Bei unserem Auftakt zur Via Spluga entdeckten wir auf Etappe 1 von Thusis bis nach Zillis bereits die Spuren damaliger Säumer und Händler. Wir liefen nah am Wasser entlang, tief hinunter bis in die Viamala-Schlucht und kürzten Etappe 2 mit dem Bus Richtung Splügen ab. Ein geschichtsträchtiger Ort, der ähnlich wie Thusis von dem Leben an der Nord-Süd-Transitroute erzählt. Das Hotel Bodenhaus, auch nach seine Modernisierung, strahlt einen besonderen Charme vergangener Zeiten aus. Welche Menschen haben hier wohl im 19. Jahrhundert Rast gemacht bevor sie ihren Weg weiter nach Italien fortgesetzt haben? Man munkelt Berühmtheiten wie Friedrich Nietzsche, Napoléon Bonaparte und Wilhelm Conrad Röntgen hätten sich ins hauseigene Gästebuch eingetragen… wir gesellen uns im Geiste zu ihnen und genießen das hervorragende Büdner Essen (und Trinken) bevor wir am nächsten Tag nach „bella Italia“ weiter wandern.
Von Splügen bis nach Isola in Italien
Die Via Spluga ist einer der 8 Weitwanderwege Graubündens, der von Thusis über den Splügenpass bis ins italienische Chiavenna führt. Auf den Spuren des historischen Alpen-Transitweges folgend, verteilen sich die insgesamt 4 Etappen anspruchsvoll auf eine Gesamtlänge von 68 km und 3.600 Höhenmetern. Die Orte zu Beginn und Ende jeder Etappe bieten passende Unterkünfte für Wanderer und praktischerweise auch einen Transport für Gepäck und Lunch-Pakete an. Nicht selten kann man im hauseigenen Spa die Anstrengung des Tages ausgleichen. Auf der Route und besonders in den Orten, wird die Geschichte der damaligen Transitroute spürbar. Historische Lagerhäuser, schmale Passwege und die Offenheit der Menschen, zeugen von einer Zeit des florierenden Handels und Reichtums. Zwischen den Orten erlebt man spektakuläre Natur, die sich spürbar Richtung Süden verändert und die man oft ganz alleine genießen kann.
Splügen – Cardinelloschlucht – Isola (17 km, +700/-900 HM, 6 h)
Highlights: Splügen, Splügenpass, Grenzüberquerung Schweiz-Italien, wandern oberhalb der Baumgrenze, Alpkühe und Hirte am Fluss, Pause in einer Wildblumenwiese, Cappuccino in Montespluga, kuscheln mit zwei Eseln, Staubecken vor der Cardinelloschlucht, versteckte Murmeltiere
An den von mir genannten Highlights lässt sich vielleicht schon ableiten, dass diese Etappe (ja, ich verrate es jetzt schon!) mein Favorit der insgesamt 4 Etappen ist. An einem Tag bekommen wir das volle Paket Natur, Berge, Kultur, sportliche Herausforderung, Genuss, Ruhe, Charakterköpfe und Tiere in freier Wildbahn. Zu dem Zeitpunkt als auch später während ich die Fotos für diesen Artikel zusammenstelle, bin ich erstaunt wieviele verschiedene und intensive Momente wir erlebt habe. Im Geist laufe ich die 17 Kilometer erneut und lasse diese Moment Revue passieren… Bereits „eingelaufen“ vom Tag davor, laufen wir gestärkt und motiviert von Splügen los Richtung Italien. Ein steiler Anstieg für uns Schritt für Schritt stetig hoch zum Pass, ohne Gnade vor Asphalt-gewohnten-Großstadtmenschen. Wir müssen schließlich hoch bis über die Baumgrenze, das ist noch ein ganzes Stück. Doch die Mühe lohnt sich: der Blick nach hinten ist einfach am schönsten, wenn man ganz oben angekommen ist.
Über den Splügenpass
Je näher wir uns der Baumgrenze nähern, desto mehr blitzen die weißen Gipfel der Berge auf. Der rauschende Fluss verengt sich zu vielzähligen kleinen Bächen, anstelle der Nadelbäume machen sich Wiesen und Wildblumen breit, der Weg wird karger und die Steine größer. Nur vereinzelte Schilder und ein Trampfelpfad mitten durch die Berge weisen uns den Weg. Auch hier wieder unvorstellbar, wie sich damals Händler samt Karren und Vieh über diesen unebenen Weg gequält haben müssen. Für uns heute eine Wohltat, so finden wir (die für uns sonst ungewohnte) Abgeschiedenheit von der Zivilisation und damit auch herrliche Ruhe. Auf der Höhe eines Bachlaufs kreuzen wir den Weg ein Kuhherde samt Bauern. Seine Hirtenhündin begrüsst uns so freundlich, dass ich meine ein Lächeln in ihrem Gesicht erkennen zu können. Mitten „durch die Kühe“, Auge in Auge, schreiten wir zaghaft vorwärts und passen uns dem natürlichen Tempo an. Neugierig wird an uns geschnuppert, dass ich es nicht lassen kann zurück zu streicheln.
