In der Kölner Galerie Thomas Zander läuft noch bis zum 4. November eine Einzelausstellung des Künstlers Victor Burgin. In einer für Burgin charakteristischen Verbindung von konzeptueller Strenge und poetischer Ambiguität lotet die Ausstellung Beziehungen von Raum, Erinnerung und Begehren aus und zeichnet die zeitliche Entwicklung seines Werkes von Fotografie über Video zu Computer Modelling nach.
Ausstellungsbeschreibung
Some Cities ist der Titel eines 1996 veröffentlichten Buches von Victor Burgin, in dem sich der Künstler anhand seiner Fotografien und kurzer Anekdoten ihm vertraute Städte vergegenwärtigt. Die Ausstellung zeigt erstmals drei Gruppen von Fotografien, die frühesten aus dem Jahr 1974, aus Burgins Künstlerbuch, welches weit über das Anekdotische hinaus geht und eine Auseinandersetzung mit Fragen nach Raum und Erinnerung liefert. Diese Arbeiten repräsentieren die erste Phase seines künstlerischen Umgangs mit der Kamera, in der er sich auf das Genre der 35mm Schwarzweiß-Street-Photography bezieht, um sich dem Thema Stadt zu nähern. In den ersten Zeilen seiner Publikation wird klar, dass Burgin die Schnittpunkte des Öffentlichen und Privaten aufspürt: „Our relations with cities are like our relations with people. We love them, hate them, or are indifferent toward them. On our first day in a city that is new to us, we go looking for the city. We go down this street, around that corner. We are aware of the faces of passers-by. But the city eludes us, and we become uncertain whether we are looking for a city, or for a person.“ In seiner Installation Love Stories #2 (1996), fasst der Künstler die Beziehung seiner Kamera zur Straße in einer Videoarbeit neu und setzt dabei Ton und Bewegung, Stille und Standbilder ein. Drei Monitore auf weißen Säulen zeigen in Endlosschleife anonyme Passanten, die sich in Zeitlupe durch den öffentlichen Raum bewegen. Alternierend mit den Aufnahmen füllen sich die Bildschirme mit je einer Farbe – rot, grün, blau – die Komponenten RGB eines Videosignals, mit denen das Werk die Bedingungen seines Mediums spiegelt. Die farbigen Bildschirme sind mit den Stimmen von Protagonistinnen aus klassischen Hollywoodfilmen unterlegt, die über Selbst- und Fremdbilder in Liebesbeziehungen sprechen. Die minimalistische Anordnung der Installation bildet den Rahmen, der die willkürlichen Verhältnisse der drei nicht synchronisierten Loops zueinander einfasst. Den Ausgangspunkt für Burgins Arbeit The Ideal City (2014), in der sowohl die Kamera als auch die Stadt nur noch im virtuellen Raum eines 3D Computermodells existiert, bildet seine Erinnerung an eine Gruppe von Gemälden sowie an Michelangelo Antonionis Film Die Nacht (1961). Burgin zufolge werden Filme, ähnlich wie Städte, in der Erinnerung fragmentiert und transformiert. Er bedient sich einer kurzen Sequenz, in der die weibliche Hauptfigur allein und scheinbar ziellos an einer Flucht von Fassaden entlang durch die verlassenen Straßen Mailands geht, die ihren inneren Zustand reflektieren. Burgin assoziierte den Ausschnitt und die Orte darin mit einer Dreiergruppe von Quattrocento Gemälden, die heute kollektiv als Die ideale Stadt bekannt sind und sich in Museen im italienischen Urbino, in Baltimore und Berlin befinden. Die Autorenschaft der Gemälde ist ungewiss, ebenso die mit ihnen verbundene Absicht, sei es als eigenständige Gemälde, als Illustrationen einer Architekturtheorie oder als Entwürfe für Theaterkulissen. Burgin verbindet diese beiden Bezüge in seinem Werk zu einer Projektion, zwei großformatigen Prints und einem Text. Wiederum spielt hier die psychoanalytische Frage des Begehrens nach einem abwesenden Objekt hinein in eine (Re-) Konstruktion der Vergangenheit. In den zwischenmenschlichen Beziehungen, in Verbindungen zur Vergangenheit, zu Orten, Bildern oder Sprache zeigt Burgin die vielfältigen Beziehungen zur Welt auf, die erst Bedeutung produzieren und Identitäten bilden.
Seit den späten 1960er Jahren gilt Victor Burgin als wegbereitender Konzeptkünstler und einflussreicher Kulturtheoretiker des bewegten und unbewegten Bildes. Burgin, geboren 1941 in Sheffield, wurde vor allem durch seine konzeptuellen Foto/Text-Arbeiten bekannt und oft im Zusammenhang mit der Art & Language Bewegung diskutiert. 1986 wurde der Künstler für den Turner Preis nominiert. In seinen umfangreichen Schriften situiert Burgin sein Werk in einem semiotischen, historischen und psychologischen Kontext. Victor Burgin ist Professor Emeritus für Bewusstseinsgeschichte an der University of California, Santa Cruz, und emeritierter Inhaber des Millard Lehrstuhls für Bildende Kunst am Goldsmiths College, University of London. Seine Arbeiten wurden vielfach in internationalen Ausstellungen gezeigt und sind in bedeutenden institutionellen Sammlungen vertreten wie dem Metropolitan Museum of Art und dem Museum of Modern Art in New York, dem Los Angeles County Museum of Art, dem San Francisco Museum of Modern Art, der Tate Modern, London, dem Museum Ludwig in Köln, und dem Centre Pompidou, Paris.
- Galerie Thomas Zander
Wann und wo
Galerie Thomas ZanderSchönhauser Straße 8
50968 Köln
2. September bis 4. November 2017