Im Folgenden finden sich einige interessante Artikel über die ich in letzter Zeit gestoßen bin sowie einige Anmerkungen dazu. Zur besseren Bezugnahme in den Kommentaren sind die Artikel durchnummeriert. Der jeweilige Kommentar von mir setzt voraus, dass die verlinkten Artikel gelesen wurden.
1) Bayern will psychisch Kranke wie Straftäter behandeln
Heribert Prantl echauffiert sich über ein neues bayrisches Gesetz, nach dem psychisch Kranke (etwa Depressive) vorbeugend in eine geschlossene Anstalt genommen werden können und das sie registriert. Das Gesetz entsetzt die Fachwelt, was wenig wunders nimmt, denn nichts hilft schließlich bei psychischen Krankheiten besser als eine gesellschaftliche Ausgrenzung und Kriminalisierung, besonders für die Bereitschaft Betroffener, Hilfe zu suchen. Auf der anderen Seite steht natürlich die Problematik, dass psychisch Kranken bisher wenig geholfen wird und hier dringend Schritte nötig wären. Die Einrichtung eines psychatrischen Notdiensts, die das Gesetz auch beinhaltet und die Prantl ausdrücklich lobt, ist da ein Schritt in die richtige Richtung. Mein Gefühl ist, dass das Thema eine gewisse Hilflosigkeit hervorruft, und dass die bayrische Variante nur die konservative Variante ist, mit dieser Hilflosigkeit umzugehen (Gefährung wird hier immer gern mit Registrierung und Polizei begegnet). Manche geistig Kranken sind mit Sicherheit eine Gefahr für die Gesellschaft, und vorbeugend tätig zu werden kommt der Fürsorgepflicht gegenüber dem Bürger und den Leuten selbst nach. Die bayrische Methode scheint etwas mit der Brechstange zu sein und, wie oben beschrieben, mit einem sehr großen Nachteil der Ausgrenzung und Abschreckung vor freiwilliger Behandlung daherzukommen, aber ein klar besserer Weg fällt mir auch nicht ein, und da haben wir das Thema Kosten noch gar nicht angesprochen...
2) My epiphany about the problem with Apu
Eine Diskussion, die am progressiven Rand der Twittersphäre stattfand, war in letzter Zeit die Frage, ob die Figur des indischen Gemischtwarenhändlers Apu aus den Simpsons ein rassistisches Zerrbild wäre. Der indische progressive Autor Jeet Heer beschreibt im oben verlinkten Artikel, warum er Apu lange nicht als Problem sah und erst durch die Debatte darauf gestoßen wurde. Ich denke, die Diskussion ist ein Mikrokosmos um viele dieser progressiven Themen, die wir ja auch hier im Blog immer wieder diskutiert haben. Es sind Nebenkriegsschauplätze, und auch noch solche, die lange von niemandem als Problem gesehen wurden (siehe auch etwa die Debatte um das Football-Team "Redskins"), aber seither haben sich Maßstäbe verschoben. Als Apu in den 1980er Jahren geschrieben wurde schien er nur ein harmloses Stereotyp, aber 30 Jahre später sieht die Lage eben etwas anders aus. Was hier gefordert ist ist Sensibiltät gegenüber den Befindlichkeiten der jeweils betroffenen Minderheit, aber in der aufgeheizten Debatte, in der die rechten identity-politics-Krieger solche Versuche einer behutsamen Thematisierung gerne sofort mit dem Schlachtruf des Kampfs gegen political correctness torpedieren, ist das leider unwahrscheinlich.
3) Anglizismen in Firmentexten
Mich nerven nur wenige deutsche Lobbyverbände so sehr wie die selbst ernannten "Sprachschützer" und die vielen, vielen Phantomdebatten, die über die angebliche Gefährdung der deutschen Sprache geführt werden. Ich bin daher sehr froh, einen unaufgeregten Artikel gefunden zu haben, der Anglizismen in Firmentexten unvoreingenommen angeht und eine Art Anleitung erstellt, welche Anglizismen einen sinnvollen Platz haben, welche zwar überflüssig aber harmlos sind und auf welche man besser verzichtet.
