Vom Kaufpreis der »Tanin«, ungefähr 500 bis 550 Millionen Euro, tragen die deutschen Steuerzahler mindestens 135 Millionen. Das neue U-Boot kommt sie damit deutlich günstiger als die drei früheren: Die ersten beiden hatte Israel von Deutschland glatt geschenkt bekommen, beim dritten mußte es nur die Hälfte der Rechnung selbst begleichen. Mehr oder weniger verschämt werden in diesem Zusammenhang die Worte »Wiedergutmachung« und »Staatsräson« geflüstert oder gelegentlich, wie etwa in der Springerpresse, auch heraustrompetet.
Zu den jetzigen finanziellen Konditionen wird Israel auch noch ein fünftes und sechstes U-Boot von HDW erhalten. Laut Plan soll die Übergabe 2013 und 2014 erfolgen.
junge WeltDie junge Welt vermeldet weiterhin, dass derzeit die ersten drei U-Boote, die allesamt mit Atomwaffen bestückt werden können, "unter Mitwirkung von HDW in Israel »modernisiert«" werden. Was das dem bundesdeutschen Steuerzahler kostet, ist nicht bekannt, aber es kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die BRD die Umbauten mindestens teilfinanziert.
Bemerkenswert am junge Welt- Artikel ist aber auch der letzte Absatz. Allein schon deshalb, weil in den Industrie- und Staatsmedien China gerne als Bösewicht und Aggressor dargestellt wird. Das geschieht ganz bestimmt nicht, um zukünftige Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen:
Israel, das zu allen Fragen um seine Atomwaffen grundsätzlich nicht Stellung nimmt, hat niemals versprochen, daß es diese nicht vielleicht unter bestimmten Umständen auch für einen Erstschlag nutzen würde. Von allen Atommächten hat überhaupt nur China eine solche Erklärung abgegeben.Es gibt aber auch noch angenehmere Meldungen bezüglich Israel zu berichten. So veröffentlichte die junge Welt einen weiteren Artikel, der aus der Feder des Israeli Uri Avnery stammt und vom "Putsch" verschiedener israelischer Geheimdienstgrößen und Generäle gegen die Kriegspolitik der Regierung erzählt:
Putsch gegen den Krieg
Israel: Generäle und Geheimpolizeichefs greifen gemeinsam Politiker an
Von Uri Avnery
Am Sonnabend demonstrierten in Berlin etwa 300 Menschen gegen Kriegsdrohungen und deutsche Waffenlieferungen an Israel
In einigen Ländern verhaften sie den Präsidenten, besetzen die Regierungsbüros, Fernsehstationen und annullieren die Verfassung. Sie veröffentlichen dann das Kommuniqué Nummer eins, erklären die dringende Notwendigkeit, die Nation vorm Verderben zu retten und versprechen Demokratie, Wahlen etc. In andern Ländern machen sie es im geheimen. (…) Solche Offiziere werden gewöhnlich eine »Junta« genannt. Ein spanisches Wort für »Komitee«, das von südamerikanischen Generälen benutzt wurde. Ihre Methode wird üblicherweise als ein »Putsch« bezeichnet, ein deutsch-schweizerisches Wort für einen »plötzlichen Schlag«. (Ja, die Schweiz hatte tatsächlich vor etwa 170 Jahren Revolten.)
