Das Haus der verschwundenen Kinder
Claire Legrand
Heyne, 2014
978-3453267787
14,99 €
Das Leben in der beschaulichen Kleinstadt Belleville ist genau so, wie die zwölfjährige Victoria es gern hat: übersichtlich, vorhersehbar und aufgeräumt. Und Victoria mit ihrem strengen Zopf, den ordentlichen Kleidern und den hervorragenden Noten passt perfekt nach Belleville. Eine einzige Unregelmäßigkeit erlaubt sie sich: den verträumten und vergesslichen Lawrence, der so ganz das Gegenteil von ihr ist. Lawrence ist ihr bester Freund. Als er plötzlich spurlos verschwindet, ist es allerdings vorbei mit Victorias geordnetem Alltag …
Lawrence dagegen macht alles mit Leidenschaft, Trotteligkeit und Widerstand. Am Anfang wird jeder Leser mit ihm gehen und denken, da bin ich mir sicher.
Daneben gibt es noch viele weitere Dorfbewohner, die alle sehr eigen sind, aber nur am Rande agieren und letztendlich müsst ihr die gruseligen Personen selbst kennenlernen. Zum Beispiel einen Mann mit Rechen und jemanden, der viel jünger aussieht, als er eigentlich ist …
Am gruseligsten ist wohl das große Herrenhaus, das ich mir fast wie eine Ruine mit Eigenleben vorstelle. Es ist in allen Einzelheiten beschrieben, vor allem ab dem Augenblick, wo sich ein Protagonist dort befindet. Das Dorf drumherum wird auch mit eingebracht, die Kinder gehen auch zur Schule, aber das war es auch schon an Kulisse.
Freunde sollten immer füreinander da sein, vor allem wenn der einzige Freund verschwindet. Victoria ist sich zwar gar nicht so sicher, ob Lawrence nicht nur ein Projekt für sie ist, aber als er weg ist, ist schon alles ein bisschen komisch. Sie begibt sich auf Spurensuche, lernt einen eigenartigen Gärtner kennen, folgt einem Hund und belügt ihre Eltern! Letzteres hat sie noch nie getan, denn eigentlich ist sie perfekt. Aber was hat ihr das bis jetzt gebracht?
Victoria und Lawrence sind ein putziges Pärchen und vermitteln vor allem eins: Jeder braucht einen Freund an seiner Seite und Gegensätze ziehen sich an ;) Dabei ist Lawrence wirklich ein richtiger Kauz, den ich aber schnell lieb gewonnen habe. Victoria hingegen ist wirklich etwas eigen und war mir nicht sofort sympathisch, aber sie hat ein tolles Durchhaltevermögen und ist ziemlich schlau.
Mein Problem mit der Handlung war, das sie erst sehr dahin dümpelt und ich mich fragte : Wo bleibt der Grusel? Zwar übt das Heim eine gewissen Anziehung auf die Kinder aus, aber viel passiert erst einmal nicht. Im zweiten Teil der Geschichte, als Victoria sozusagen mitten an der Quelle sitzt, wird es etwas besser. Dafür wird es aber auch gleich viel, viel gruseliger: Gelbe Augen, seltsame Geräusche, seltsames Essen und eine grausame Vermutung, die ich sehr früh habe, lassen mich am Buch zweifeln. Ich als alter Lesehase denke: “Ihhh.” und frage mich, ob ich für Grusel einfach zu alt bin. Vielleicht sind jüngere Leser tatsächlich amüsiert von den Geschehnissen und machen sich gar keinen Kopf.
Besonders gut fand ich die vereinzelten Bilder, die sehr an ein Märchenbuch erinnerten, in dem die wichtigsten Szenen als Bild vorhanden sind. Die Zeichnungen sind klar und verfügen jeweils über den wichtigsten Satz der jeweiligen, vorangegangenen Seite.
Dann kam das Ende. Ein riesiger Showdown, aufregend und zielstrebig – aber nicht für mich. Alle Puzzleteile passen zusammen, vieles bestätigt sich und anderes nicht. Mir war das Ende klar, bevor es eingeläutet wurde. Dies ist völlig normal, da das Buch eigentlich für Jüngere gedacht ist. Im Erzählfluss fand ich es aber eher stockend und mir gefiel es nicht.
Wer greift bei dieser Aufmachung nicht sofort zum Buch? Eine echte Augenweide, die auch die passende Klientel anspricht – würde ich mal sagen. Im Innern befinden sich schwarz-weiß Bilder, die dem Buch noch einen besonderen Glanz verleihen.
Trotz der schicken Aufmachung konnte mich der Inhalt nicht überzeugen. Zu lange weiß ich nicht, wo die Reise hingeht und dann wird es mir fast zu gruselig, wenn ich an die jüngeren Leser ab 12 denke. Aber es sind die Augen eines Erwachsenen, die nicht mit der ganzen Geschichte zufrieden sind. Ich denke, ich werde das Buch mal an einer 12 jährigen Leserin ausprobieren.