4) Mit Rechten zu reden hat auch Grenzen // Hetze in Deutschland 4.0
Die beiden oben verlinkten Artikel gehen von unterschiedlichen Seiten her auf das Thema der Verwechslung von Hetze und Debatte ein. Die massive Verwirrung, die dafür sorgt dass das durchaus berechtige Anliegen auch Mitte-Rechts-Positionen einen Raum in der Debatte zu geben damit verwechselt echte Hetze unvoreingenommen zu debattieren, vergiftet derzeit jeglichen Diskurs. Es ist daher gut, die Argumente aus dem DLF-Beitrag (erster Link) zu beachten. Es gibt Grenzen des höflichen Diskurses, und die wurden in letzter Zeit deutlich eingerissen, das Overton-Fenster deutlich nach rechts verschoben. Durch die Annahme jeden Stöckchens, das AfD und Konsorten hinhalten, wird der Rahmen dessen was in höflicher Gesellschaft diskutierwürdig ist, wesentlich zu weit aufgerissen. Man konnte das 2011 schon mit Sarrazin beobachten, als plötzlich ernsthaft darüber gesprochen wurde, in wie weit die Genetik anatolische Bauern vielleicht doch gegenüber dem durchschnittlich gebildeten Mitteleuropäer überlegen mache, und es fehlt heute an klarer Kante, mit der deutlich gesagt wird: und hier ist Schluss, das gehört nicht in eine pluralistische Gesellschaft. Etwas eindrücklicher hat Frank Stauss (zweiter Link) das in seinem Artikel zusammengefasst, unter den man eigentlich nur einen Haken setzen kann.
5) Alle Lehrer auf Social Media?
Der Vordenker digitaler Bildung Bob Blume macht sich auf seinem Blog Gedanken darüber, ob es für alle Lehrer Standard sein sollte, in den sozialen Medien vertreten zu sein. Aktuell machen die Richtlinien der jeweiligen Regierungspräsidien dies sehr schwer, die Kommunikation mit Schülern über Social Media wird häufig sogar kategorisch untersagt. Blume gibt in seinem Artikel viele gute Gründe, dass Lehrer auf Social Media vertreten sein sollten. Es geht ihm dabei gar nicht so sehr um den performativen Aspekt (also aktiv twittern, bloggen oder vloggen) sondern schlichtweg das Bescheid wissen über das, was die Schüler dort machen. Eine grobe Ahnung haben, was auf YouTube so geschaut wird etwa, oder was den Reiz von Snapchat ausmacht, solche Sachen. Dieses Thema ist auch nicht nur für Lehrer relevant; ich stelle selbst immer wieder fest, welche eklatanten Wissenslücken hier bei Eltern bestehen. Wenn die Eltern nicht die geringste Ahnung haben, was ihre Kinder eigentlich im Netz machen (und ich rede nicht von Überwachung jedes Browserverläufchens, sondern vom konzeptionellen Verständnis) können sie auch keinen gesunden, im Konsens gefundenen Umgang mit diesen Medien entwickeln.
