Vielen Dank, Gerrit Koch!

Von Schalies

„Gerade in dieser Zeit freue ich mich, dass ich als geborener Lübecker Sie und Ihre Interessen im Schleswig-Holsteinischen Landtag vertreten darf“, so begrüßt Gerrit Koch (FDP) als einziger Lübecker Landtagsabgeordneter die Besucher auf seiner Homepage. Und damit wirklich auch jeder merkt, dass er es hier mit einem waschechten Lübecker Lokalpatrioten zu tun hat: „Ich bin stolz, ein Bürger Lübecks zu sein.“

Dass Anspruch und Realität oft meilenweit auseinander liegen, ist gerade deshalb eine Binsenweisheit, weil sie praktisch täglich bestätigt wird. Gerrit Koch macht da keine Ausnahme, wie die gestrige Debatte im Landtag zum Thema „Kindertagesstätten“ zeigt.

In der Sache geht es darum, wer für die Kosten der durch Bundesgesetz (SGB VIII) ab 2013 eingeführten Pflicht zur Vorhaltung von Betreuungsangeboten für Kinder unter 3 Jahren aufzukommen hat. Es geht um schätzungsweise 130 Mio. Euro Jahr für Jahr, für die die klammen Kommunen des Landes einstehen sollen. Da kam den schleswig-holsteinischen Kreisen und Städten ein Urteil des Landesverfassungsgerichtes von Nordrhein-Westfalen gerade recht. Dieses hatte am 12. Oktober 2010 entschieden, dass das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) den dortigen Kommunen die Kosten für die Ausweitung des Kinderbetreuungsangebotes ersetzen müsse. Anspruchsgrundlage sei das sog. „Konnexitätsprinzip“ in der Landesverfassung  von NRW. Dies lautet vereinfacht: „Wer die Musik bestellt, bezahlt.“

Da auch die Landesverfassung von Schleswig-Holstein dieses „Konnexitätsprinzip“ enthält (Art. 49 Abs. 2), drohte Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe der Landesregierung prompt mit einer Verfassungsklage, sollte das Land nicht die Kosten übernehmen (vgl. Lübecker Nachrichten vom 23.10.2010). Schließlich sei „die Rechtslage eindeutig“. Allerdings sprach Saxe nicht in seiner Eigenschaft als Bürgermeister der Hansestadt Lübeck, sondern als Vorsitzender des Schleswig-Holsteinischen Städtetages, also dem kommunalen Landesverband, der gemäß seiner Satzung die Interessen der Städte unseres Landes gegenüber dem Land wahrnehmen soll.

In seiner gestrigen Landtagsrede wies Gerrit Koch nun auf möglicherweise entscheidende Unterschiede der Rechtslage in Schleswig-Holstein im Vergleich zu derjenigen in NRW hin – Unterschiede, die übrigens erst der wissenschaftliche Dienst des Landtages herausgearbeitet hat. In unserem Land wurde die Aufgabe der
Kindertagesbetreuung (genauer: der örtlichen Jugendhilfe) nach dem SGB VIII (Bundesgesetz) bereits 1992 auf die Kommunen übertragen, und damit vor Einfügung des Konnexitätsprinzips in die Landesverfassung (1998). Da dieses Prinzip nicht rückwirkend gilt, gehe die mit der Ausweitung der Betreuungspflicht einhergehende zusätzliche Kostenbelastung zu Lasten der Kommunen. In NRW dagegen erfolgte die Aufgabenübertragung auf die Kommunen erst nach Festschreibung des Konnexitätsprinzips in die dortige Verfassung.

Nun ist dieser Hinweis sicher legitim und zur Versachlichung der Debatte erforderlich. Völlig unverständlich sind aber die fast schon persönlichen Angriffe des Lübecker Landtagsabgeordneten gegen Bernd Saxe. Zitat aus der Rede:

Das Urteil des Landesverfassungsgerichts von Nordrhein-Westfalen mag zwar den finanziell klammen Kommunen unseres Landes als Strohhalm dienen. Das ist verständlich – vor allem wenn man als Bürgermeister und Finanzsenator in Personalunion an der Spitze einer finanziell völlig gestrandeten Stadt steht.

Und weiter:

Unser wissenschaftlicher Dienst (Anm.: des Landtages) kann leider nicht auch für den Lübecker Bürgermeister tätig werden. Aber das dortige Rechtsamt beschäftigt ja durchaus fähige Juristen.

Noch einmal: Der gescholtene Bernd Saxe hatte mitnichten in seiner Eigenschaft als Lübecker Verwaltungschef gesprochen, als er von der Landesregierung in Kiel Konsequenzen aus dem Urteil des Verfassungsgerichts von NRW forderte, sondern als Vorsitzender des Städtetages. Dies sollte der studierte Jurist Gerrit Koch eigentlich bemerkt haben – auch ohne Unterstützung des wissenschaftlichen Dienstes des Landtages oder gar des städtischen Rechtsamtes. Die Äußerungen Saxes jetzt im Rahmen einer im Kieler Landtag gehaltenen Rede zu massiven Breitseiten gegen den Verwaltungschef der Stadt zu nutzen, deren Bürger zu sein ja nach eigenem Bekunden Kochs ganzer Stolz ist, erscheint völlig „daneben“!

Abgesehen davon hat Gerrit Koch kein einziges Wort darüber verloren, wie die Städte unseres Landes die Mehrkosten für die Ausweitung der Kindertagesbetreuung verkraften sollen – allein in Lübeck wird die zusätzliche Haushaltsbelastung auf fast 10 Mio. Euro jährlich geschätzt. Stattdessen wirbt der Abgeordnete vom Podium des Kieler Landtages für seine Geburtsstadt mit dem Titel einer „finanziell völlig gestrandeten Stadt“ und blockt alle Forderungen der Kommunen gegen das Land ab! So sieht es also aus, wenn ein „geborener Lübecker“ uns und unsere „Interessen im Landtag vertreten darf“! Wir Lübecker sagen: „Herzlichen Dank, Gerrit Koch!“