Verzweiflung und Hoffnung...

Von Schamanenstube

Hoffnung und Verzweiflung

Es ist Winterzeit. Zeit, sich intensiv Gefühlszuständen widmen zu können.
Die Verzweiflung ist ein Zustand, in welchen wir uns ungerne begeben. Zuweilen ist es als Therapeut wichtig, Gefühlszustände in ihrer Art und Beschaffenheit genau zu verstehen. So legen wir uns die Maske der Verzweiflung an und schauen hinter diesen Zustand.
Eine therapeutische Inszenierung hat letzthin eine Verzweiflung aufgetan, in die wir eintauchen, um mehr zu verstehen. Da wir im Schamanismus davon ausgehen, dass grundlegende Gefühle bei allen sich sehr ähnlich gestalten, begeben wir uns selbst in die Verzweiflung und schauen uns an, was das mit uns macht.
Wie immer bleiben wir im Schamanismus Therapie-Rahmen der Ursache - Zustand - Auswirkung.
Der schamanische Einstieg beginnt mit der Wahrnehmung der Situation, die wir aus dem Beispiel der Inszenierung auf uns wirken lassen.

Erleben der Verzweiflung

Der Mantel der Verzweiflung umhüllt uns gleich sehr beengend. Ein hoher Kragen versperrt die Sicht nach links und rechts. Scheuklappen. Das Geschehen vor uns nehmen wir zwar wahr, richtig interpretieren können wir es nicht. Wir sehen nur weitere Trigger, die uns aus der Bahn werfen. Chaos tut sich uns auf, wir sind nicht Herr der Lage. Wir werden Ziel der Lage, Ziel dessen, was vor uns passiert. Ein Fluchtreflex stellt sich ein, doch der schwere Mantel hält uns im Rücken zurück.
Was ist denn das für ein perfides Gefühlswesen?
Wir entschliessen uns durchzuhalten und zu sehen, was mit uns passiert. Eine Woge glättet sich, doch eine immense Unzufriedenheit bleibt und wir zittern am ganzen Körper. Die nächste Angriffswelle formiert sich. Wir wissen, wir werden nicht mit ihr klar kommen. Wir bleiben stehen. Es trifft uns vorbereitet und zugleich unvorbereitet. Die Wucht des Aufpralls schmeisst uns nicht um: wir erstarren. Wir versteinern.

Erstarren im Unverständnis

Verzweifelt sein

Nach der hohen Erregung in der auslösenden Situation der Verzweiflung folgt ein Ermatten. Die Bedrohung ist zwar weg, es bleibt aber eine Starre in den Muskeln. Der Mantel ist abgeworfen, die Starre ist ins Innere geschlichen. Es stellt sich ein Zustand der Ausweglosigkeit ein, die klassische Tragödie. Man wird wieder diesem Einfluss ausgesetzt werden. Und man weiss, wenn es länger geht, bis das wieder passiert, kann man so tun, als wäre dem nicht so. Sich dieser Selbstlüge hinzugeben verleiht einem Trost.

Ist der Trost hier sinnvoll?

Wenn man einer Situation immer wieder begegnen wird und dabei sich selbst oder von jemand anderem getröstet wird, erscheint Trost im ersten Moment lindernd. Wir merken aber, dass in dieser Linderung eine Gefahr besteht, wieder zu den Grundwerten der Ursache der Verzweiflung zurück zu kehren. Diese Grundwerte haben nämlich eine edle Gesinnung, sind anstrebungswürdig und stellen ein Ideal dar.
Dieses Ideal aufrecht zu erhalten, macht einen zum Opfer. Zum Opfer der Situation, zum Opfer des Hoffens auf die Erfüllung der edlen Gesinnung.

Ursachensuche der Verzweiflung

In unserem speziellen Fall ist die Ursache schon erspürbar: etwas Gutes, eine gute Gesinnung, etwas Erstrebenswertes steckt dahinter. Hinzu kommt, dass Klarheit zu existieren scheint, dass andere dieses Gut zu seiner Vollendung führen können. Wir aber scheitern.
Spannendes Teil.
Nochmals einen Blick nach vorne in den Zustand höchster Verzweiflung werfend, erkennen wir weitere Ingredienzien: zur Hoffnung gesellt sich die Perfektion, die hochgetrieben wird zum Wahn. Auf dem Weg in chaotische Zustände. Einen der Zustände des Chaos kennen wir ja: die Tragödie. In der Tragödie gibt es keinen Ausweg.
Schamanisch gesehen ist eines klar: es ist der falsche Weg, den man beschreitet. Der Weg ins Chaos, um etwas zu erfüllen, was man als höchstes Gut ansieht, führt nie zum Erfolg, sondern immer zur Aufopferung einer selbst in einer Pseudo-Ehre.
Wenden wir uns also den Ursachen zu und drehen unsere Blickrichtung zurück auf den Schatz, den man da erstrahlen lassen will.

Die Maske der Hoffnung

Wirrungen der Hoffnung

Entweder geht es nicht anders, als zu hoffen, oder der Schatz, der erfüllt werden soll, wird mit so viel Wert behaftet, dass man es ihm schuldig ist, den Weg des Wahns zu beschreiten.
Im Schamanismus ist die Hoffnung sehr oft unterschwellig von der Faulheit und der Feigheit begleitet. Das in Religionen hochgeschätzte Gefühl der Hoffnung bezeichnen wir im Schamanismus eher lebensfeindlich. Es steht da und wartet darauf, dass endlich die Gerechtigkeit obsiegt und erkannt wird, was man verdiene. Das setzt immer eine höhere Intelligenz voraus, die sich um einen kümmern soll. Perfektes Gefühl für Religionen, fürs reine Mensch-Sein allerdings eine klassische Wirrung.
Verfolgen wir die Starre des Mantels der Verzweiflung, so ist es die Hoffnung, die hier bis auf den Tod verteidigt wird. Dahinter der Gerechtigkeitssinn, der das, worauf gehofft wird, in einem unerträglichen Masse rechtfertigt.
Damit haben wir den Übeltäter in unserem Fall erwischt.

Die Wurzel des Übels

Die Wurzel des Übels liegt im vorliegenden Fall wahrscheinlich in der Wertung, der Bewertung des Schatzes. Es wird etwas höher als man selbst gestellt. Dazu kommt, dass man diesen Schatz verstanden hat. Nun fordert man, dass dieser Schatz auch von anderen verstanden wird, doch die anderen kommen auf einem unterschiedlichen Weg zu diesem Schatz: es ist für sie nur ein Randthema. Damit verschiebt sich die Gewichtung der anderen zum Schatz und degradiert ihn zu einem Thema. Aus. Mehr ist da nicht.
Und einer steht da und will dieses Thema funkeln lassen? - Da fehlt es an der Motivation, am Rahmen, dort hinein zu führen. Grossartig ist erst etwas, wenn es allgemein als grossartig bezeichnet wird. Ein einzelner reicht da nicht. Den stempelt man gerne ab als Freak.

Therapeutisch gehen wir jetzt erst einmal den Weg des Verständnisses über die Gewichtung, die andere zum Thema haben. Ein Familienstellen könnte sich anbieten. Wir fragen nach...