1) Want affordable housing? Just build more of it!
Nicht nur in Deutschland ist die stetige Verteuerung und Knappheit von Wohnraum in Ballungsgebieten ein riesiges Problem. Besonders in den Städten der US-Westküste - San Francisco und Los Angeles etwa - hat der Mangel an Wohnraum die Preise inzwischen in Dimensionen getrieben, die nicht einmal mit den Gehältern des Silicon Valley bezahlt werden können. Ein wichtiger Grund für diese Knappheit ist eine absurde Überregulierung von Neubauten, ein Problem, das ebenfalls in weiten Teilen der entwickelten Welt zu finden ist (über das ich auch schon geschrieben habe). Das kommt daher, dass die Alteingesessenen, die bereits über eigenes Wohneigentum verfügen, dessen Wert zu steigern gedenken. Je komplexer und aufwändiger die Regeln für Neubauten gestaltet werden können, desto eher wird dieses Ziel erreicht. Dieseits wie jenseits des Atlantiks etwa werden mehr als zweistöckige Häuser massiv behindert, aber es gibt kaum etwas das mit Platz so ineffizient arbeitet wie einzelstehende Familienhäuser. Für die Innenstädte sind diese sowieso keine Option. Was den Bau größerer Wohneinheiten in den Innenstädten verhindert sind häufig die Vorschriften für Parkplätze, die zur Verfügung stehen müssen und für die natürlich kein Platz ist.
Daher fordern Experten bereits seit längerem eine deutliche Deregulierung der Bauvorschriften (zoning laws). Dazu gehört unter anderem, großen Wohneinheiten einfach keine Parkplätze zur Verfügung zu stellen und sie stattdessen direkt an großen Hubs für den Öffentlichen Nahverkehr zu bauen, was natürlich voraussetzt, dass es einen gut funktionierenden öffentlichen Nahverkehr gibt. So werden aber zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: die Zahl der Autos wird reduziert und damit die Luftqualität und Lärmbelastung deutlich verringert und gleichzeitig ein deutlicher Anstieg an bezahlbaren Wohneinheiten bewirkt. Der oben verlinkte Artikel von Noah Smith stellt dem katastrophalen Zustand San Franciscos das Ausbauprojekt Tokyos gegenüber, das genau nach diesen Prinzipien sehr erfolgreich war und Tokyo zu einer der bezahlbarsten Großstädte der Welt gemacht hat. Ein weiterer relevanter Punkt ist natürlich, dass der Staat selbst den Bau subventionierter Wohneinheiten vorantreiben kann (sozialer Wohnungsbau), wenn er denn nur wöllte. Aber das ist aktuell keine politische Priorität.
2) Kushner: We struck deal with Sinclair for straighter coverage
Die Sinclair Group erlangte einen größeren Bekanntheitsgrad, nachdem John Oliver in seiner Show "Last Week Tonight" vor einigen Monaten ihre Reichweite und Praktiken vorstellte. Das rechtsradikale Sendernetzwerk, das zahlreiche Regionalsender betreibt, zwingt seine Angestellten dazu, wörtliche Statements der Unternehmensleitung vorzutragen und hält sie mit Knebelverträgen unter Kontrolle (so etwa müssen Sinclair-Journalisten wenn sie ihren Job kündigen oder gekündigt werden bis zu 40.000$ Strafe zahlen!). Kürzlich sprangen auch die Leitmedien auf den Zug auf; CNN etwa schnitt ein Video zusammen, das die Nachrichtensprecher zahlreicher Sinclair-Sender zeigte, die ein wortgleiches Statement gegen "Fake News" (was in der Orwell'schen Sprachwelt der Rechten echte Fake News bedeutet) verurteilten. Ähnliche Statements wurden in Unterstützung sowohl des Kandidaten als auch des Präsidenten Trump forciert.
Nun hat, wie im oben verlinkten Artikel beschrieben, Jared Kushner, der Schwiegersohn Trumps, zugegeben, dass das Trump-Wahlkampfteam einen Deal mit Sinclair hatte, der ihnen positive Berichterstattung garantierte und etwa "Interviews" mit Trump uneditiert direkt sendete. Angesichts des Marktanteils Sinclairs besonders in den ländlichen Gegenden ist das keine Kleinigkeit. Sinclair fügt sich damit genau wie FOX "News" in die Reihe von TV-Sendern ein, die effektiv staatliche Propagandasender der Republicans sind und die RT oder der Prawda in nichts nachstehen. Diese Entwicklung ist äußerst besorgniserregend und kommt mit Verzögerung auch in Deutschland an. RT Deutsch etwa könnte, größere Erfolge oder gar eine Regierungsbeteiligung der AfD vorausgesetzt, problemlos eine ähnliche Rolle einnehmen. Die Rechten in den USA jedenfalls sind immer totalitärerer organisiert und kapseln sich völlig von einer objektiven Realität ab. Es ist völlig unvorstellbar, eine ähnliche Zusammenarbeit und Blasenbildung zwischen den Democrats und MSNBC zu haben.
