Mitte November 2018. Halloween...! Bitte wann?...Ja, Halloween, Mitte November! Okay, ich muss da mal anscheinend kurz was erklären. Also: am eigentlichen Tag, an dem dieses gruselige Ritual mittlerweile auch hierzulande stattfindet, wurde ganz in der Nähe ein „Halloween-Ride" organisiert. Der sollte teilweise halt eben zu gruseligen Orten führen. Verlassene Siedlungen, zurückgelassene alte Munitionsbunker und so weiter. Das hörte sich gut an und ich wollte da sehr gerne in der Dunkelheit mitfahren und mich auch ein wenig „spaßig-fürchten". Doch manchmal kommt es anders als man denkt und ich hatte keine Zeit an dem besagten Tag. Da war ich allerdings auch nicht alleine mit, andere konnten ebenfalls nicht. Und so entschieden wir uns diese Tour einfach ein anderes mal zu fahren. Den Track hatten wir von Andreas B. bekommen, der die Strecke ausgearbeitet hatte. Und wir waren uns sicher, das er nichts dagegen haben würde. An dieser Stelle also einmal vielen Dank vorweg für eine prima Radtour!
So kam es also das wir uns Mitte November an einem schattigen, aber sehr sonnigen Sonntag Morgen am Bottroper Hauptbahnhof trafen. Wir waren zu dritt. Daniel und Patrick waren schon da als ich dort eintrudelte. Noch schnell einen kleinen Snack aus der Bahnhofsbäckerei reingeschoben und schon ging es los zum eigentlichen Startpunkt. Der war am „Grusellabyrinth NRW". Das ist eine Entertainment-Show in einer alten Maschinenhalle der Zeche Prosper Haniel. Hier kann man sich das ganze Jahr über „begruseln" lassen, wenn man denn will. Deshalb war diese Kulisse natürlich standesgemäßer Pflichtpunkt. Zumindest die Deko im Außenbereich liess uns schon mal erschaudern. Okay, es war dann wohl doch eher die Kälte.
Schon wenige Meter weiter verliessen wir den eigentlichen Track und fuhren auf die Halde Prosper. Das war in dem Moment einfach zu verlockend dort mal hochzufahren. Oben auf der Halde ist übrigens das Alpincenter Bottrop. Die Aussicht ist herrlich, auch wenn es etwas diesig war. Nur zu gruseln gab es hier nichts. Skifahren in einer Halle hat wahrlich andere Reize. Mit Karacho ging es dann wieder abwärts und weiter auf dem Track.
Abseits von Hauptstraßen schlängelte sich der Weg. Kurz vor dem Wasserschloss Wittringen, welches wir aber nicht sahen, wurde es kurz ländlicher, bevor wir wieder zur dichter bebauten Stadt Gladbeck und dem Nordpark kamen. Recht idyllisch bei dem Wetter und keine Spur von unheimlichen Begegnungen. Bei dem Sonnenschein hätte ich als Untoter auch keine Lust Leute zu erschrecken.
Anders hingegen wurde es dann an der alten, verlassenen Siedlung Schlägel & Eisen in Gladbeck Zweckel. Die alte Bergmanns-Siedlung wurde ab 1913 erbaut. Gewohnt haben hier einst die Arbeiter der Zeche Zweckel, die ein paar Meter weiter liegt. Geschlossen wurde diese aber bereits 1963 wieder. Bewohnt war dieses Areal mit den letzten Mietern zwar bis 2013, aber schon vorher war der Niedergang und Verfall besiegelt. Investoren-Hick-Hack trug dazu bei, das die Siedlung immer mehr verkam und die Natur einen großen Teil des Geländes langsam überwucherte. Und wie das so ist bei solchen Orten, der Vandalismus liess nicht lange auf sich warten. Fenster und Türen sowie ganze komplette Einrichtungen wurden mutwillig zerstört. Grafitti-„Künstler" verewigten sich an den schmutzigen Wänden, Müllberge sammelten sich an. So begann die Siedlung ihren Ruf als „gruseligsten" Lost-Place in ganz NRW zu bekommen. Das vor ein paar Jahren in einem schmutzigen Keller eine Leiche eines ehemaligen Bewohners gefunden wurde, trug dann ihr übriges zur Legendenbildung bei.
Heute ist das Ende dieser Siedlung aber besiegelt, ein Investor hat sich tatsächlich gefunden. Ab Mai 2019 soll sie komplett abgerissen werden und an deren Stelle ein Altenwohnheim sowie weitere 120 moderne Wohnungen entstehen. Dann wird es sich ausgegruselt haben.
Wir radelten jedenfalls ein wenig dort herum. Aus schwarzen, fensterlosen Löchern glotzten uns die Gebäude an. Überwucherte Eingänge, verrottende Laternen und verrammelte Türen boten uns eine passende Halloween-Ride-Kulisse. Trotzdem wir tagsüber unterwegs waren. Nachts muss das noch eine Spur übler sein. Eine dunkle Ruhe lag über dem Areal. Wir lehnten die Räder an eine Hauswand und lugten vorsichtig durch eingeschlagene Fenster und eine offene Tür. Der Mensch ist bekanntlich neugierig. Muffig war es dort drinnen. Holzböden waren aufgerissen und irgendwelche Schmierereien an die Wände gesprüht. Toilettenschüsseln waren zerbrochen worden und ganze Duschwannen zerstört. Überwall musste man aufpassen wegen irgendwelchen Scherben.
