Verwundete Seele


Verwundete Seele
Hallo,
Heute gibt es den 2. Teil vom Eintrag zu dem Thema PTBS/kPTBS.
Ich werde jetzt 2 Traumata aus meinem Leben einmal näher beschreiben. Das könnte eventuell triggern, wobei ich versuche beide möglichst oberflächlich zu beschreiben. Trotzdem habe ich es vorsichtshalber unter einen Spoiler gepackt. Mir fällt es nach wie vor sehr schwer bei so etwas ins Detail zu gehen ohne selbst davon getriggert zu werden. Mittlerweile kann ich das so wie ich es in dem Beitrag aufgeschrieben habe ohne größere Probleme erzählen, aber auch nur weil ich oft genug darüber geschrieben und geredet habe.
Verwundete Seele

Trigger: Mobbing
Ein Hauptauslöser war zweifelsfrei die Mobbingerfahrung während der Realschulzeit. Meine damals beste Freundin fing an mich in der 5. Klasse zu schikanieren und sie schreckte auch nicht davor zurück ältere Schüler darum zu bitten mich zu schlagen oder Morddrohungen auszusprechen. Zeitweise kam es jeden Tag zu körperlicher und seelischer Gewalt. Sie setzte meine Freunde unter Druck bis ich irgendwann alleine da stand. Denn jeder der sich ihr widersetzte landete automatisch dort wo ich stand und wurde gnadenlos schikaniert. Man muss dazu sagen, dass sie andere Leute sehr geschickt manipulierte und die Wahrheit so lange verdrehte, bis sie zu ihrer Geschichte passte. Ihr fiel es leicht auf Knopfdruck zu heulen. Immer wieder kamen mir Gerüchte zu Ohren und auch andere ehemalige Freunde drohten mir Gewalt an. Oft geschah das auf dem Nachhauseweg oder wenn ich es am wenigsten erwartete. Angeblich würde ich hilflose Grundschüler verprügeln und auch sie wäre eins meiner Opfer. Ich gewöhnte mich an all diese Schikanen, an die ganze Gewalt und das alleine sein. Ich stumpfte emotional total ab und versuchte jegliche sichtbare Emotion zu vermeiden. Ich heulte nicht mehr, wenn die Schmerzen kaum auszuhalten waren. Ich verzog nicht mehr die Miene, wenn wieder eine Morddrohung kam.  Anfangs bin ich oft geflüchtet, aber irgendwann gab ich es auf. Es hatte sowieso nichts an der Situation geändert. Dann mit 11 Jahren gab es das Gespräch beim Direktor und wir sollten beide von der Schule suspendiert werden. Denn keiner wusste so genau wer Täter und wer Opfer war und an einer katholischen Schule hat es nun einmal diese Form von Gewalt nicht zugeben. Und danach ging das Mobbing weiter, aber es war hauptsächlich keine körperliche Gewalt mehr auf dem Schulgelände.
Das Mobbing zog sich über 6 Jahre und das trotz ihres Schulwechsels. Eine Entschuldigung gab es nie und ich muss nach wie vor die Erfahrung machen, dass dem Opfer in der Regel die Schuld gegeben wird. Es gab oft genug Situationen in denen Erwachsene eingriffen(Lehrer, Eltern, Freunde, Tanzlehrer uvm) und trotzdem änderte es nicht groß etwas. Oft wählte sie dann nur wieder viel ruhigere Methoden oder konzentrierte sich auf andere Opfer. Und es warf sie dann teilweise auch vollkommen aus der Bahn, wenn ich plötzlich zwischen ihr und den anderen Opfern stand und mich einfach nicht wie die anderen manipulieren ließ. Wenn zum Beispiel das Training ausfiel konnte man zu sehr großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sie an diesem Tag jemand verprügelt oder demjenigen anderweitig Schaden zufügt.
