Vertraute Fremde

Reden wir mal Klartext. Der diesjährige Kinosommer ist Mist! Bisher zumindest dümpelte das Ganze mit altbackenen und halbgaren durch die wärmeren Tage in diesem Jahr. Natürlich ist es so, dass an lauen Abenden, die meisten potentiellen Kinogänger lieber im Biergarten sitzen, als sich im mäßig klimatisierten Kinosaal aufzuhalten, aber man muss diesen natürlichen Faktor nicht auch noch begünstigen, und nur Mistfilme in die Kinos bringen.
Wirft man einen Blick auf das aktuelle Kinoprogramm, möchte man am liebsten weinen und man wünscht sich, in die Zeit zurück reisen zu können, um noch einmal in die Vorpremiere von Terminator 4 gehen zu können. Nicht das wahre? Okay, dann eben "Harry Potter". Wo ist dessen neuestes Abenteuer? Kommt nächstes Jahr. "The Road"? Nächstes Jahr. "Der Hobbit" ? Kommt...irgendwann. Aber was läuft jetzt?
Zum Beispiel "Vertraute Fremde", ein Film dem ich sehr skeptisch gegenüber stand. Eine belgisch-ftanzösische Co-Produktion, die einen Manga verfilmt? Klingt merkwürdig. Ist es auch.
Thomas ist 40 Jahre alt, Comiczeichner und demonstrativ, aber irgendwie unerklärlich unglücklich. Er hat eine schöne Frau, zwei schöne Töchterchen und den coolsten Job überhaupt und trotzdem bläst er die ganze Zeit Trübsal.
Der Grund ist, sein Vater verließ die Familie an seinem vierzigsten Geburtstag, als Thomas gerade 14 Jahre alt war. Dieses Trauma hat er nie wirklich verarbeitet. Doch eines Tages landet er durch einen Zufall in seinem Heimatdorf. Als er den Friedhof besucht, fällt er plötzlich in Ohnmacht und erwacht, in der Zeit zurück gereist und wieder 14 Jahre alt. Zunächst hält er es noch für einen Traum, stellt aber bald fest, alles ist echt und er hat nun die Möglichkeit, seinen Vater am Weggehen zu hindern, und so sein Leben zu verändern.
Das Thema ist spannend, und die Mangavorlage machte daraus ein klischeebehaftetes, ziemlich schrilles, aber unterhaltsames Abenteuer. Regisseur Sam Gabarski hat sich nun entschieden, in seinem Film jede Lockerheit und Unterhaltung durch Langsamkeit und Schwermütigkeit zu ersetzen. Die Intention war die, dem japanischen Comic die Knalligkeit und übertriebene Dramatik zu nehmen, damit man dem Film seine schrille Herkunft nicht anmerkt. Das klappt so gut, dass dem Film sämtliche Dynamik und Energie fehlt, die im Comic vielleicht zu dick aufgetragen war. Die Idee mit den Zeitreisen ist schon nicht all zu originell, sie wurde hier nun auch bescheiden inszeniert. Technisch ist der Übergang zwischen Gegenwart und Vergangenheit mehr als dürftig gelöst, aber die Ausstattung von Kulisse und Garderobe ist zumindest überzeugend. Viele Szenen, in denen großes Potential gesteckt hätte, lässt Gabarski wirkungslos verpuffen und man gewinnt den Eindruck, für ihn sei das ganze nur eine lästige Pflichtübung, die er ganz schnell absolviert wissen wollte.
Dazu kommen noch die für Zeitreiseabenteuer üblichen logischen Fehlerchen, und mal wieder die Erkenntnis, dass nichts, aber auch gar nichts die Vergangenheit verändern kann.
Mehr will ich gar nicht dazu sagen. "Vertraute Fremde" ist unkreativ und einfallslos inszeniert, obwohl das Thema Zeitreisen bisher immer spannend in Filmen umgesetzt wurde, oder zumindest einen gewissen Unterhaltungswert bieten konnte. Aber hier ist es schlicht und einfach langweilig. Sam Gabarski, Das war nix.
Quartier lointain (B/LU/F/D, 2010): R.: Sam Gabarski; D.:Alexandra Maria Lara, Jonathan Zaccai, Lou Legrand, u.a.; M.: Air; Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus
Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar.

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