauso bewusst geworden ist mir, wie sehr ich meine Arbeit vermisse. Ich konnte es kaum erwarten, mich wieder an meinen Laptop zu setzen und drauf los zu tippen. Zum Teil liegt das sicher daran, dass mir meine Arbeit wirklich viel Freude bereitet, zum anderen Teil grenzt es schon an Suchtverhalten, Aufgaben von To-Do-Listen abzuhaken und das Gefühl zu bekommen, etwas zu schaffen.

Das war es, was mir im Tempel wohl auch am meisten zu schaffen gemacht hat. Einfach nichts zu tun. Langeweile kenne ich in meinem Leben nicht. Es gab immer etwas zu arbeiten, zu lernen, zu entdecken oder jemanden zu treffen. Dieses Tun und Entdecken gab es während der Vipassana in dieser Form nicht.

Was mir außerdem gefehlt hat, sind die kleinen Dinge wie Musik hören, Gespräche mit Freunden, ab und an ein Stück Schokolade oder ein Sonnenuntergang. Eben diese kleinen Freuden, die das Leben lebenswert machen.

Meine Gedanken zu buddhistischen Konzepten

Generell bin ich ein großer Freund buddhistischer Konzepte, auch wenn ich einige noch nicht komplett durchschaut habe. Im Grundsatz stehen die drei Daseinsmerkmale von N0-Self (keine Kontrolle), No-Attachment (Loslösen) und No-Permamence (Unbeständigkeit und Vergänglichkeit)

Was mir aber so richtig aufstößt, ist, dass die ultimative Befreiung (Nirvana) von allem Schmerz (Dukkha) darüber führt, sämtliche Emotionen loszulassen. Positive Gefühle wie Liebe, Vorfreude oder Lob sind vergänglich und bedeuten damit automatisch Schmerz, wenn z.B. Erwartungen nicht erfüllt werden oder Beziehungen enden.

So wie ich das sehe, nehme ich dieses Risiko der Enttäuschung gerne auf mich, wenn ich dafür so ein wundervolles Gefühl wie Liebe erfahren kann. Aber vielleicht sind meine Gedankengänge auch viel zu sehr über die linke Gehirnhälfte gesteuert. Gerne lasse ich mich hier eines besseren belehren.

Ein anderes Konzept, was besonders während der Vipassana im Mittelpunkt stand, ist das Leben im Hier und Jetzt. Der Kopf soll völlig frei von Gedanken sein, so dass wir einfach nur Sein können. Puhh, bei all dem Verständnis dazu, nicht ständig in gedankliche Zeitreisen verwickelt zu sein und seine Mitte zu finden, habe ich damit so meine Probleme.

Ich empfinde sowohl für vergangene Erinnerungen als auch durch Vorfreude auf zukünftig geplante Dinge so viel Positives, dass ich diese Dinge nie und nimmer missen möchte. Auch dann nicht, wenn Erinnerungen mich traurig stimmen und aus Vorfreude hin und wieder Enttäuschung wird.

An dieser Stelle bin ich sehr gespannt, auf deine Interpretationen buddhistischer Konzepte. Ich finde diese zum Teil sehr abstrakt und bin stark daran interessiert, sie besser zu verstehen bzw. zu verinnerlichen.

Was ich für die Zukunft mitnehme

Unter dem Strich war es eine Erfahrung mit sehr gemischten Gefühlen, die ich auf gar keinen Fall missen möchte. Es war wunderbar zu erfahren, wie befreiend es sein kann, den Kopf von all diesen überflüssigen Information aus dem Alltag zu befreien.

Auch zu verstehen, das sowohl positive als auch negative Gefühle vergänglich sind und ich mir keine Gedanken um Dinge zu machen brauche, auf die ich sowieso keinen Einfluss habe, war für mich wichtig.

Ein Satz von meinem spirituellen Lehrer, der mir besonders im Kopf geblieben ist, lautet "Don't bring the office to the mountain, bring the mountain to the office". Es macht keinen Sinn, die Batterien während Urlauben oder kurzen Ausflüchten aus dem stressigen Alltag aufzuladen, nur um sie danach wieder leer zu machen. Es sollte eine ständige Balance geben, in der wir jeden Tag die benötigte Ruhe und Gelassenheit finden, die wir für unsere langfristige mentale und körperliche Gesundheit brauchen.

Was ich aus der Vipassana außerdem mitnehme und mir auch noch lange behalten möchte, sind die folgenden Dinge:

  • das Handy öfter mal Zuhause lassen und vor allem nicht bei jeder Gelegenheit aus der Tasche ziehen
  • zeitiger schlafen gehen
  • mich nicht ständig mit neuen Informationen zu überladen
  • beim Essen auf das Essen konzentrieren und dabei nichts anderes machen
  • wieder mehr Wertschätzung und Dankbarkeit für Dinge wie eine warme Dusche, ein weiches Bett oder ein gutes Gespräch empfinden
  • Familie und Freunde öfter spüren lassen, dass sie mir wichtig sind

Und noch eine ganz wichtige Erkenntnis, die mir mal wieder bewusst geworden ist. Selbst so festgefahrene Gewohnheiten wie "ich kann abends nicht leerem Magen ins Bett gehen" oder "unmöglich, eine Woche lang offline zu sein" relativieren sich ganz schnell, wenn man es dann doch mal probiert. Es ist schwer diese Dinge im Alltag umzustellen, aber genau deshalb sollte man sich immer wieder auf neue Situationen einlassen und den Status Quo hinterfragen.

Ich hoffe das hat dir einen guten Einblick in meine Vipassana gegeben. Diese Erfahrungen sind natürlich super subjektiv und ich weiß, dass sie für andere Menschen sehr unterschiedlich ausgesehen hat. Der beste Beweis dafür ist ein toller Erfahrungsbericht von Jenny, den du dir unbedingt durchlesen solltest, um noch einen besseren, objektiveren Eindruck zu bekommen.

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