Natürlich stellt sich auch mir die Frage warum so vieles stumm dabei zugesehen haben. Erst einmal vorweg: Das alles geschah in einem Dorf. Die Schule war in der nächst größeren Stadt, aber selbst die ist mit 25.000 Einwohnern vergleichsweise klein. Das Mädchen also die Haupttäterin hatte auch Schüler von anderen Schulen manipuliert und auch die gingen auf mich los. Es war vielen Eltern bewusst was da ablief, aber es stand Aussage gegen Aussage. Und da viele auch schlichtweg aus Angst geschwiegen hatten wurde weggeschaut. Zudem hatte ich so gut wie nie sichtbare Verletzungen. Wahrscheinlich findet man 1.000 Ausreden und auch ich hätte viel früher den Mund aufmachen sollen. Aber wenn man mit 10 bzw. 11 Jahren von ehemals besten Freunden und auch wildfremden Morddrohungen erhält, dann schweigt man nun einmal.
Hier zu dem Thema gibt es so viel zu schreiben, aber ich belasse es dabei.
Für eine sehr lange Zeit fand ich aufgrund des Mobbings jegliche Art von Körperkontakt grausam. Wenn jemand die Arme hob um mich zu umarmen hatte ich mich automatisch weggedreht. Wenn das nicht ging habe ich mich versucht klein zu machen oder war dementsprechend angespannt. Und alle hielt ich auf größt möglichen Abstand. Es brauchte eine wirklich sehr lange Zeit, sehr viele Gespräche und wirklich sehr geduldige Menschen bis sich das wieder besserte. Und ich bewundere immer noch jeden, der mir in der Zeit beistand. Denn ich hatte für mich zu dem Zeitpunkt nur noch Hass übrig und hatte mit immer wiederkehrenden Suizidgedanken zu kämpfen. Auch das ist eins der vielen Gesichter der PTBS und mir fiel es unglaublich schwer damit zu umgehen.
Und auch hier musste ich lernen, dass mein Gegenüber auch diese Seite an mir zu akzeptieren hat. Mir wurde einmal in einer Beziehung gesagt, ich würde ihm also meinem Partner nur mit meinem Verhalten(diese Reaktion auf Umarmungen) schädigen wollen. Das ich nicht bewusst so handle spielt da keine Rolle. Mittlerweile fällt es mir auch wieder leichter auf Menschen zu zugehen, sie auch mal in den Arm zu nehmen oder Menschen auch mal näher an mich heran zu lassen. Aber das hat wirklich lange gedauert und war eine Menge Arbeit. So ganz hat es mich jedoch nie losgelassen und es gibt immer noch gewisse Dinge, die Flashbacks/Intrusionen auslösen. Und bestimmte Berührungen kann ich immer noch nicht zulassen. Aber die gehören auch nicht zu meinem Alltag und deshalb mache ich mir auch kaum Gedanken darum.
Trigger: Arzt, medical PTSD
Ein anderer Auslöser ist zweifelsohne eine der unzähligen Zwischenfälle beim Arzt. Bisher hatte ich ja wenn überhaupt über die Schädelhirnverletzungen, der lange Weg zur Diagnose(Trigeminusneuralgie) geschrieben und die Nervenschmerzen am Fuß hatte ich auch schon thematisiert. Jedoch gab es ein Ereignis, was mich nach wie vor ziemlich sensibel auf bestimmte Themen reagieren lässt. Ungefähr zu der Zeit als das mit dem Fuß so schlimm war hatte ich noch ganz andere Sorgen. Und zwar nahm ich wie so viele Mädchen zu der Zeit die Pille. Ich war 13 und mein Frauenarzt drängte mich dazu. Nach Monaten der Einnahmezeit hatte ich immer wieder Bauchschmerzen, Übelkeit und anderes. Was jetzt an sich nichts ungewöhnliches ist bei der Pille, jedoch wurde es mit der Zeit zu einem Problem. Wenn ich was aß hatte ich anfangs noch selten, aber irgendwann dann regelmäßig Bauchkrämpfe und mir ging es deshalb einfach total schlecht. Übelkeit war ab dem Zeitpunkt mein ständiger Begleiter. Ich nahm in den ersten Monaten der Einnahme 8 kg zu und hatte deshalb endlich mal Normalgewicht. Wegen der Magendarmgeschichte war ich dann wie oft beim Arzt