"Wir hassen Faschisten, Nationalsoziallisten" singt die südtiroler Rockband Frei.Wild, aber das ist natürlich nur Ablenkung. Ein besonderes gerissener Trick, ein Versuch, arglose junge Menschen die Falle des Rassismus zu locken. Da ist zumindest Jörn Menge sicher, als Oberhaupt des Vereins "Laut gegen Nazis" immer darauf angewiesen, dass Faschisten versuchen, sich in der Mitte der Gesellschaft ein Plätzchen zu sicher.
Die Band Frei.Wild hat es geschafft. Wo zu einem von "Laut gegen Nazis" organisierten Konzert in Halle einst nur knapp 120 statt erwarteter 6000 Fans kamen, was auch der als Geldgebner für das angebliche Benefiz-Event auftretenden Stadtverwaltung gewissermaßen zeigte, wie wichtig und teuer der "Kampf gegen rechts" sein kann, strömen zu Auftritten der ehemaligen Böhse-Onkelz-Coverband Zehntausende. Und mit ihrem Album "Gegengift" landen Sänger Philipp Burger und seine Kollegen nun auch noch auf Platz zwei der deutschen Albumcharts.
Da gilt es aufzurütteln, wachzumachen, die Gefahr einer sofortigen Wiedererrichtung des 3. Reiches durch ein Jungsquartett an die Wand zu malen, das in seinen Werken am liebsten dumpfen Stampfrock spielt, der genau die Lücke zwischen Toten Hosen, Rammstein und Onkelz füllt. Kreuzgefährlich! Denn Philipp Burger, so alarmierte eine elektronische Postwurfsendung der Hamburger Nazi-Jäger, sei vor drei Jahren Mitglied bei den Freiheitlichen Südtirols gewesen, auch nach seinem Austritt habe er sich "nie" vom Gedankengut der Rechtspartei gelöst. Und bis heute finde seine Band "durchaus auch bei Rechtsextremen in Deutschland ihre Fans".
Ein Umstand, der längst verboten sein müsste. Der Parteiaustritt sei nicht von einem "echten Gesinnungswandel begleitet gewesen", analysiert Menge, dessen Verein im vergangenen Jahr zwar eine Großspende des Internetriesen Google erhielt, wenig später aber mitteilen musste, dass er aus Finanzierungsgründen vor dem Aus stehe. Es mangelt der Gesellschaft offenbar an Bereitschaft, die 200.000 Euro auf zubringen, die "Laut gegen Nazis" jedes Jahr benötigt, um vor der rechten Gefahr zu warnen, darüber aufzuklären, dass "rechte Gewalt jeden treffen" kann, und T-Shirts der früher ausgiebig als Nazimarke bekämpften Firma Lonsdale zu verkaufen.
Nun trifft es sich in solchen Momenten immer doppelt gut, wenn man prominente Feinde trifft. "Mit dem Parteiprogramm der rechtsextremen Freiheitlichen identifizierte sich der Frontmann der Band 2007/2008 immer noch!", wettert Menge, ohne anderslautenden Beteuerungen des südtiroler Sängers groß Beachtung zu schenken. Wichtig sei, dass Frei.Wild "von rechten Kameradschaften empfohlen" werde und die Band Texte singe wie „Südtirol, wir tragen deine Fahne, denn du bist das schönste Land der Welt, Südtirol, sind stolze Söhne von dir, unser Heimatland, wir geben dich nie mehr her", was ebenso eindeutig auf rechtes Gedankengut schließen lasse wie der Song "Big, Beautiful Country" des chinesisch-phillipinischen Sängers Jose Mari Chan. In einem Lied, so "Laut gegen Nazis", heiße es unumwunden "Ich scheiß auf den deutschen Staat will zurück zur Diktatur", womit wohl die "Diktatur des Proletariats" gemeint sei, die Friedrich Engels einst als logische Konsequenz des "Absterben des Staates" (Engels) propagiert hatte. Dazu noch das Hirschgeweih im offiziellen Bandschriftzug (oben links), das erschreckend deutlich an die Geweihe erinnert, die Hitlers Reichsmarschall Hermann Göring in seinem Jagdschloss Karinhalle aufhängen lassen hatte. Da nützten keine Ausreden mehr.
Gerade Zeilen wie „Rot und Braun, keinem darfst du trau'n“ deuten nach Ansicht der Hamburger Netzwerkanalysten eindeutig darauf hin, dass hier unzulässig Diktaturen verglichen und die Singularität der Naziherrschaft verharmlost werden solle. Phillip Burger, der öffentlich beteuert, außer "Der kleine Prinz", dem Lieblingsbuch seiner Tochter, eigentlich nie zu lesen, verführt die Jugend anders als die neue intellektuelle Rechte noch hinterhältiger. Frei.Wild-Alben sind Eistiegsdrogen für die Ohren, wer hier arglos zuhört oder gar zu Weisen tanzt, in denen es heißt: "Da, wo wir leben, da wo wir stehen, Ist unser Erbe, liegt unser Segen, Heimat heißt Volk, Tradidion und Sprache, Für uns Minderheiten eine Herzenssache", wirkt sozusagen selbst mit an der Renaissance des Rechtsrock, der eine Wiederkehr des Hitlerfaschismus auf dem Fuße folgen wird.
Konkrete Warnungen, mit halben Zitaten, Versfetzen und Andeutugen richtig schön schmackhaft gemacht, alles wie immer. Es hätte reichen müssen, wenigstens zu ein paar Alarm-Artikeln. Doch vier Tage nachdem Jörn Menge seine Bandmail in Sachen Frei.Wild ausgesandt hat an einen Verteiler, der alle Medienentscheider der Republik umfasst, ist nichts passiert. Keine große Tageszeitung, kein Kultursender, keine Online-Ausgabe früherer Nachrichtenmagazine ist angesprungen auf die aufrüttelnde Botschaft von den Südtiroler Rechten, die die deutsche Hitparade entern und die Jugend verderben. Schade für "Laut gegen Nazis", denen eine aufgeregte Debatte um Frei.Wild Arbeit und Brot und Spenden für viele weitere Monate wichtiger Aufklärungsarbeit verschaffen sollte. Schade aber auch für die Band, deren neuem Album "Gegengift" eine deftige Portion Empörung sicher ganz nach oben verholfen hätte. So bleibt es bei Platz zwei.