Verfüg-, verschiebbares Humankapital

Von Robertodelapuente @adsinistram
Menschen die in Arbeitslosigkeit geraten, werden von Wirtschaft und Politik als herumschiebbare Substanz für den Arbeitsmarkt betrachtet. Diese Aussage ist nicht besonders neu. Mit welcher Chuzpe und welchem eiligem Elan aber neuerdings die Arbeitsministerin arbeitslos werdende Personen verschiebt und herumstößt, das ist man so (noch) nicht gewohnt.
Die Deutschland-PSA
Die erklärt nämlich lapidar, dass man aus den ehemaligen Beschäftigten von Schlecker Erzieherinnen machen werde. Punkt. So einfach geht das heute - freie Entscheidung, freie Berufs- und Arbeitsplatzwahl, eine Form von Qualitätsauswahl und -sichtung potenzieller Kandidaten: Fehlanzeige! Kaum arbeitslos, schon die Verfügungsmasse einer Politik, die sich als pragmatisch und anpackend auszeichnen will - kaum arbeitslos, schon herumgeschubst von einer Politikerin, die sich mittels schneller Vorschläge eine Kontur als Anpackerin verschaffen möchte. Ganz nach dem Gusto neoliberaler Statiker, versteht sich.

Wer medial fachgerecht seine Arbeit verliert, der ist doppeltes Opfer. Erst ein Opfer der Pleite, dann ein Opfer des Aktionismus, mit dem Ministerien im Massenmedienzeitalter stets arbeiten. Dieses unreflektierte, fast ziellose Handeln in ideologischer Konzeptlosigkeit kennt wenige Prinzipien - und wenn, dann sind sie nur ökonomischer Natur. Fällt Humankapital bei A aus, so soll es bei B einsatzbereit gemacht werden. Der angeblich so freie Arbeitsmarkt als überdimensionale Arbeitnehmerüberlassung, verschiebbar nach Auftragslage und Lust und Laune des Leiharbeitgebers. Personal-Service-Agentur Deutschland! Für den freien Willen, für die Vorlieben und Neigungen von Erwerbslosen ist da kaum noch Platz - so wenig Platz, dass der in Erwerbslosigkeit Geratene nicht mal mehr eine Übergangszeit bekommen soll; Orientieren, Durchatmen, Sondieren - dafür bleibt keine Zeit für die Verfüngungsmasse des Arbeitsministeriums. Jeder Mensch hat Abneigungen und Vorlieben - für die Gestalter des aktionistischen Arbeitsmarktes ist das allerdings irrelevant; alles ist erlernbar, auch Kinderfreundlichkeit womöglich.
Eingeständnis gescheiterter Arbeitsmarktreformen
Seit Jahren lesen wir, dass die Reformen gefruchtet hätten. Die Hartz-Konzeption habe sich bewährt, Arbeitslosigkeit sei geschrumpft und Arbeitsplätze seien ausreichend vorhanden und würden stetig mehr. Kurz gesagt: das Sozialgesetzbuch hat alles im Griff. Es sichert Teilhabe und Integration in den Arbeitsmarkt. Dennoch greift nun das Arbeitsministerium ein. Hat es wenig Vertrauen in jene Gesetze, die es sonst reichlich lobt? Warum nicht das SGB einen guten Arbeitsmarkt regeln lassen? Wieso aktionistisch eingreifen, wo Hartz-Reformen souverän wirken?
Vielleicht verzichtet die Ministerin auf die ruhige Hand, weil sie weiß, dass der normale Lauf der Dinge die Ex-Schleckeretten in Langzeitarbeitslosigkeit brächte - wie es das Hartz-Konzept und allerlei Arbeitsmarktreformen gewollt haben. Und ob ihr Aktionismus die ehemaligen Angestellten von Schlecker in Arbeit bringt, steht ohnehin auf einem anderen Blatt. Vielleicht bekommen die ja durchaus einen Arbeitsplatz, sind dann billige, durch Crashkurs lohngedumpte Erzieher, die fachlich gebildete Erzieher aus ihren Stellen drängen - dann steht ein Heer von pädagogischen Fachkräften auf der Straße, die von der Ministerin gesagt bekommen, was sie bald werden dürfen. Verkäuferinnen womöglich...
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