und hatte sehr viele Medikamente ausprobieren müssen gegen die Beschwerden, aber nichts half auf Dauer. Irgendwann musste ich mich dazu zwingen zu essen, egal wie oft ich danach dann aufs Klo rennen musste. Und es spielte absolut keine Rolle was ich zu mir nahm. In der Schule vermied ich essen komplett und das Frühstück wurde eingespart, denn bei über 30 Minuten Bus fahren kann man ja nicht einfach mal auf die Toilette verschwinden. Als ich nur noch 40 kg wog bei 1,58 m stieg ich nicht mehr auf die Waage, denn es hätte ja sowieso nichts geändert. Da es aber nicht besser wurde und ich immer dünner, wurde ich zur Frauenärztin geschickt für einen Hormontest. Die weigerte sich prompt den durchzuführen, denn solche Beschwerden kann keine Pille verursachen! Dabei stehen diese sehr wohl alle in der Packungsbeilage. Auch nach dem auffälligen Hormontest sollte ich die Pille weiter nehmen. Der Hausarzt war jedoch strikt dagegen und deshalb setzte ich sie auch ab. Und es dauerte einige Wochen bzw. Monate bis ich endlich wieder richtig essen konnte. Das dauert halt bis sich der Hormonhaushalt wieder einpendelt und ich war einfach nur froh darüber, dass es nur an dem Medikament lag. Wobei ich es im Nachhinein schockierend finde, dass die Frauenärztin direkt alles abstritt und auf die weitere Einnahme bestand! Und ich erst so viel Gewicht verlieren musste bis ich überhaupt richtig ernst genommen wurde.
Das ist auch der Hauptgrund, warum ich so sensibel auf das Thema reagiere. Ich musste mir ja bei der Trigeminusneuralgie immer wieder auch von Ärzten hören, dass es nicht so schlimm ist mal eine Mahlzeit auszulassen. Und auch wenn ich ein paar Kilogramm abnahm bei Normalgewicht wurde es nie als Problem angesehen. Und da fangen immer meine Gedanken an zukreisen und ich habe Angst davor, dass ich wieder bei unter 40 kg landen könnte und es dann auch wieder egal ist. Ich hatte ja monatelang vor der Diagnose der TN so gut wie gar nichts gegessen. An manchen Tagen hatte ich wegen der Schmerzen nur einen Pudding gegessen, wenn überhaupt. Aber auch nach der Diagnose hatte ich Zeiten in denen ich kaum gegessen und getrunken hatte und den Ärzten war es schlichtweg egal. Deshalb finde ich es auch immer so schrecklich, wenn das herunter gespielt wird und ich dann aufs Thema Anorexie/Magersucht angesprochen werde. Eine der Krankenschwestern war sogar mal so dreist zu behaupten, dass ich die TN nur vorschiebe um nichts essen zu müssen! Das ich aufgrund der TN noch viele andere Einschränkungen habe war da vollkommen belanglos.
Das ist eine der vielen Gründe warum ich so Probleme mit Arztbesuchen habe. Ich muss immer wieder Leuten erklären, dass das alles nicht mit einer Arztphobie zu vergleichen ist und sie bitte nicht mit dem Argument kommen sollen, dass es ja extra Ärzte für Angstpatienten gibt. Manchmal braucht es nicht viel um eine Panikattacke zu triggern oder Flashbacks. Das ist natürlich ein großes Problem, wenn man ohnehin schon chronisch krank ist und eigentlich regelmäßig zum Arzt gehen müsste. Und einige Ärzte interpretieren leider mein Verhalten vollkommen falsch und es frustriert einfach nur, wenn man dann wie ein Süchtiger behandelt wird.
Das sind jetzt natürlich nur 2 Traumata von vielen, die bei mir zur komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung geführt haben. Beide führen nicht zwangsläufig zu so etwas und was bei mir das Thema Ärzte betrifft sind es einfach die vielen kleinen Dinge im Laufe der Jahre. Manche belasten mich mehr und manche weniger. Anfangs hatte ich auch nur eine PTBS und mir wäre es lieber, wenn es dabei geblieben wäre.