6) Alles, was n-TV und die Welt nicht so genau wissen
Anlässlich des Anschlags von Münster hat Übermedien zusammengeschrieben, wie die katastrophale Berichterstattung etwa von n-TV die Zuschauer verunsichert und mit Fake News bombardiert. Das Ergebnis ist erschreckend, aber ich bin mir nicht sicher, was die Konsequenz daraus ist. Jeglicher Versuch, das gesetzlich einzudämmen rennt sofort gegen das Prinzip der Pressefreiheit und bietet im besten Fall zahlreiche legale Fallstricke und Selbstzensur, wesentlich wahrscheinlicher aber gewaltiges Missbrauchspotenzial. Darauf zu hoffen, dass die Sender sich selbst ethische Regeln gegen solche Berichterstattung auferlegen ist auch hoffnungslos. Die Zuschauer WOLLEN so etwas ja sehen, und unsere Medienlandschaft ist einem Zwang des Hier und Jetzt unterworfen, der sich nicht einfach wegwünschen lässt. Wir leben im Zeitalter des 24/7-Newscycle, das ist einfach eine Tatsache. Bislang haben wir uns als Gesellschaft schlichtweg noch nicht daran gewöhnt und keine Mechanismen entwickelt, damit umzugehen.
Ich merke das ja auch immer selbst: wenn irgendein aktuelles Ereignis losbricht, das in meinen Interessensbereich fällt (was ein Anschlag wie in Münster nicht tut), retweete ich auch jede neue Meldung, lese atemlose Berichterstattung und schlussfolgere in Echtzeit auf Basis bestenfalls halbgarer Informationen. Sich da rauszunehmen, durchzuatmen und einfach abzuwarten ist schwierig, während um einen herum die Meldungen explodieren, und die Medien müssen Geld verdienen und irgendwie jede Sendeminute füllen. Das Problem wird uns daher auf absehbare Zeit erhalten bleiben, fürchte ich.
7) In Defense of Smartphones
Zusammen mit albener Sprachkritik (siehe Artikel 3) ist das Rumgenöle, wie sehr Smartphones doch das Sozialverhalten angeblich zersetzen würden und wie sich eine Smartphone-Sucht ausbreite eines der nervigsten Klischees unserer Tage. Keine Diskussion kommt ohne den Verweis aus, dass die Jugend von heute ja süchtig nach den Geräten sei, dass man keine echten Gespräche mehr habe, und so weiter und so fort. Die von Kevin Drum hier verlinkten Studien, die eher darauf hinweisen, dass die Smartphones soziale Kontakte tatsächlich verstärken statt sie ersetzen, sind da ein willkommener Gegenpunkt. Wir müssen definitiv neue soziale Normen für den Umgang mit den Smartphones entwickeln, keine Frage, aber den Kopf in den Sand zu stecken und die Technologie in Bausch und Bogen zu verdammen kann nicht die Lösung sein. Irgendwelche Verbote werden ohnehin, wie immer, scheitern, und ein Verlassen auf Kulturpessismismus übergibt den Bildungsprozess dieser neuen Normen im Endeffekt genau jenen, die dafür am wenigsten geeignet sind: den jugendlichen Rebellen.
8) The C-Section in American Movies // Let's play male protagonist Bingo
Der Einfluss der Popkultur auf das Bewusstsein der Gesellschaft ist ein Thema, über das ich auf meinem Blog The Nerdstream Era und im Podcast Boiled Leather Audio Hour oft genug rede. Das oben verlinkte Beispiel ist dafür sehr instruierend. Wenn in Werken der Popkultur, die von der Bevölkerung ja durchaus kontinuierlich und in großer Menge konsumiert werden, bestimmte Standards gesetzt werden, können sich diese entsprechend in der Mentalität verankern. Die Repräsentation von Frauen und Minderheiten in bestimmten Rollen, die Darstellung bestimmter Sachverhalte und Ähnliches sind daher kein bedeutungsloses Thema, sondern von größter Wichtigkeit, und es lohnt sich darüber zu streiten. Die Konsequenzen, wie die Geschichte oben zeigt, können in höchstem Maß unangenehm sein.
Der zweite verlinkte Artikel geht in dieselbe Richtung: Wir können sehen, welch ungeheure Einfallslosigkeit bei den überwiegend männlichen Protagonisten gerade des Videospiel- und Actiongrenres herrscht. Die Eingrenzung möglicher Männlichkeitsideale auf einige wenige, dazu wenig nachahmenswerte Alternativen ist für Jungs ein ernsthaftes Problem, und eines, das in den Problembereich der toxischen Maskulinität zurückfüttert.