3) Maybe politicians don't really represent anybody
Vor einiger Zeit kommentierte Kevin Drum bereits eine politikwissenschaftlichen Studie, die ergab, dass die Abgeordneten des Kongresses mehrheitlich die Positionen der oberen zehn Prozent teilten und damit kein Abbild der US-Bevölkerung darstellten, was erst einmal wenig überraschend ist, bedenkt man den Anteil an Millionären im Kongress. Spannend ist, dass in den letzten zwei Wahlzyklen eine merkliche Verschiebung stattfand: die Democrats sind im Schnitt deutlich "mittelschichtiger" geworden und in ihren Ansichten weitgehend repräsentativ für diese Wählerschicht (während die untere Mittelschicht und die Unterschicht selbst keinerlei Repräsentation erfahren).
Im oben verlinkten Artikel geht Drum allerdings noch einen Schritt weiter und stellt basierend auf neuen politikwissenschaftlichen Studien die These auf, dass die Politiker selbst eigentlich überhaupt keine real existierende Bevölkerungsschicht repräsentieren, sondern vielmehr die Bevölkerung ihre Ansichten von den Politikern selbst bezieht. Diese neue Denklinie tauchte in den letzten Monaten in mehreren Studien auf und erfährt immer mehr Beachtung (und Folgestudien und Peer-Reviews). Wenn sich diese Tendenz erhärtet - und dafür spricht vieles - muss die allgemeine Idee über das Funktionieren von Demokratie völlig auf den Kopf gestellt werden. Ich denke nicht, dass es ganz so weit kommt - noch immer reagieren Politiker auch sensibel auf Änderungen im Elektorat selbst - aber tatsächlich wird die Rolle von Politikern als Trendsetter gesellschaftlicher Änderungsprozesse weithin deutlich unterschätzt. Das ist etwas, auf das man definitiv ein Auge behalten sollte.
4) What is patriotism in the Age of Trump?
Einer der nervigsten Topoi in der Nachlese der Präsidentschaftswahl 2016 (und in geringerem Maße auch der Bundestagswahl 2017) ist die Idee, dass einer der ausschlaggebenden Faktoren zur Wahl Trumps die Arroganz der Progressiven war, die auf die Trump-Wähler herabblicken und sie als tumbe Rassisten sehen. Nervig nicht, weil nichts an der Idee dran ist, sondern weil es nur in eine Richtung geht. Denn die Einseitigkeit der gesamten Kommentatorenlandschaft in dieser Beziehung ist atemberaubend. Während jede leise Kritik an rassistischen und sexistischen Wählern und Politikern sofort als schwere Beleidigung verurteilt wird, die man so keinesfalls machen dürfe, weil man nie, nie, nie die Wähler der Rechtsextremen einfach über einen Kamm scheren kann, passiert das Gegenteil ständig.
Im oben verlinkten Artikel werden gleich zwei aktuelle Beispiele aufgezeigt: Ronna McDaniel, die Parteichefin der Republicans, tweetete etwa dass alle (!) Democrats Trump mehr hassen würden als sie Amerika liebten, während der führende Evangelikale Franklin Graham erklärte, dass alle (!) Progressiven gottlose Atheisten sei, die versuchten, die natürliche Ordnung der Dinge zu zerstören. Erst vor wenigen Tagen erklärte der NRA-Aktivist und Rechtsaußen Ted Nugent, der Stammgast auf GOP-Fundraisern ist und öffentlichkeitswirksam das Weiße Haus besuchte, dass jeder Amerikaner eine Waffe bereit halten sollte, da "Democrats, RINO, Hollywood and the media, basically half of America" nichts anderes als "rabid coyotes" seien, die man erschießen müsse, sobald man sie sehe.
