Verteidigung gegen Widerstand


Die Bekämpfung von Widerstandsbewegungen durch die Bundeswehr ist ein gravierender Verfassungsbruch, die Vortäuschung der Stoßrichtung Naher und Mittlerer Osten ein Ablenkungsmanöver. Zahlreiche Anhaltspunkte lassen darauf schließen, dass die Bundeswehr in Wirklichkeit den Einsatz innerhalb Deutschlands übt, zum Schutz neoliberaler Interessen. Bei der Entwicklung von Waffen für die Niederschlagung von Widerstandsbewegungen arbeitet die Bundeswehr eng mit deutschen Universitäten zusammen.

Denn wir müssen heute mit Befremden feststellen, dass sich die Bundeswehr, den unmissverständlichen Verfassungsverboten zum Trotz, auf die Bekämpfung von Widerstandsbewegungen verlegen möchte. Die Institution, die auf demokratischem Wege zu schwerster Gewaltanwendung bis hin zur Tötung autorisiert wurde, und zwar einzig und allein zum Zweck der Verteidigung des Landes und, wie die Politik nicht müde wird zu behaupten, der Demokratie – diese Institution trainiert auf einmal die gewaltsame Verhinderung der Ausübung eines der wichtigsten demokratischen Rechte: des Rechtes auf Widerstand, ein Recht, das der Bürger in der Demokratie hat, nicht hingegen in der Diktatur. (Quelle) Wenn also in einem Land, das sich gerne demokratisch gibt, die zum Schutz der Demokratie geschaffene und mit schwersten Waffen ausgerüstete Institution beginnt, die Niederschlagung dessen einzuüben, was sie schützen soll, nämlich demokratische Verhältnisse und Verhaltensweisen, sollten die Alarmglocken aller Demokraten schrillen. Und es sollten sich umgehend Widerstandsbewegungen gegen diesen umfassenden Bruch der Verfassung erheben.

Aber selbst wenn dies zuträfe, wäre es naiv zu glauben, dass ein Instrument zur schnellen und effektiven Niederschlagung von Widerstandsbewegungen, wenn es erst einmal zur Verfügung steht, im Inland nicht genutzt würde. Nämlich beispielsweise dann, wenn als Folge weiterer Ausgabenkürzungen im Staatshaushalt und fortdauernder Umverteilung des Reichtums von unten nach oben Ausbeutung und Verarmung großer Bevölkerungsgruppen fortschreiten – die nächste Stufe der Ausplünderung wird gerade angeheizt (Quelle) – und sich die Empörung der Opfer auf der Straße Luft macht. Die Besorgnis unserer Eliten über einen etwaigen von öffentlichen Massenprotesten wie in Portugal, Spanien oder Griechenland erzwungenen grundlegenden Politikwechsel nimmt zu. Dass ihnen der Rückgriff auf den Einsatz der Streitkräfte im Innern mit der Verbiegung des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht vor kurzem ermöglicht wurde, ist wohl kein Zufall. (Bezug)

Den Verfassungsbruch vollzieht die Bundeswehr nicht etwa im Verborgenen. Das Heereskommando hat vielmehr einen “Leitfaden Aufstandsbewältigung” herausgegeben, in dem es unter anderem beschreibt, woran man eine Widerstandsbewegung erkennt. Nach Auffassung der Bundeswehr erkennt man eine Widerstandsbewegung an dem, was Demokraten in aller Welt tun, um demokratischen Verhältnissen gegen den Willen der Machthaber zum Durchbruch zu verhelfen bzw. wiederherzustellen, nämlich an dem Versuch, unter Einsatz von politischer Agitation und von Handlungen, welche von den Gegnern der Widerständler gerne als Gewaltakte bezeichnet werden, die staatliche Autorität zum Scheitern zu bringen und langfristig die eigenen politischen Ziele und Ordnungsvorstellungen zu realisieren. (Quelle)