1) Bayern will psychisch Kranke wie Straftäter behandeln
Heribert Prantl echauffiert sich über ein neues bayrisches Gesetz, nach dem psychisch Kranke (etwa Depressive) vorbeugend in eine geschlossene Anstalt genommen werden können und das sie registriert. Das Gesetz entsetzt die Fachwelt, was wenig wunders nimmt, denn nichts hilft schließlich bei psychischen Krankheiten besser als eine gesellschaftliche Ausgrenzung und Kriminalisierung, besonders für die Bereitschaft Betroffener, Hilfe zu suchen. Auf der anderen Seite steht natürlich die Problematik, dass psychisch Kranken bisher wenig geholfen wird und hier dringend Schritte nötig wären. Die Einrichtung eines psychatrischen Notdiensts, die das Gesetz auch beinhaltet und die Prantl ausdrücklich lobt, ist da ein Schritt in die richtige Richtung. Mein Gefühl ist, dass das Thema eine gewisse Hilflosigkeit hervorruft, und dass die bayrische Variante nur die konservative Variante ist, mit dieser Hilflosigkeit umzugehen (Gefährung wird hier immer gern mit Registrierung und Polizei begegnet). Manche geistig Kranken sind mit Sicherheit eine Gefahr für die Gesellschaft, und vorbeugend tätig zu werden kommt der Fürsorgepflicht gegenüber dem Bürger und den Leuten selbst nach. Die bayrische Methode scheint etwas mit der Brechstange zu sein und, wie oben beschrieben, mit einem sehr großen Nachteil der Ausgrenzung und Abschreckung vor freiwilliger Behandlung daherzukommen, aber ein klar besserer Weg fällt mir auch nicht ein, und da haben wir das Thema Kosten noch gar nicht angesprochen...
2) My epiphany about the problem with Apu
Eine Diskussion, die am progressiven Rand der Twittersphäre stattfand, war in letzter Zeit die Frage, ob die Figur des indischen Gemischtwarenhändlers Apu aus den Simpsons ein rassistisches Zerrbild wäre. Der indische progressive Autor Jeet Heer beschreibt im oben verlinkten Artikel, warum er Apu lange nicht als Problem sah und erst durch die Debatte darauf gestoßen wurde. Ich denke, die Diskussion ist ein Mikrokosmos um viele dieser progressiven Themen, die wir ja auch hier im Blog immer wieder diskutiert haben. Es sind Nebenkriegsschauplätze, und auch noch solche, die lange von niemandem als Problem gesehen wurden (siehe auch etwa die Debatte um das Football-Team "Redskins"), aber seither haben sich Maßstäbe verschoben. Als Apu in den 1980er Jahren geschrieben wurde schien er nur ein harmloses Stereotyp, aber 30 Jahre später sieht die Lage eben etwas anders aus. Was hier gefordert ist ist Sensibiltät gegenüber den Befindlichkeiten der jeweils betroffenen Minderheit, aber in der aufgeheizten Debatte, in der die rechten identity-politics-Krieger solche Versuche einer behutsamen Thematisierung gerne sofort mit dem Schlachtruf des Kampfs gegen political correctness torpedieren, ist das leider unwahrscheinlich.
3) Anglizismen in Firmentexten
Mich nerven nur wenige deutsche Lobbyverbände so sehr wie die selbst ernannten "Sprachschützer" und die vielen, vielen Phantomdebatten, die über die angebliche Gefährdung der deutschen Sprache geführt werden. Ich bin daher sehr froh, einen unaufgeregten Artikel gefunden zu haben, der Anglizismen in Firmentexten unvoreingenommen angeht und eine Art Anleitung erstellt, welche Anglizismen einen sinnvollen Platz haben, welche zwar überflüssig aber harmlos sind und auf welche man besser verzichtet.
