Cole Phelps ist Kriegsheld und Streifenbulle im Los Angeles der 40er Jahre. Durch seinen Intellekt und seine Kombinationsgabe gelingt es ihm rasch, innerhalb der Polizei der Stadt der Engel aufzusteigen. Und – suprise, surprise – Ihr spielt Cole Phelps.
Ungefähr zwanzig Stunden Spielzeit später habe ich alle Höhen und Tiefen des Polizistendaseins durchlebt. Und ganz im Sinne der Traumfabrik sage ich jetzt einfach:
Film ab!
Als ‘Film noir’ bezeichnet man ein Genre des Film, das in den 40er und 50er Jahren als Gegenkultur zum klassischen Hollywoodblockbuster aufkam. So ist es wenig verwunderlich, dass L.A. Noire sich großteils an den Elementen dieses Genres orientiert. Und es gibt einiges zu kritisieren, aber die Athmosphäre des Spiels ist jedem Zweifel erhaben. Das Los Angeles der Nachkriegszeit ist unglaublich authentisch geworden. Die Stadt sieht einfach fabelhaft aus, die Fälle, die man als Cole Phelps löst, sind unglaublich spannend inszeniert und der Score des Spiels – vor allem wenn man im Auto Radio hört – fangen die Zeit gnadenlos gut ein. Dazu kommt die filmische Inszenierung der Geschichte und die gute Lippen-Synchronisation des Englischen. Auf Deutsch gibt es das Spiel nicht, lediglich die Untertitel und Menüs verbleiben in unserer Sprache.
Athmosphärisch betrachtet erinnert mich das Spiel sehr stark an Red Dead Redemption, das Westernhighlight des letzten Jahres. Und genau wie RDR hat auch L.A. Noire einige Schwächen.
L.A. Noire ist ein spielbarer Film, fast genauso wie Heavy Rain es sein wollte. Und vor allem die Authenzität durch das verwendete Motion Capturing-Verfahren (jede einzelne Spielfigur wurde per Computer mithilfe eines Schauspielers integriert) lässt das Spiel sehr realistisch erscheinen.
Doch dies ist auch die größte Schwäche des Spiels.
Genau wie der Quicktimeevent-Overkiller Heavy Rain leidet L.A. Noire an spielerischer Armut. Es hört sich alles eigentlich sehr gut an:
Ihr spielt einen Detective, erkundet Tatorte, verhört Zeugen und stürzt euch in atemberaubende Verfolgungsjagden.
Tatorte – Am Anfang macht es Spass, aber spielerische Freiheit sieht anders aus. Wie auf dem Silbertablett präsentieren die Musik und der Vibrationsmotor des Controllers jeden erdenklichen (un)nützen Hinweis. Eine wirkliche Suche nach Indizien und Beweisen gerät dadurch schnell in ein zielloses Umherstochern im berühmten Heuhaufen.
Zeugen – Die interessanteste Neuerung des Spiels. Denn durch die Motion-Capturing-Gesichter wird jede Emotion und jede Unsicherheit ausdrucksstark präsentiert. Ihr müsst bei Verhören immer ausloten, ob der Verdächtige bzw. Zeuge die Wahrheit spricht oder lügt. Bei Letzterem könnt ihr entweder den Wahrheitsgehalt anzweifeln oder die Lüge mit einem Beweis, den ihr an einem Tatort entdeckt habt, anfechten.
Doch irgendwann wird dieses Spielchen eine reine Glückssache, weil man mit rationalen Methoden es nicht schafft, die richtige Lüge mit dem richtigen Beweis zu verknüpfen. Und auch die Mimik der Spielfiguren wird irgendwann ziemlich unvorhersehbar.
Keine Angst, auch wenn ihr ein Verhör vermasselt und jede Frage falsch beantwortet wurde – das Spiel geht weiter. Ihr könnt euch wie ein besoffener Kneipendetektiv benehmen und trotzdem zur Lösung des Falles gelangen. Grund hierfür ist die Geschichte, die wie in einem starren Korsett präsentiert wird. Es gibt also gar keine andere Möglichkeit, als das Spiel mit einem „guten“ Ende abzuschließen. Anders als bei Heavy Rain gibt es nämlich keine alternativen Enden und kein weit verzweigtes Netz an Storyfäden.
Richtig dreist wird diese Schwäche vor allem als Ermittler des Morddezernates offeriert. Ihr selbst könnt euch einen Reim auf die Auflösung des falles machen, aber euer Cole Phelps stolpert noch immer blind durch eine Lache falscher Beweise. Und ihr sperrt Unschuldige ein, obwohl ihr WISST, dass sie unschuldig sind. Im Gegensatz zu eurem Charakter.
Verfolgungsjagden – Ab und an kommt ihr mal in den Genuss von Verfolgungsjagden und Action. Die Schusswechsel sind dabei zwar anspruchslos, aber sehr gut inszeniert. Anders die Verfolgungsjagden. Zu Fuß lauft ihr in rasantem Tempo durch die Gassen der Stadt auf der Jagd nach einem Flüchtling. Hier ist die Inszenierung … schwach. Mit dem Auto ähnliches, denn Rasanz ist etwas anderes. Und die erbärmliche Fahrphysik lässt auch jeglichen Realismus vermissen. Sehr kurios wird es bei den Verfolgungsjagden, wenn ihr es nicht schafft eure Beute rechtzeitig zu stellen. Denn dann verhindert ein Autounfall ein Entkommen – wahnsinnig realistisch (Ich hoffe ihr erkennt die Ironie).
Das Spiel macht Spass, aber ist nicht gerade anspruchsvoll geraten. Da ist der nicht-nachvollziehbare Charakter des Cole Phelps die geringste Sorge.
Für Zwischendurch ist das Spiel eineutig zu lang geraten, aber wer mal wieder eine epische Athmosphäre schnuppern will, ist mit L.A. Noire bestens beraten.