Vertikale Farmen

Von Lilligreen @lilligreen

Heute möchte ich euch gern ein Thema zu Gemüte führen, wie wir es nur im Kleinen bisher auf Lilligreen entdecken konnten: Urban Gardening.

Im großen Stil heißt es heute “Vertical Farming”.

Jüngst konnte man in den Nachrichten lesen, dass die Weltbevölkerung mittlerweile auf 6,9 Milliarden Menschen gewachsen ist. Jede Sekunde kommen drei Menschenkinder hinzu. Auf allen Teilen der Welt migriert die Bevölkerung zunehmend in die Städte und Megacities der Länder. Bis zum Jahr 2030 werden 4,8 Milliarden Menschen in den Städten leben und bis zum Jahr 2050, so rechnete Gretchen Vogel kürzlich im Spiegel vor, würde mehr als eine Milliarde Hektar zusätzliches Ackerland benötigt. Dies entspräche einer landwirtschaftlich genutzten Fläche von etwa der Größe Brasiliens um alle diese dazugekommenen Menschen noch ausreichend zu ernähren. Diese Fläche aber gibt es nicht. Was tun also gegen das bedrohliche Welthungerszenario?

Seit 1999 entwickelt Dickson Despommier, Professor für Umweltgesundheit und Mikrobiologie an der Columbia University in New York City zusammen mit seinen Studenten Konzepte für Farmen, die vertikal in den städtischen Himmel wachsen und diesen Mangel an Produktionsfläche ausgleichen sollen. Seine grünen Wolkenkratzer würden Gemüse und tierische Erzeugnisse auf kleinster Fläche produzieren, um die Städte zu versorgen. Durch Kreislaufwirtschaft innerhalb des Gebäudes benötigte man nur einen Bruchteil an Wasser, Energie und Land im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft.

Auf der Seite des Vertical Farm Projects wird aufgezeigt wie viel Land sich sparen ließe, wenn man vertikale Gewächshäuser zum Anbau von Gemüse verwenden würde: Was die Produktivität anbelangt, sei ein Hektar Stadtgarten so effektiv wie 4-6 Hektar Anbaufläche in der freien Natur, bei Erdbeeren könnte sogar eine Steigerung um das dreißigfache erwirkt werden. Dies sei auch darauf zurückzuführen, dass Saat und Pflanzen weder von Fluten, Kälteeinbrüchen, noch von Stürmen und Dürren bedroht würden. Nach dem Konzept von Despommier könnte man durch die technische Überwachung der angebauten Produkte auf Dünger und Pestizide verzichten, weil das Ausbrechen von Krankheiten aufgrund der Messung von Nährstoffaufnahme, Phytopathogenen und Luftbeschaffenheit frühzeitig verhindert würde. Jedes Stockwerk des Baus erhielte eine separate Nährstoff- und Wasserversorgung. Der Dünger könnte in den unteren Stockwerken gewonnen werden, wo Hühner, Fische oder sogar Schweine aufgezogen werden könnten. Abwässer sollen, so Despommier, natürlich auch im Energiekreislauf des Gebäudes aufbereitet und Müll recycelt werden. Den Strom gewönne man natürlich aus erneuerbaren Energien.

Entwurf von Blake Kurasek Windturbinen auf dem Dach der Hochhausfarm für das Vertical Farm Project 2009

Entwurf von Blake Kurasek Blick in das Gebäude für das Vertical Farm Project 2009; Quelle: http://www.verticalfarm.com/index.html

Die erste Farm dieser Art sollte 2001 in den Niederlanden eröffnen, auf einer Fläche von 2 Millionen Quadratmetern sollten 300,000 Schweine, 1,2 Millionen Hühner und eine Vielzahl von Pflanzenarten gezüchtet werden. Das sechsstöckige Hochhaus hätte seine Energie aus einer hauseigenen Windanlage bezogen und eine eigene Recyclinganlage betrieben. Doch leider war der Projektgedanke seiner Zeit voraus, die Medien und die breite Öffentlichkeit hatte nicht viel übrig für die hochindustrialisierte Landwirtschaftsmaschine. Zu Unrecht, könnte man meinen, denn vor allem die Ersparnis von schädlichen Düngern und der interne Reinigungsprozess des Gebäudes konkurriert mit dem herkömmlichen Konzept von Landnutzung, zumal hier auch Transportkosten gespart werden, um die Güter vom Land in die Stadt zu bringen.

Dieser Rückschlag hält Forscher und Architekten jedoch nicht davon ab sich weiter ihrer Vision zu widmen, nun in kleinerem Maßstab als Lehrprojekte wie z.B. dem Science Barge, einem schwimmendem Gewächshaus auf dem Hudson River in New York, dass von der Firma Bright Farm Systems gebaut wurde.

Bright Farm Systems – Science Barge

Nun geht es in kleinen Schritten voran, denn offenbar braucht es noch viel Aufklärungsarbeit um die Bevölkerung von solcherlei Konzepten zu überzeugen. Dass hier menschennah und ressourcenschonend gewirtschaftet werden kann, muß eben doch erst einmal verstanden werden. Die Einsparung von landwirtschaftlicher Fläche in der freien Natur wäre auch eine Chance gegen das Artensterben, denn maßgeblich für das Sterben der Tiere ist ja nicht nur der Klimawandel – es ist auch in den meisten Fällen der Wegfall von Lebensraum durch Städte und Landwirtschaft. Urban Farming könnte also eine Chance für Mensch, Tier und Pflanze werden – auf dem immer dichter bewohnten Planeten Erde.