4) Mit Rechten zu reden hat auch Grenzen // Hetze in Deutschland 4.0
Die beiden oben verlinkten Artikel gehen von unterschiedlichen Seiten her auf das Thema der Verwechslung von Hetze und Debatte ein. Die massive Verwirrung, die dafür sorgt dass das durchaus berechtige Anliegen auch Mitte-Rechts-Positionen einen Raum in der Debatte zu geben damit verwechselt echte Hetze unvoreingenommen zu debattieren, vergiftet derzeit jeglichen Diskurs. Es ist daher gut, die Argumente aus dem DLF-Beitrag (erster Link) zu beachten. Es gibt Grenzen des höflichen Diskurses, und die wurden in letzter Zeit deutlich eingerissen, das Overton-Fenster deutlich nach rechts verschoben. Durch die Annahme jeden Stöckchens, das AfD und Konsorten hinhalten, wird der Rahmen dessen was in höflicher Gesellschaft diskutierwürdig ist, wesentlich zu weit aufgerissen. Man konnte das 2011 schon mit Sarrazin beobachten, als plötzlich ernsthaft darüber gesprochen wurde, in wie weit die Genetik anatolische Bauern vielleicht doch gegenüber dem durchschnittlich gebildeten Mitteleuropäer überlegen mache, und es fehlt heute an klarer Kante, mit der deutlich gesagt wird: und hier ist Schluss, das gehört nicht in eine pluralistische Gesellschaft. Etwas eindrücklicher hat Frank Stauss (zweiter Link) das in seinem Artikel zusammengefasst, unter den man eigentlich nur einen Haken setzen kann.
5) Alle Lehrer auf Social Media?
Der Vordenker digitaler Bildung Bob Blume macht sich auf seinem Blog Gedanken darüber, ob es für alle Lehrer Standard sein sollte, in den sozialen Medien vertreten zu sein. Aktuell machen die Richtlinien der jeweiligen Regierungspräsidien dies sehr schwer, die Kommunikation mit Schülern über Social Media wird häufig sogar kategorisch untersagt. Blume gibt in seinem Artikel viele gute Gründe, dass Lehrer auf Social Media vertreten sein sollten. Es geht ihm dabei gar nicht so sehr um den performativen Aspekt (also aktiv twittern, bloggen oder vloggen) sondern schlichtweg das Bescheid wissen über das, was die Schüler dort machen. Eine grobe Ahnung haben, was auf YouTube so geschaut wird etwa, oder was den Reiz von Snapchat ausmacht, solche Sachen. Dieses Thema ist auch nicht nur für Lehrer relevant; ich stelle selbst immer wieder fest, welche eklatanten Wissenslücken hier bei Eltern bestehen. Wenn die Eltern nicht die geringste Ahnung haben, was ihre Kinder eigentlich im Netz machen (und ich rede nicht von Überwachung jedes Browserverläufchens, sondern vom konzeptionellen Verständnis) können sie auch keinen gesunden, im Konsens gefundenen Umgang mit diesen Medien entwickeln.
6) Alles, was n-TV und die Welt nicht so genau wissen
Anlässlich des Anschlags von Münster hat Übermedien zusammengeschrieben, wie die katastrophale Berichterstattung etwa von n-TV die Zuschauer verunsichert und mit Fake News bombardiert. Das Ergebnis ist erschreckend, aber ich bin mir nicht sicher, was die Konsequenz daraus ist. Jeglicher Versuch, das gesetzlich einzudämmen rennt sofort gegen das Prinzip der Pressefreiheit und bietet im besten Fall zahlreiche legale Fallstricke und Selbstzensur, wesentlich wahrscheinlicher aber gewaltiges Missbrauchspotenzial. Darauf zu hoffen, dass die Sender sich selbst ethische Regeln gegen solche Berichterstattung auferlegen ist auch hoffnungslos. Die Zuschauer WOLLEN so etwas ja sehen, und unsere Medienlandschaft ist einem Zwang des Hier und Jetzt unterworfen, der sich nicht einfach wegwünschen lässt. Wir leben im Zeitalter des 24/7-Newscycle, das ist einfach eine Tatsache. Bislang haben wir uns als Gesellschaft schlichtweg noch nicht daran gewöhnt und keine Mechanismen entwickelt, damit umzugehen.
