oder: warum der Feind meines Feindes nicht mein Freund ist
Glaubt mir: ich habe mich bemüht, es so objektiv wie möglich zu lesen. Trotz der Autoren. Das Vorwort ist vom – wenn es um Linkenbashing geht – unvermeidlichen Henryk M. Broder. Herausgegeben wurde es von Thomas von der Osten-Sacken, Oliver M. Piecha und Alex Feuerherdt. Autoren aus dem Umfeld von der Achse des Guten und von „Stop the bomb“.
Geleitwort
Sicher: man darf und muss kritisch auch mit der Haltung der deutschen Linken in Sachen Iran umgehen. Erinnert sei nur an die unsäglichen Auslassungen der Jungen Welt, die tatsächlich der Meinung war, die grüne Bewegung deshalb nicht unterstützen zu müssen, weil dort „die Arbeiterklasse nicht die führende Rolle“ inne hat. Das ist unsäglich betonköpfig.
Doch wie Broder nun generell allen Linken Versagen zu bescheinigen ist keinen Deut weniger dumm. Es ist diese Unfähigkeit, zu differenzieren, dieses „Ich-hier“ „Du-Dort“, das mich zum einem wütend macht und zum anderen entsetzt. Es scheint vielen das Leben zu erleichtern, denkfaul und undifferenziert Feindbilder aufzubauen und sich daran abzuarbeiten.
Die europäische Friedensbewegung … verteidigt das Recht des Iran auf ‚friedliche Nutzung der Kernkraft‘ mit derselben Heftigkeit, mit der sie den Bau von Kernkraftwerken vor der eigenen Haustür bekämpft. (Seite 7)
Das mag auf den ersten Blick schlüssig klingen und einleuchtend. Ist auf den zweiten aber nur eine unsinnige Parole, wie sie in das Weltbild Broders passt. Denn weder ist die europäische Friedensbewegung deckungsgleich mit den Atomkraftgegnern noch ist die Pauschalaussage korrekt, dass die Gegner der Atomenergie an Landesgrenzen aufhören zu denken. Tschernobyl sollte auch Broder ein Begriff sein. Ich gehe davon aus, dass der Mehrzahl derer, die sich im Sommer zur großen Anti-Atom-Demo zusammenfanden, sich sehr wohl bewusst sind, dass ein Nein zur Atomkraft ein Nein zu jeglicher Atomkraft bedeutet.
Was gefährlich an solchen Autoren wie Broder ist: sie sagen oft auch Richtiges. Allerdings muss man gerade dann besonders gut darauf achten, weshalb sie es tun – aus welchem Grunde.
Der Westen droht zwar seit Jahren mit Sanktionen, geht aber doch jedes mal in die Knie, wenn die Mullahs zum Gebet rufen. Und so ist er auch der iranischen Protestbewegung in den Rücken gefallen.(Seite 10)
Erstaunlich für einen klugen Kopf wie Broder ist nur, dass er nicht fragt, weshalb die deutsche Regierung sich verhält, wie sie es tut. Es ist, weil die deutsche Politik nichts weiter ist als das Sprachrohr der deutschen Wirtschaft. Und die verdient noch immer gut an den Geschäften mit dem islamischen Regime. Dies aber anzuprangern würde bedeuten, dass das System an sich kritisiert werden müsste. Davon jedoch sind Broder und die anderen Autoren weit entfernt.
‘Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts‘ oder die Globalisierung des Mahdi
Ein unglaublichen Mist verzapfen dann Thomas von der Osten-Sacken, Oliver M- Piecha und Alex Feuerherdt im einleitenden ersten Artikel „‘Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts‘ oder die Globalisierung des Mahdi“. Sie gehen tatsächlich davon aus, dass es eine unausgesproche Symphatie zwischen „der Linken“ und dem islamistischen Regime in Iran gibt. Das nennen sie dann „den Sozialismus des 21. Jahrhunderts“. Mir scheint, die haben nicht begriffen, dass diese Idee vor allem eines ist: eine antikoloniale Utopie. Die Autoren subsumieren jedoch alles, was ihnen als kritikwürdig vorkommt unter diesen Begriff. Und kommen daher auf solche abstrusen Ideen, wie die Linke mit Chávez und Ahmadinejad in einen Topf zu werfen.
Nun konnten Islamisten und Sandinisten, „Attac“-Aktivisten und französische Bauern, die Präsidenten Weißrusslands und Syriens sowie anderer heterogener Elemente sich unter diesem neuen Begriff von „Sozialismus“ zusammenfinden (Seite 21)
Fehlt da nicht noch der eine oder andere Gegner, den die Autoren in diese Outgroup schreiben können? Wer so vereinfacht und sich solche Feindbilder zeichnet darf nicht erwarten, ernst genommen zu werden.
Für die Autoren ist eine Welt ohne Krieg und Kapitalismus eine
von jeglicher Differenz erlöste Welt […] gnadenlos gereinigt von allen, die man als ‚Zionisten‘ und ‚Imperialisten‘ respektive deren ‚Kollaborateure‘ entlarvt hat.(Seite 23)
Da klingt es mir in den Ohren. Dieses selbst von jeglicher Differenzierung freie Denkmuster nenne ich neokonservativ. Hurra zum Kapitalismus.
Aus der Sicht dann über die Beziehung Iran/Deutschland zu reden; das muss ja ein Spaß werden.
Wenn in Europa naserümpfend von „städtischer Mittelklasse“ gesprochen wird, die dem westlichen Lebensstil anhängen und deshalb keineswegs repräsentativ für die Masse in Iran seien… (Seite 27)
Wenn die Autoren damit auf die oben genannten Auslassungen in der Jungen Welt zum Beispiel anspielen, dann frage ich mich, ob sie sich die richtigen als Gegner ausgesucht haben. Dieses denken ist absolut in der Minderheit. Sich eine Minderheit als Gegner auszuwählen spricht nicht unbedingt für die Autoren. Und vor allem: daran dann die gesamte Linke zu messen spricht für einen sehr engen Horizont.
Allerdings sind solche Sätze dann wieder völlig richtig:
Diese Menschen wollen einfach freier sein – und damit auch frei, in ihrer Freiheit eigene Erfahrungen und eigene Fehler zu machen. Gerade das macht diese Revolte so einzigartig und sympathisch. Sie braucht keinen Führer, kein Programm und keine Partei. Sie ist sich selbst genug. (Seite 28)
Es bleibt zu ergänzen: sie braucht auch keine Ratschläge von selbsternannten Links-Kritikern, die nicht bemerken, dass das, was sie da an linken Auswüchsen angreifen, auf der neoliberalen Seite viel deutlicher zu Tage tritt. Und gegen die Herren aus der Wirtschaft wird nicht die Stimme erhoben.
Nic