Der Doppelstandard hier ist atemberaubend. Als Hillary Clinton erklärte, dass die Hälfte der Trump-Wähler ein "basket of deplorables" seien, wird das bis heute als Beweis für eine ungeheure, unverzeihliche und generell schlimme Verallgemeinerung und Villifizierung dargestellt. Wenn Republicans die Hälfte des Landes (!) als gottlose Atheisten abstempeln, die man komplett erschießen müsse, sind das, in den Worten CNNs, "harsh words". Man stelle sich einmal den Aufschrei vor, Obama hätte einen Linksradikalen ins Weiße Haus eingeladen, der danach alle Republicans als Verräter erklärt und ihre Ermordung gefordert hätte. Das ist völlig unvorstellbar. Bei den Rechten nimmt man das einfach hin. Es ist eine einseitige Radikalisierung und Normalisierung, die in der gesamten westlichen Welt zu beobachten ist und zwar in den USA deutlich weiter fortgeschritten ist als hier, aber wie man etwa an dem aktuellen Rechtsrutsch von CSU und FDP sehen kann ebenso herüberschwappt.
5) Martin Luther King Jr. wasn't always a beloved figure
Zuletzt hat Kevin Drum eine spannende Statistik: In den 1960er Jahren war Martin Luther King Jr. eine völlige Hassfigur, die selbst unter Progressiven kaum über 50% Beliebtheit kam. Heutzutage ist er eine geliebte Person; selbst Republicans werten ihre Zustimmung zu ihm praktisch nicht unter 70% (Progressive knacken regelmäßig 90%). Was man hier sehen kann ist dass es immer leichter ist eine Person zu mögen, wenn diese lange tot und in einer bereinigt-neutralisierten, harmlosen Variante verehrt werden kann. So wird Kings harsche Kritik an den sozialen Zuständen in den USA heute praktisch völlig zugunsten des Narrativs vom Kämpfer für das Wahlrecht verdrängt, so dass selbst Republicans behaupten können, ihn zu mögen und in seiner Tradition zu stehen. Dieser Mechanismus ist mit praktisch jeder historischen Figur zu beobachten, weswegen es auch so wichtig ist, dass der Geschichtsunterricht an der Schule kritisches Hinterfragen historischer Narrative und Mythen lehrt.
6) A road to right-wing authoritarian government
Im Makro-Blog (oben verlinkt) wird aufgezeigt, wie die republikanische Steuerpolitik direkt den Prozess der ständigen Radikalisierung nach rechts befeuert. Die Kurzversion ist: Die Republicans fahren eine extrem unpopuläre ökonomische Plattform, die, wenn sie Wählern bewusst wäre, ihre sichere Niederlage zur Folge hätte. Als Ausgleich verlassen sie sich in zunehmenderen Maße auf identity politics und undemokratische Machenschaften, was ein inhärent instabiler Zustand ist. Entweder vollzieht die Gesellschaft irgendwann die Konsequenz der Unpopularität des Wahlprogramms (was zuverlässig dann passiert, wenn die Partei an die Macht kommt und es umsetzt, weil es dann nicht mehr ignoriert werden kann) und wählt die Rechten wieder ab, oder aber diese nutzen die gewonnene Macht und zementieren sie durch de-facto Abschaffung der Demokratie. Das können wir etwa aktuell in Ungarn beobachten.
7) "Frivole Sex-Spiele an Schule": Wie BILD sich an sexuellem Missbrauch aufgeilt
Die Heuchelei der Konservativen in Bezug auf Sex ist ja wechselseitig erheiternd wie ärgerlich, aber selten ist sie so offensichtlich wie bei der BILD, die sich gerne als Verteidiger bürgerlicher Werte inszeniert und dabei eine Blut-und-Titten-Politik fährt. Der BILDBlog hat eine Zusammenstellung von Schlagzeilen erstellt, die in ihrem schieren Umfang beeindruckend ist. In allen Fällen geht es um eine Lehrerin, die Sex mit einem minderjährigen Schüler hatte (meist in den USA). Das ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Einerseits handelt es sich offensichtlich um einen Fetisch, und zwar um einen Fetisch, der angesichts der Auflagengesteuertheit der BILD von ihrer Leserschaft geteilt wird. Der Konservative liebt halt seinen Sex-Skandal in allen schmutzigen Details. Andererseits besteht ein krasses Gender-Ungleichgewicht, denn umgekehrte Fälle werden wesentlich seltener und dann deutlich verurteilend berichtet. Die BILD normalisiert so sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch Frauen und stellt ihn als etwas Erregendes dar.