Niederschlagung demokratischer Initiativen im Inland

Der empörte Demokrat, der jetzt meint: „Aber Einsatz von Gewaltakten – das geht nun wirklich nicht. Dagegen muss in der Tat eingeschritten werden.“, der sollte sich daran erinnern, was unsere Machteliten schon alles als Gewaltakte bezeichnet haben; oder an die Regelmäßigkeit, mit der versucht wird, Bürgeraufklärung über Machenschaften der Konzerne als politische Agitation zu verunglimpfen. Und er sollte bedenken, dass das Ansinnen, die staatliche Autorität zum Scheitern zu bringen, das hehre Ziel nahezu jeder demokratischen Bürgerinitiative ist. Die Absicht schließlich, langfristig die eigenen politischen Ziele und Ordnungsvorstellungen zu realisieren, ist ebenfalls nichts Verwerfliches, sondern eine demokratische Tugend, ein Engagement, das von jedem Bürger einzufordern ist. Damit der seine politischen Ziele und Ordnungsvorstellungen realisieren kann, sind, nur nebenbei bemerkt, auch die Parteien geschaffen worden. Alle diese demokratischen Grundrechte und Tugenden will offenbar die Bundeswehr unter Einsatz schwerster Gefechtswaffen niederschlagen. Das brutale Vorgehen der Polizei, zum Beispiel gegen den Bürgerprotest gegen das Städtebauprojekt Stuttgart 21, scheint ihr nicht auszureichen.

Das Aufbegehren gegen Stuttgart 21 ist übrigens nur einer von vielen Fällen, welche alle von der Bundeswehr aufgestellten Kriterien erfüllen und in denen folglich die Streitkräfte nach ihrer eigenen Definition jeweils eine niederzuschlagende Widerstandsbewegung erkannt hätten. Wir erinnern uns: Nicht nur das Werfen von Kastanien, sondern auch bloße Handbewegungen der Demonstranten wurden von der Polizei als Gewaltakte bezeichnet. Als Gewaltakte sehen viele Politiker sogar Sitzblockaden an. Die Reden, welche vorbildliche, dem Gemeinwesen verpflichtete Stuttgarter Demokraten vor großen Versammlungen rechtschaffener Bürger hielten, waren für die aufgeflogenen Kapitalverwertungsmarodeure natürlich nichts anderes als politische Agitation. Und selbstverständlich wollten die Gegner von Stuttgart 21 die staatliche Autorität zum Scheitern bringen und ihre eigenen politischen Ziele und Ordnungsvorstellungen realisieren. Es ist ihnen, wenn auch nur teilweise, gottlob gelungen. Es kamen ja auch noch keine Panzerfäuste und Feldhaubitzen zum Einsatz.

Die Bundeswehr macht sich auch Gedanken darüber bzw. lässt darüber nachdenken, wie sie bei der Niederschlagung einer Widerstandsbewegung am besten vorgeht. Die im Auftrag des Bundesverteidigungsministeriums angefertigte “Counterinsurgency”-Studie des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK) [1] kommt zu dem Ergebnis, dass eines der “wirksamsten Instrumente” zur Erreichung jenes Ziels die “Enthauptung” aufständischer Gruppen durch “Ausschaltung von bedeutenden Führern” sei. (Quelle) Wäre das im Fall Stuttgart 21 bereits umgesetzt worden, wäre Winfried Kretschmann heute nicht Ministerpräsident von Baden-Württemberg und Boris Palmer nicht mehr Oberbürgermeister von Tübingen, sondern man könnte sie heute im Gefängnis oder auf dem Friedhof besuchen.

Nein, das vorrangige Einsatzziel bei der von den Streitkräften geplanten Niederschlagung von Widerstandsbewegungen ist Deutschland, wo es zuvörderst um den Machterhalt der Finanzeliten geht, und zwar rücksichtslos, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Dass es um den Schutz jener neoliberalen Kaste geht und zu welcher Unverhältnismäßigkeit und Brutalität diese die „Ordnungskräfte“ veranlassen, das zeigen unter anderem die Vorfälle von Heiligendamm (G8-Gipfel) beziehungsweise Stuttgart (Stuttgart 21) und Frankfurt (Blockupy).

Deshalb schlägt die Staatspropaganda mit ihrer Argumentationsstrategie gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Zunächst einmal erreicht sie so eine allgemeine Akzeptanzsteigerung für Kriegszüge deutscher Truppen. Dass es an einer solchen Akzeptanz immer noch mangele, beklagt denn auch ein ISPK-Mitarbeiter. Er mahnt, die in der deutschen Gesellschaft anzutreffende „Kultur der Zurückhaltung“ gegenüber militärischer Gewalt führe zu einer „lähmende(n) Selbstbeschränkung und Zaghaftigkeit [...]“…

Quelle und gesamter Text: http://www.nachdenken-in-duesseldorf.de/?p=3991


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