In dieser Woche läuft im "Film Forum" in New York der deutsche Fernsehfilm "Unsere Mütter, unsere Väter" an in voller Länge von viereinhalb Stunden. Während die deutsche Fernsehkritik durchaus positiv auf den Film reagierte ( siehe unten die Kritik, die in diesem Blog erschienen ist) , sind die Kritiken in New York vernichtend, wobei die künstlerische Qualität des Films durchaus anerkannt wird.
Ben Kenigsberg auf der Unterhaltungswebseite "AVClub" : "Unsere Mütter, unsere Väter", schreibt er, serviere "fünf Stunden selbstmitleidiger Dritte-Reichs-Jugend". Gewiss, der Film sei kein Propagandamachwerk, der Zuschauer werde nicht aufgefordert, die Nazis zu beklatschen.
"Aber indem die Hauptfiguren von jeder Ideologie oder Schuldhaftigkeit ausgenommen werden, was sehr praktisch ist, fühlt sich ,Unsere Mütter, unsere Väter' weniger wie eine Abrechnung als wie ein Wegducken an: Ja, eure Großeltern waren vielleicht Nazis – aber sie hätten auch diese netten Leute sein können."
Viel schärfer in seiner Ablehnung formuliert der Filmkritiker der "New York Times", A. O.,Scott. Der Film sei höchst professionell gemacht, aber sein Versuch, deutsche Geschichte zu " normalisieren", sei fatal.
Scott wörtlich:"Der Film gleitet in eine seltsame, üble Zone zwischen Naturalismus und Nostalgie ab. Letztlich ist er ein Appell zugunsten Deutscher, die in den frühen Zwanzigerjahren geboren wurden, damit sie einer globalen ,greatest generation' zugerechnet werden, eine Übung in selektivem Gedächtnis, die auf der Annahme beruht, es sei Zeit, dass die Toten ihre Toten begraben."
UND HIER DIE KRITIK, DIE IN UNSEREM BLOG AM 21. MÄRZ 2013 ERSCHIENEN IST:
Von Günter Verdin (www.verdinguenter.blogspot.com)
Es war klar, dass es in dem dreiteiligen Fernsehfilm "Unsere Mütter, unsere Väter" über die brutalen Erfahrungen von fünf jungen Deutschen im Inferno des Zweiten Weltkriegs kein Happy-End geben würde. „Der Krieg wird das Schlechteste in uns zum Vorschein bringen", hatte der pazifistisch gesinnte Friedhelm seinem älteren kampfbegeisterten Bruder Wilhelm vorausgesagt.
Im Sinne dieser Prophezeiung haben der Drehbuchautor Stefan Kolditz, der Regisseur Philipp Kadelbach und der Kameramann David Slama ein bis ins Mark erschütterndes Kriegsdrama schmerzhaft grell bebildert.
Nur drei von den fünf Freunden überleben: Wilhelm, die Frontschwester Charlotte und der Jude Viktor. Sie treffen einander im zerbombten Berlin wieder: lebende Tote, seelisch zerstört von den Gräueln, die sie gesehen haben und vom schockierenden Erlebnis der Umkehrung aller humanen Werte.
Am schlimmsten trifft die deutsche Nachkriegswirklichkeit Viktor. Er war auf der Flucht bei polnischen Partisanen gelandet und hatte gegen deren Willen andere Juden aus den Viehwaggons eines überfallenen deutschen Transportzuges befreit. Er trifft einen seiner Peiniger, einen SS-Sturmbannführer, in leitender ziviler Funktion wieder. Als Viktor das einem US-Kommandanten meldet, nickt dieser nur. In der deutschen ( und österreichischen ) Nachkriegeswirklichkeit besetzten ehemalige Nazi-Größen bald wieder hohe Ämter in Justiz, Polizei und im Bildungswesen. Bundeskanzler Konrad Adenauer beschrieb das Dilemma des Mangels an unbelastetem Personal mit dem legendären Spruch: "Man kann schmutziges Wasser nicht wegschütten, solange man kein sauberes hat“. Aus der braunen Brühe keimte dann unsere für so selbstverständlich gehaltene Demokratie.