Was fast alle diese Schläge gemeinsam haben, ist, daß ihre Anstifter mit einer Demagogie des Krieges gedeihen. Die Politiker werden unweigerlich des Defätismus angeklagt, des Versagens bei der Verteidigung der nationalen Ehre, und anderes mehr. Nicht in Israel. In unserm Lande sehen wir jetzt eine Art verbalen Aufstand gegen gewählte Politiker durch eine große Gruppe aktueller und früherer Armeegeneräle und Chefs der Geheimdienste. Alle verurteilen die Drohung der Regierung, einen Krieg gegen den Iran zu beginnen, und einige von ihnen verurteilen das Versäumnis der Regierung, mit den Palästinensern Friedensverhandlungen zu führen. (…)
Inkompetente Politiker
Es begann mit dem unwahrscheinlichsten Kandidaten für solch eine Rebellion: mit Exmossadchef Meir Dagan. Acht Jahre, länger als die meisten seiner Vorgänger, hat Dagan den Mossad, Israels ausländischen Nachrichtendienst geführt, vergleichbar mit dem britischen MI6. (»Mossad« bedeutet »Institut«. Der offizielle Name ist »Das Institut für Nachrichtendienst und Sonderoperationen«.) Niemand warf Dagan jemals Pazifismus vor. Während seiner Dienstzeit führte der Mossad viele Anschläge durch, mehrere gegen iranische Wissenschaftler, sowie Internetangriffe. Der Protegé Ariel Scharons wurde als Anhänger der aggressivsten Politik angesehen. Und jetzt, nachdem er in den Ruhestand getreten ist, spricht er in schärfsten Ausdrücken gegen die Pläne der Regierung, einen Angriff auf Irans nukleare Einrichtungen zu führen. Mit deutlichen Worten sagte er: »Dies ist die dümmste Idee, die ich je in meinem Leben gehört habe.«
In der vergangenen Woche hat ihn der kürzlich in Pension gegangene Chef des Shin Bet noch in den Schatten gestellt. (Shin Bet und Shabak sind verschiedene Möglichkeiten, die Initialen des offiziellen hebräischen Namens »Generalsicherheitsdienst« auszusprechen.) Er ist ein Äquivalent zum britischen M15, befaßt sich aber vor allem mit den Palästinensern in Israel und den besetzten Gebieten. Sechs Jahre lang war Yuval Diskin der schweigende Chef des schweigenden Dienstes. Er konnte mit seinem geschorenen Kopf beim Betreten und Verlassen der Treffen von Sicherheitskomitees gesehen werden. Er wird als Vater der »gezielten Tötungen« betrachtet, und sein Geheimdienst ist wegen umfassenden Gebrauchs von Folter angeklagt worden. Keiner hat ihn je dafür angeklagt, daß er mit den Arabern sanft umgehe.
Und nun hat er seine Meinung gesagt. Er wählte einen sehr ungewöhnlichen Ort dafür – einen Stammtisch mit etwa zwei Dutzend Pensionären im Café einer Kleinstadt. Nach Diskin – und wer würde es besser wissen? – wird Israel derzeit von zwei inkompetenten Politikern mit messianischen Illusionen und wenig Verständnis für die Realität geführt. Ihr Plan, den Iran anzugreifen, führt zu einer weltweiten Katastrophe. Nicht nur wird es mißlingen, die Produktion einer iranischen Atombombe zu verhindern. Es wird sogar eher das Gegenteil eintreten: Der Iran wird mit seinen Bemühungen schneller voranschreiten und diesmal mit der Unterstützung der Weltgemeinschaft.
Diskin geht noch weiter als Dagan; er erklärte, der einzige Faktor, der die Friedensverhandlungen mit den Palästinensern verhindere, sei Netanjahu selbst. Israel kann mit Mahmoud Abbas Frieden machen. Er verpaßt diese historische Gelegenheit und bringt damit eine Katastrophe über Israel.
Als Chef des Shin Bet war Diskin die Nummer eins der offiziellen Regierungsexperten die Palästinenser betreffend. Seine Agentur erhielt und sammelte alle Beweise, Spionageberichte, Verhörergebnisse und Informationen, die von Lauschgeräten erfaßt werden. Um keine Zweifel an seiner Aussage zuzulassen, erklärte Diskin, er kenne Netanjahu und Barak aus der Nähe, vertraue ihnen nicht und denke, daß sie nicht geeignet seien, eine Nation in einer Krise zu führen. Er sagte auch, daß sie das Volk bewußt täuschten, und vergaß auch nicht zu erwähnen, daß sie in äußerstem Luxus lebten.