Ich merke das ja auch immer selbst: wenn irgendein aktuelles Ereignis losbricht, das in meinen Interessensbereich fällt (was ein Anschlag wie in Münster nicht tut), retweete ich auch jede neue Meldung, lese atemlose Berichterstattung und schlussfolgere in Echtzeit auf Basis bestenfalls halbgarer Informationen. Sich da rauszunehmen, durchzuatmen und einfach abzuwarten ist schwierig, während um einen herum die Meldungen explodieren, und die Medien müssen Geld verdienen und irgendwie jede Sendeminute füllen. Das Problem wird uns daher auf absehbare Zeit erhalten bleiben, fürchte ich.
7) In Defense of Smartphones
Zusammen mit albener Sprachkritik (siehe Artikel 3) ist das Rumgenöle, wie sehr Smartphones doch das Sozialverhalten angeblich zersetzen würden und wie sich eine Smartphone-Sucht ausbreite eines der nervigsten Klischees unserer Tage. Keine Diskussion kommt ohne den Verweis aus, dass die Jugend von heute ja süchtig nach den Geräten sei, dass man keine echten Gespräche mehr habe, und so weiter und so fort. Die von Kevin Drum hier verlinkten Studien, die eher darauf hinweisen, dass die Smartphones soziale Kontakte tatsächlich verstärken statt sie ersetzen, sind da ein willkommener Gegenpunkt. Wir müssen definitiv neue soziale Normen für den Umgang mit den Smartphones entwickeln, keine Frage, aber den Kopf in den Sand zu stecken und die Technologie in Bausch und Bogen zu verdammen kann nicht die Lösung sein. Irgendwelche Verbote werden ohnehin, wie immer, scheitern, und ein Verlassen auf Kulturpessismismus übergibt den Bildungsprozess dieser neuen Normen im Endeffekt genau jenen, die dafür am wenigsten geeignet sind: den jugendlichen Rebellen.
8) The C-Section in American Movies // Let's play male protagonist Bingo
Der Einfluss der Popkultur auf das Bewusstsein der Gesellschaft ist ein Thema, über das ich auf meinem Blog The Nerdstream Era und im Podcast Boiled Leather Audio Hour oft genug rede. Das oben verlinkte Beispiel ist dafür sehr instruierend. Wenn in Werken der Popkultur, die von der Bevölkerung ja durchaus kontinuierlich und in großer Menge konsumiert werden, bestimmte Standards gesetzt werden, können sich diese entsprechend in der Mentalität verankern. Die Repräsentation von Frauen und Minderheiten in bestimmten Rollen, die Darstellung bestimmter Sachverhalte und Ähnliches sind daher kein bedeutungsloses Thema, sondern von größter Wichtigkeit, und es lohnt sich darüber zu streiten. Die Konsequenzen, wie die Geschichte oben zeigt, können in höchstem Maß unangenehm sein.
Der zweite verlinkte Artikel geht in dieselbe Richtung: Wir können sehen, welch ungeheure Einfallslosigkeit bei den überwiegend männlichen Protagonisten gerade des Videospiel- und Actiongrenres herrscht. Die Eingrenzung möglicher Männlichkeitsideale auf einige wenige, dazu wenig nachahmenswerte Alternativen ist für Jungs ein ernsthaftes Problem, und eines, das in den Problembereich der toxischen Maskulinität zurückfüttert.