Auch im Hinterhof war es etwas gespenstisch. Dabei muss das große Gelände einmal richtig schön gewesen sein. Gemüsebeete und kleinere Geräteschuppen boten den Bewohnern einst ein heimeliges Zuhause nach getaner Arbeit auf der Zeche. Hier wurde mit den Nachbarn gequatscht und gelacht und wahrscheinlich auch das ein oder andere Bier gezischt. Nun herrschte Stille. Ringsherum bröckelte die Fassade und Gras und Gestrüpp wucherten überall. Trotzdem gab es überall niedergetrampelte Pfade. So verlassen konnte diese Siedlung also gar nicht sein. Wir waren anscheinendnicht die einzigen Neugierigen, die sich hier einmal umschauen wollten. Doch gesehen haben wir niemanden.
Weiter ging es zur benachbarten Maschinenhalle Zweckel mit ihren zwei alten Fördertürmen. Nicht im ursprünglichen Track vorgesehen, doch nur ein paar wenige Meter entfernt. Das wollten wir uns nicht nehmen lassen. Und bis auf eine einsame Spaziergängerin mit ihren Hund hatten wir auch hier das ganze Gelände für uns alleine. Die Maschinenhalle Zweckel steht seit 1988 unter Denkmalschutz und in der Halle hat Kunst und Kultur Einzug erhalten. Ein wirklich schönes Gebäude, welches eine hervorragende Kulisse für ein paar Fotos bot.
Nun kamen ein paar Straßen, ehe es nach Bottrop-Kirchhellen ging. Ich war überrascht wie schnell man von Gladbeck nach Kirchhellen gelangen konnte. Vorbei an der prachtvollen Kirche ging es nun ein Stück neben der Landstraße her in Richtung Flugplatz Schwarze Heide. Dort, hinter dem kleinen Flughafen, befindet sich Mitten im Wald ein ehemaliges Munitionsdepot der Bundeswehr. Es wurde 1995 geschlossen. Alle Bunker wurden verschweißt so das dort niemand hinein kann. Die ganzen anderen Gebäude wurden komplett abgetragen. Und auch hier erobert die Natur nach und nach wieder das Gelände. Und wo solche alten militärische Anlagen stehen, ist „gruseln" vielleicht das falsche Wort. Aber eine eigenartige Atmosphäre herrscht dennoch. Auf den Bunkern, die auf dem Dach einst mit Erde versehen wurden, wachsen heute Bäume. Auf den stählernen Toren haben Vandalen natürlich auch ihre Tags hinterlassen. Doch ganz unbekannt ist dieser Ort nicht, einige Spaziergänger waren auf dem Areal anzutreffen.
Wir fuhren mit unseren Rädern weiter durch die herbstlich-frische Landschaft. Rötlich-braune Blätter in rauen Mengen pflasterten unseren Weg. Plötzlich lag links von uns noch ein abgesperrtes Militärgelände. Stacheldraht und hoher Zaun sicherten das Areal. Die Gebäude schienen verlassen und ohne Nutzung zu sein. Doch auf keiner Karte findet man einen Namen dieses Sperrbezirkes. Nur Schilder, das der Zugang verboten ist. So im Wald gelegen, wirkt das sehr mysteriös und spannend. Einen klitzekleinen Blick konnten wir aber an einer Stelle auf das Gelände werfen. Nämlich dort, wo der Zaun schon an einer Stelle niedergerissen worden war. Doch zu sehen gab es dort nichts. Also besser wieder aufgeschwungen und ab durch die Mitte.
Im Zick-Zack-Kurs radelten wir nun durch den Wald. Die Wege waren allesamt gut zu befahren. Bis auf wenige Ausnahmen, wo der Untergrund recht sandig war. Also perfekt um das Gravelbike mal zu fordern. Nächster Grusel-Stopp waren die im Wald gelegenen „Teufelssteine". Diese von Laub bedeckten Steine sind der Sage nach vom Teufel dorthin geworfen worden, als er die Kirche von Hünxe zerstören wollte. Es roch an der Stelle aber nicht nach Schwefel! Deshalb gehe ich davon aus das diese Steine, auch „Tertiärquarzite" genannt, wie auf dem Schild daneben stehend beschrieben wurde, rund 10 Millionen Jahre alt sind und durch Verkieselung des Sandbodens entstanden sind. Daniel war aber so mutig und machte vorsichtshalber mal einen Test 😉
Jetzt ging es bei der Tour so langsam dem Ende entgegen. Wir radelten noch ein Stück weiter durch den Wald, am Fuße der Halde Haniel vorbei und kamen so wieder in Richtung Bottrop. Mittlerweile war es schon ganz schön frisch geworden. Nach dem Stadtpark gelangten wir in die Bottroper City. Mir fiel ein, das ja der Weihnachtsmarkt schon geöffnet haben sollte. Das wäre doch eine passende Gelegenheit noch eine Kleinigkeit gemeinsam zu Essen und den ersten Glühwein des Jahres zu schlürfen. Das passte Daniel und Patrick auch gut und so stellten wir unsere Räder sicher an einer kleinen, aufgebauten Hütte ab. Dort wärmten wir uns auf und genossen die Annehmlichkeiten eines Weihnachtsmarktes mit Glühwein und Currywurst! Was für eine Kombination! Aber ein schöner Abschluss dieser Grusel-Radtour. Wir waren uns einig das Andreas da eine sehr nette Tour zusammengestellt hatte und es sich gelohnt hat, sie einmal nachzufahren. Auch wenn wir am helllichten Tag unterwegs waren und nicht wie anderen durch die Nacht gefahren sind.