Ein Stück weiter, mitten in einer Hügellandschaft voller Wild- und Bergblumen, legen wir eine Rast ein und kuscheln uns förmlich in dieses natürliche (Gras-)bett. Die Hügel formen meine Liege, mein Rucksack ist das Kopfkissen und die Aussicht meine Unterhaltung. Umzingelt von Kühe genieße ich dieses Naturerlebnis mit allen Sinnen und fühle mich – wie lange nicht mehr – vollständig. In diesem Moment brauche/möchte/wünsche ich mir nicht mehr, als genau das hier wie ist.
Italienisches Flair in Montespluga
Mit der Überschreitung der Grenze wechselt – auch wenn man es nicht meinen mag – das Flair. Im italienischen Örtchen Montespluga erwartet uns geschäftiges Treiben, bunte Hausfassaden und ein typisch italiensicher Cappuccino. Die Menschen hier sind auf der Durchreise, ganz wie damals auf dem Transitweg. Nur sitzen sie nicht hoch zu Ross oder Karren, sondern auf dem Motorrad oder im Auto. Da sind wir noch am ursprünglichsten unterwegs: mit unseren Füßen die uns samt Gepäck bis hierher getragen haben… und noch weiter. Unser Weg führt uns mitten durchs Land über saftige Wiesen und entlang des Wassers, vorbei an grasenden Pferden und Eseln. Diese scheinen übrigens den Blick in unsere Fotokameras als Aufforderung uns zu folgen zu verstehen… ein ganzes Stück begleiten sie uns neugierig bis die grünen Grasbüschel wieder interessanter werden.
Bäume gibt es hier oben auf 1.550 HM lange nicht mehr, doch das Wasser rauscht wieder kräftig neben uns. Diese Kraft wird einige Meter weiter, kurz vor der Cardinelloschlucht in Form von Staubecken genutzt. Was für ein Panorama! Wie ein feiner Schnitt wölbt sich die Staumauer in den Fels hinein und schneidet das Wasser förmlich ab. Dahinter ein weiter Blick in die Schlucht, welcher wir folgen werden.
Durch die Cardinelloschlucht bis nach Isola
Von der Staumauer Montespluga aus, geht bis nach Isola nur noch bergab… was sich nur auf die Höhe bezieht, die Stimmung hingegen ist großartig. Wie ein Akku aufgeladen mit Energie, jogge ich zusammen mit Andi Teile des Weges regelrecht runter. Die großen Steine sind wie Stationen auf einem Parcours dem wir hüpfend folgen. Unweigerlich muss ich an (meine) Faszien denken, über die ich kürzlich gelesen habe und die sich bei diesen abwechslungsreichen Bewegungen sicherlich freuen werden. Auch der Blick in die Tiefe vom teilweise schmalen Weg aus hat seinen Reiz. Das Wasserrauschen kommt immer näher und auch erste Bäume lassen sich wieder blicken. Beste Versteckmöglichkeiten für kleine dicke Murmeltiere… nur wenn sie zu neugierig sind, landen sie schon mal auf einem unserer Bilder.
Übernachten und Tour buchen
Die Wanderung entlang der Via Spluga kann man gut auf eigene Faust unternehmen und sich über die Website der Viamala Region bestens informieren. Dort gibt es neben nützlichen Infos und Bildern rund um den Wanderweg auch sehr praktische und günstige Pauschalangebote. Für bereits 506 € kann man beispielsweise 5mal im Doppelzimmer mit Frühstück übernachten, bekommt jeden Tag ein Lunchpaket, hat kostenlosen Einritt zu vielen der Sehenswürdigkeiten auf der Strecke (wie z.B. der Viamala-Schlucht) sowie Kartenmaterial und kann sich das Gepäck bequem von Hotel zu Hotel fahren lassen. Alle Angebote lassen sich außerdem individuell modifizieren und nach eigenen Wünschen anpassen, am Besten direkt über das Viamala Tourismusbüro.
Mehr über die Via Spluga
Auf den 3 ausgewählten Etappen der Via Spluga war ich zusammen unterwegs mit den Bloggern von Gipfelfieber, Trendlupe, Bunterwegs und Der Outdoortester. Trotz unterschiedlich sportlichem Niveau haben wir die Strecke allesamt bestens gelaunt und gesund gemeistert – von ein paar Blasen abgesehen. Jeder von uns hat diese Reise als etwas Besonderes empfunden, aber immer auch etwas eigenes beobachtet. Daher lohnt es sich auch die Berichte der anderen Blogger zu lesen. Hier folgt in Kürze dann auch mein Bericht über Etappe 04… ich sag nur: bellissima!
Via Spluga – Etappe 1: Von Thusis bis Zillis
Via Spluga – Etappe 3: Von Splügen bis Isola
Via Spluga – Etappe 4: Von Isola bis Chiavenna