Gegenangriff
Jeder, der dachte, diese Ankläger wären einsame Stimmen und der ganze Chor vergangener und jetziger Sicherheitschefs würde sich erheben und sie einstimmig verurteilen, wurde enttäuscht. Einer nach dem anderen dieser Experten wurde von den Medien zitiert, daß sie mit den beiden im wesentlichen übereinstimmten, wenn auch nicht mit ihrem Stil. Kein einziger hinterfragte ihre Behauptungen oder leugnete, was sie sagten. Der augenblickliche Stabschef und die Chefs von Mossad und Shin Bet machten bekannt, daß sie die Ansichten der beiden über den Iran teilten. Fast alle ihre Vorgänger, einschließlich aller Militärstabschefs aus der letzten Zeit, sagten den Medien, auch sie stimmten mit ihnen überein. Plötzlich gab es eine gemeinsame Front von erfahrenen Sicherheitschefs gegen einen Krieg mit dem Iran.
Der Gegenangriff ließ nicht auf sich warten. Die ganze Batterie von Politikern und Medienschreiberlingen wurde aktiv. Sie taten das, was Israelis meistens tun, wenn sie ernsthaften Problemen oder ernsthaften Argumenten gegenüberstehen. Sie befassen sich nicht mit der Sache selbst, sondern picken einige nebensächliche Details heraus und diskutieren endlos über sie. So gut wie keiner versuchte, die Behauptungen der Offiziere zu widerlegen, weder in bezug auf den vorgeschlagenen Angriff auf den Iran noch in bezug auf das Palästinenserproblem. Sie konzentrierten sich auf die Sprecher, nicht auf das, was sie gesagt hatten. Beide, Dagan und Diskin, seien verbittert, weil ihre Dienstzeit nicht verlängert worden sei. Sie fühlen sich gedemütigt, reagierten ihren persönlichen Frust ab und sprächen aus reiner Boshaftigkeit und Rachsucht, wurde behauptet. Wenn sie dem Ministerpräsidenten nicht trauten, warum standen sie nicht auf und kündigten, während sie im Amt waren? Warum sprachen sie nicht vorher? Wenn dies eine Sache von Leben und Tod ist, warum warteten sie? (…)
Der Mann, dem seine Sicherheitsberater messianische Tendenzen vorwerfen, wurde vergangene Woche von einem persönlichen Schicksalsschlag getroffen. Sein Vater, Ben-Zion Netanjahu, starb im Alter von 102 Jahren. (…) Zweifellos hatte der Vater einen sehr großen Einfluß auf seinen Sohn. Er war Historiker, dessen ganzes intellektuelles Leben auf ein Thema konzentriert war: die spanische Inquisition – ein traumatisches Kapitel der jüdischen Geschichte, vergleichbar mit dem Holocaust. Ben-Zion Netanjahu war ein extremer Rechter, von der Idee besessen, die Juden könnten jeden Moment ausgelöscht werden, und deshalb könne man keinem Nichtjuden trauen. (…) Der Vater war eine sehr verbitterte Person. Als Historiker war er nie von der akademischen Welt in Jerusalem akzeptiert worden, die seine Theorien ablehnte. (…) All dies formte den Charakter und das Weltbild von »Bibi« (…). Wenn Benjamin jetzt endlos über den kommenden zweiten Holocaust spricht und darüber, daß es seine historische Aufgabe sei, ihn zu verhindern, so ist dies nicht nur ein Trick, um die Aufmerksamkeit vom Palästinenserproblem abzulenken oder um sein politisches Überleben zu sichern. Er dürfte – ein erschreckender Gedanke – tatsächlich daran glauben. Das Bild, das auftaucht, ist genau dasselbe, wie es Yuval Diskin malte: Ein vom Holocaust besessener Phantast ohne Kontakt zur Realität, keinem Nichtjuden trauend, versucht, in die Fußstapfen eines starrköpfigen, extremistischen Vaters zu treten – insgesamt eine gefährliche Person dafür, eine Nation durch eine wirkliche Krise zu führen. Doch dies ist der Mann, der nach den Meinungsumfragen dabei ist, in vier Monaten die nächsten Wahlen zu gewinnen.
(Übersetzung aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert. Redaktionell gekürzt)