Vielfalt fördert Bildungsgerechtigkeit

Freie Schulen sind private Schulen, die in Trägerschaft von gemeinnützigen Initiativen und Organisationen, Kirchen oder Verbänden arbeiten. Diese Schulen gründeten und gründen sich aus Unzufriedenheit mit den staatlichen Schulen heraus. Werden Bildungsbedürfnisse öffentlich nicht befriedigt, organisieren sich Menschen oder Gemeinschaften eben selbst. Hier gilt nicht nur die Freiheit des Einzelnen, sondern auch die von Gruppen. Zu Unterscheiden sind davon die Privatschulen, die zu Recht als elitäre Schulform für die besser- und bestverdienenden wahrgenommen werden, selbst wenn sie in Einzelfällen auch Schüler gering verdienender Familien aufnehmen. Von letzteren Schulen ist hier nicht die Rede.

Die Geschichte der freien Schulen ist untrennbar mit dem Voranbringen alternativer Schulmodelle, dem Ausprobieren und der Fortentwicklung reformpädagogischer Ansätze verbunden, die sich explizit in Abgrenzung von staatlichen (und früher kirchlichen) Schulen aufgrund unterschiedlichster festgestellter Mängel entwickelten. Sie waren und sind damit immer Ausdruck emanzipatorischer Bewegungen für ein anderes Bildungssystem – unabhängig von der jeweiligen Ausrichtung. Als bekanntere Beispiele seien hier nur die Waldorf- und Montessori-Schulen genannt.

Inhalte und Formen dieser freien Schulen wurden manchmal später in Teilen von öffentlichen Schulen übernommen und haben diese dadurch vereinzelt befördert. Eine von mehreren Ideen der Schule für alle, wie sie z.B. in Berlin mit der Gemeinschaftsschule versucht wird umzusetzen, ist ja die des gemeinsamen Lernens von schwachen und starken Schülern, das nicht durch eine spätere Ausdifferenzierung in der weiteren Schullaufbahn beendet wird. Dies ist ein Ansatz, der in vielen alternativen Schulformen nur für müdes Gähnen sorgt, da er gerade dort seit vielen Jahren konzeptioneller Kernbestandteil ist. Dies spricht nicht gegen das Konzept Gemeinschaftsschule, zeigt aber, dass sich staatliche Schule aus sich heraus mit konzeptioneller und struktureller Wandlung schwertut.

Politik sollte in ihrer besten Form immer emanzipatorische Konzepte befördern, da diese am ehesten notwendige Reformen erkennen und umsetzen können. Staatliche Strukturen befördern oft, selbst wenn sie gut gemeint sind, das Konservieren vorhandener Handlungsansätze und behindern damit neues Denken. Dies ist ein wesentlicher Grund für die strukturelle Schwerfälligkeit oder gar Unmöglichkeit, die öffentliche, staatliche Schullandschaft so umzubauen, dass nicht nur die theoretischen Bildungschancen sondern auch die praktischen Bildungsergebnisse der Schüler unabhängig von der sozialen Herkunft auf hohem Niveau sind.

Die Absetzbewegungen von den staatlichen Schulen sind nur noch für jene nicht erkennbar, die diese aus prinzipiellen Gründen ablehnen. In die Misere der öffentlichen Bildungslandschaft stoßen zum einen Privatschulen mit hohem Schulgeld, wobei sich viele Eltern die Kosten vom Munde absparen, in der Hoffnung auf eine bessere Bildung ihrer Kinder. Daneben gibt es verstärkt Tendenzen freie Schulen zu gründen, die allen, unabhängig von der sozialen Herkunft, offen stehen. Freie Schulen werden in Deutschland immer vom Staat (mit)finanziert, sofern die Politik dies will.

Nichtöffentliche Schulen werden also in den nächsten Jahren verstärkt entstehen, sie tun es ja bereits jetzt. Politik sollte vernünftiger Weise nicht darin bestehen, das Entstehen privater Schulen zu verhindern. Aus linker Perspektive muss dafür gesorgt werden, dass eine Mehrheit dieser privaten Schulen freie Schulen in freier Trägerschaft werden, die unabhängig von sozialer und kultureller Herkunft allen offen stehen und mit alternativen Bildungskonzepten die Eltern von sich überzeugen. Verzichtet Politik darauf, nimmt sie sich Gestaltungsspielräume und überlässt das Feld denjenigen, die soziale Auslese im eigenen Interesse fortschreiben wollen und somit die weitere Spaltung der Bildungslandschaft mindestens mutwillig in Kauf nehmen. Die Fortentwicklung der öffentlichen Schulen steht dazu in keinem Widerspruch.

Dass ein öffentliches, staatliches Schulsystem mitnichten für gerechte Bildungschancen sorgt, zeigt sich nicht nur an der katastrophalen jetzigen Situation. Auch die allgemeinbildende gemeinsame Schule in der DDR vollzog eine gewollte Auslese. Schüler, deren Familien nicht in das System der politischen Verwertung passten, wurden benachteiligt – nicht nur dadurch, dass sie kein Abitur machen konnten. Die späteren Berufschancen derjenigen Schüler wurden so erheblich geringer. Wer also die öffentliche (staatliche) Schule als Garant für Bildungsgerechtigkeit propagiert, der sei auch daran erinnert.

spa.

Update: Der Artikel wurde (leicht verändert) am 3.4.09 in der Tageszeitung Neues Deutschland unter der Überschrift Ausdruck von Emanzipation abgedruckt.


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