Vikram Seth – Eine gute Partie

[Erstveröffentlichung: 9. August 2007]

Vikram Seth – Eine gute Partie

 

Eintausendneunhundertsechsundneunzig Seiten hat dieses Buch. Opulent wie ein Bollywood-Film, farbenfroh wie ein indischer Marktplatz, voll von Düften, üppig wie ein Garten nach der Regenzeit. Knapp 2000 Seiten pralles Leben.

Vikram Seth hat ein Buch geschrieben, das mehr über Indien erzählt, als jeder Reiseführer.
Nicht so bissig wie Salman Rushdie – vom Gestus eher mit Arundhati Roy vergleichbar – strahlt die Liebe zu diesem zerrissenen Land durch jede Zeile.

Savita heiratet Pran, einen jungen Mann, den sie kaum kennt. Die prunkvolle Zeremonie ist noch nicht beendet, da widmet die Mutter der Braut sich schon ihrer nächsten Aufgabe: eine gute Partie für ihre jüngste Tochter zu finden. Denn die schöne Lata wird schon neunzehn, aber der passende Mann muss natürlich der richtigen Kaste entstammen, und hellhäutig soll er auch noch sein. In dieser einfachen Konstellation findet Vikram Seth alles, um uns Indien, seine Tänze und Tränen, vor Augen zu stellen, seine Farben und Stoffe, sein Glück und sein Leid.

Quelle: Amazon

Wie wenig sagen diese Zeilen!
Das Buch begleitet vier Großfamilien durch Indien um das Jahr 1950 herum:
Indien ist ein unabhängiger Staat; Nehru ist Ministerpräsident; Pakistan und Bangladesh sind bereits von Indien abgetrennt…
Dazu Menschen, die aus verschiedenen Kasten kommen, verschiedenen Religionen (Islam und Hinduismus) angehören, aus Bangladesh vertrieben wurden, Verwandte in Pakistan nie wieder sehen werden…
Schon allein dieser oberflächliche Versuch, über die äußeren Umstände des Buches zu schreiben zeigt, wie verzweigt es sein muss. Und dass weniger als 2000 Seiten kaum ausgereicht hätten dafür.

 Aber ich möchte nicht so sehr über den Inhalt des Buches reden als vielmehr darüber, was mir darüber hinaus aufgefallen ist.
So hatte ich das Gefühl, die Figuren des Buches wirklich zu kennen. Jede/r mir ihrer/seiner Geschichte, seinen charakterlichen Eigenschaften. Ich habe selten solch detailreiche Charakterisierungen gelesen.

Vikram Seth schafft das Unglaubliche: Je nach dem, über welche Familie er schreibt ändert sich der Ton seines Schreibens. Ich weiss nicht, wie ich das beschrieben kann: So wie “Peter und der Wolf von Prokofjew jedem Tier (und natürlich Peter) ein Instrument zuordnet, so lassen Wortwahl und Sprachgestus die Familien plastisch werden. (Ein großes Lob gebührt daher auch der Übersetzerin des Buches.)

Die “Gute Partie” war ein Buch, das ich nicht aus den Händen legen konnte… und das mir etliche müde Morgen bescherte, weil ich Nachts nicht aufhören konnte, zu lesen (ach, noch ein Kapitel…)

Und nun wartet bereits das nächste Buch von ihm im Regal…


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