Eins der Hauptsymptome bei mir ist die chronische Insomnie also Schlaflosigkeit. Hier habe ich schon sehr viel ausprobiert und auch die Ärzte haben da schon ziemlich versucht. Durch die kPTSB habe ich eine erhöhte Wachsamkeit und kann selbst in meinen eigenen 4 Wänden nicht genug entspannen um einschlafen zu können. Nur bei wirklich sehr wenigen Menschen gelingt es mir mich wirklich sicher zu fühlen und dann bin ich auch nicht dauerhaft auf der Hut. Oft ist mein Schlaf nur sehr oberflächlich und wirklich jedes Geräusch reißt mich aus dem Schlaf. Selbst mit Ohrstöpseln kann ich das nicht unterbinden und wegen dem ganzen Adrenalin bin ich dann auch erst einmal für eine längere Zeit wieder wach. Aber auch im Alltag ist diese erhöhte Wachsamkeit sehr präsent und ich kann dann ganz schön schreckhaft sein. Das ist nicht immer gleich stark ausgeprägt und hat sich auch schon enorm gebessert.
Und dann hab ich auch zeitweise ziemlich mit den Dissoziationen zu kämpfen. Jeder Mensch dissoziert im Alltag, zum Beispiel während monotonen Abläufen wie zur Bushaltestelle gehen, Boden wischen und anderem. Bei der PTBS oder kPTBS jedoch ist es oft eine Reaktion auf ein triggerndes Erlebnis. Wenn ich zum Beispiel über bestimmte Traumata rede bin ich dabei komplett emotionslos, damit die Emotionen keine Überhand nehmen und ich die Kontrolle behalten kann. Wenn die Angst zu groß wird werden meine Gliedmaße taub und ich habe das Gefühl vollkommen neben mir zu stehen und nicht ich selbst zu sein. Das ist manchmal sehr beängstigend, vor allem für Außenstehende und auch Freunde. Mittlerweile habe ich Wege gefunden mich da rauszuholen, was gar nicht immer so einfach ist und manchmal nicht wirklich gelingt. Aber ich weiß auch, dass diese Momente vorüber gehen und ich keine Angst davor haben muss.
Eine große Rolle spielt bei mir auch die Scham, da mir über die Jahre oft die Schuld dafür gegeben wurde. Vor allem was die Arztgeschichte betrifft und beim Mobbing erst recht. Da kommen auch mal die Gedanken auf wie "Du bist es nicht wert", "Es geschah dir recht", "Es wird nie besser" oder auch ein simples "Ich bin nur eine Last". Durch das schreiben und mit anderen darüber reden ist das besser geworden, jedoch werfen mich manche Aussagen immer noch total aus der Bahn. Bei der kPTBS geht man viel von erlernter Hilflosigkeit aus und ich glaube das trifft es manchmal ganz gut bei mir. Und vor allem was Ärzte betrifft hätte ich gerne öfters Erfolgserlebnisse. Man lernt halt irgendwann mit der Einstellung "es hilft einem sowieso keiner" zum Arzt zu gehen und das ist dann leider wie eine selbst erfüllende Prophezeiung.
Das ist jetzt nur ein kleiner Teil von dem was meinen Alltag betrifft und ich möchte mit dem Geschriebenen einfach nur zeigen, dass mich die Erlebnisse nicht zu einem Monster gemacht haben. Und mal ehrlich: Natürlich haben meine Entscheidungen einen Teil zu dem Ganzen beitragen. Aber ich habe mich nie mit voller Absicht in die Situation gebracht. Was das Mobbing betrifft war ich nie das einzige Opfer von ihr. Und selbst die wenigen an ihrer Seite waren ja nicht sicher vor ihrer Wut.
Und ich schreibe darüber um zu zeigen, dass so etwas eben nicht über Nacht verschwindet nur weil man die Liebe des Lebens findet. Selbst wenn man in Therapie geht dauert es Jahre bis das alles besser wird und nicht immer ist jeder Therapieansatz von Erfolg gekrönt. Leider ist es auch nicht so einfach einen passenden Therapeuten zu finden.
Habt ihr noch Fragen?
LG
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